Brandenburg: Die Zeichen stehen auf Abbau
Kreise: Bundeskürzungen führen zu Kahlschlag beim Nahverkehr / VBB: Bahn könnte Vertrag verlieren
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Potsdam - Wegen der drohenden Kürzungen bei den Bundeszuschüssen für den Regional- und Nahverkehr werden in Brandenburg Drohkulissen gegen den Bund aufgebaut: Landesregierung, Kommunale Spitzenverbände, Verkehrsbetriebe und der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg (VBB) prophezeien zum einen die Stilllegung ganzer Bahn- und Busstrecken im Land, kürzere Züge und weniger Bus- und Straßenbahnverkehr. Ganze Landstriche wie etwa die Uckermark und das nördliche Havelland könnten weitgehend vom Speckgürtel abgeschnitten werden. Die zunehmend überalternde Bevölkerung von märkischen Kleckerdörfern und Kleinstädten müsste nach diesem Szenario die Hoffnung begraben, überhaupt jemals von einem Linienbus angesteuert zu werden.
Zum anderen aber wollen sich Land, Kreise und VBB einen Teil der vom Bund gekürzten Zuschüsse indirekt vom Bund zurückholen: Sie drohen der bundeseigenen Bahn AG offen mit der Kündigung eines Milliarden schweren Vertrages, für den Fall, dass der Bund bei seinem am Mittwoch beschlossenen Sparplan bleibt und Bundestag und Bundesrat dem zustimmen.
Der Bund will bundesweit die so genannten Regionalisierungsmittel, mit denen die Länder, Kreise und Kommunen ihren Nah-, City- und Regionalverkehr finanzieren, bis zum Jahr 2010 um 3,2 Milliarden Euro (bis 2009 um 2,3 Milliarden) kürzen. Die Länder Berlin und Brandenburg bekämen demnach jährlich zusammen 125 Millionen Euro weniger vom Bund als bislang. 50 Millionen Euro würden Brandenburg etwa im kommenden Jahr fehlen.
Der Landkreistag Brandenburg und der VBB-Aufsichtsrat forderten gestern gegenüber den PNN vom Bund ein Sonderkündigungsrecht für die Bahnverträge in Brandenburg. Ihr Argument: Der Regionalbahn-Vertrag war einst ohne Ausschreibung zu äußerst günstigen Konditionen vergeben worden. Schließlich habe die DB-Regio bundesweit im Vorjahr mehr als 450 Millionen Euro Gewinn gemacht, so Karl Heinz Schröter, Vorsitzender des Landkreistages Brandenburg gegenüber den PNN. „Und einen Großteil verdient das Unternehmen auf den Strecken, die – wie in Brandenburg – ohne Wettbewerb vergeben worden sind“, so Schröter.
Mit der Kündigungsdrohung rückt auch ein fast vergessener Ex-Minister wieder in Erinnerung: Brandenburgs einstiger Bauminister Hartmut Meyer (SPD). Der hatte gegen Widerstände im eigenen Haus und gegen Interventionen des Bundeswirtschaftsministeriums sowie der EU im Jahr 2002 den für die Bahn so lukrativen Regionalbahnvertrag freihändig geschlossen. Meyer war dabei so großzügig, dass sich Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) – einst selbst Bahnmanager – weigerte, den Vertrag mitzuunterzeichnen.
Etwa ein Jahr nach Vertragsunterzeichnung war Meyer dann als Verkehrsminister zurückgetreten um sich als freier Berater niederzulassen. Sein größter Kunde: Die Deutsche Bahn.
Nach dem „Meyer-Vertrag“ darf die Bahn-Tochter DB-Regio noch bis zum Jahr 2012 rund 75 Prozent des Regionalverkehrs in Brandenburg betreiben und erhält dafür 1,92 Milliarden Euro.
„Es ist nicht einzusehen, dass wir unter diesen Umständen an einem solchen Vertrag mit einer bundeseigenen Firma wie der Bahn festhalten sollen, wenn der Bund uns gleichzeitig die Mittel kürzt“, sagte ein VBB-Aufsichtsrat gestern gegenüber den PNN.
Doch Meyer und die Bahn hatten den Vertrag wasserdicht geschlossen, das Private Bahnunternehmen Connex war gar mit einer Klage gescheitert. Brandenburg kommt ohne Sonderkündigungsrecht nicht aus dem Meyer-Vertrag.
Genau dieses Sonderkündigungsrecht fordern nun Landkreistag und VBB. Der VBB-Aufsichtsrat hatte deshalb am Mittwochabend beschlossen, dass die VBB–Geschäftsführung sich bei seinen Gesellschaftern für ein Sonderkündigungsrecht für die dicken Bahn-Verträge einsetzt. Pikantes Detail: Zu den Gesellschaftern zählen neben den Ländern Berlin und Brandenburg auch der Bund.
Außerdem solle die VBB–Führung im Gegenzug zu den Einsparungen dafür sorgen, „dass im Falle von Abbestellungen auf Strecken, die mit EU- und Bundeszuschüssen saniert worden sind, keine Zuschussrückforderungen erhoben werden“.
Für den Bund sollte das problematisch werden. Mit einigen Haushaltstricks könnte er noch auf die eigene Zuschüsse verzichten. Es dürfte ihm allerdings schwer fallen, der EU-Kommission zu erklären, dass sie wegen der Haushaltspolitik des Bundes auf die zwingend vorgeschriebene Rückforderung von Milliarden-Zuschüssen für neue Gleise und schönere– dann aber leider verwaiste – Regionalbahnhöfe verzichten soll.
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