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Brandenburg: Eigentum verpflichtet

Am neuen BER-Flughafen lässt Berlins Regierender die Zügel schleifen – und Brandenburg wundert sich

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Potsdam/Berlin - Bei der Flughafenpolitik schauen jetzt alle auf Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er will aus dem Aufsichtsrat in die Gesellschafterversammlung wechseln und dieses Gremium politisch aufwerten, unter Einbeziehung seines Brandenburger Amtskollegen Dietmar Woidke (SPD) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Doch Dobrindt macht Müller einen Strich durch die Rechnung. Der CSU-Mann sagte jetzt im Interview mit dieser Zeitung, dass er nicht die Absicht habe, diesem Gremium beizutreten. Der Bund sei an vielen Unternehmen beteiligt. „In den meisten Fällen“ sei er dort nicht durch den Ressortchef, sondern durch hochrangige Mitarbeiter vertreten. „Das gilt auch für den BER“, sagte Dobrindt. Was nun?

Dobrindts Weigerung bringt Müller in die Bredouille. Aus Berliner Regierungskreisen verlautete, es gelte weiterhin, dass die politische Führung in der Verantwortung sein und Gremien beiwohnen müsse. Wie das konkret aussehen könnte? „Die Gespräche laufen“, hieß es. Für Müller soll Baustaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup (SPD) in den Aufsichtsrat wechseln und den amtierenden Vorsitzenden Rainer Bretschneider, den brandenburgischen Flughafenstaatssekretär, ablösen. Lütke Daldrup gilt weiterhin als gesetzt.

Für die Berliner CDU wiederum steht außer Frage: Sie will eine Entpolitisierung des Aufsichtsrats und dafür Experten einsetzen. Die Entsendung des Innenstaatssekretärs Bernd Krömer (CDU) – den Namen hatte die SPD ins Spiel gebracht – kommt für CDU-Parteichef und Innensenator Frank Henkel nicht infrage. Henkel scheidet aus dem Aufsichtsrat aus, wenn Müller geht. Dem Vernehmen nach hat Henkel Müller mehrere Vorschläge unterbreitet, wen er als Experten oder Expertin für geeignet hält. Henkel würde auch mit Müller in die Gesellschafterversammlung gehen. „Die Entscheidung liegt bei Müller“, heißt es in der CDU.

Der Dritte im BER-Gesellschafterbund ist das Land Brandenburg. Dass Dobrindt nicht in die Gesellschafterversammlung gehen will, hatte man in Potsdam erwartet. Und Ministerpräsident Dietmar Woidke, seit 2013 Regierungschef, war von Anfang an nicht im BER-Aufsichtsrat. Bislang hat sich der SPD-Politiker nicht öffentlich festgelegt, ob er in die Gesellschafterversammlung gehen würde.

Dobrindts Weigerung bringt Müller noch mehr in die Bredouille, in Brandenburg hält man sie hingegen für kein Drama. Die Potsdamer sehen keinen Grund für hektische Aktivitäten. Es gebe eigentlich ja keinen Zeit- und Entscheidungsdruck, es laufe zurzeit ja eigentlich ganz gut mit den Gremien, etwa mit dem vom eigenen Staatssekretär Bretschneider als kommissarischen Chef geführten Aufsichtsrat, heißt es in Kreisen der Landesregierung. Und man hat dort durchaus auch Verständnis für die Nöte Müllers, den angekündigten Rückzug aus dem Aufsichtsrat – nach dem vorschnellen Eintritt – gesichtswahrend kompensieren zu wollen. Brandenburg habe, so die grundsätzliche Linie, Interesse an einem Schulterschluss mit Berlin. Dass aber aus dem Roten Rathaus bislang keine Vorschläge gekommen sind, wie eine Lösung konkret aussehen könnte, sorgt hier schon seit Längerem für Verwunderung.

Das rot-rote Kabinett Woidkes, der 2013 nach seinem Amtsantritt gar nicht erst in den Aufsichtsrat des Flughafens gegangen war, hatte im Dezember 2014 auch alle Minister aus dem Kontrollgremium zurückgezogen. Das war ein paar Tage vor Müllers Einzug ins Rote Rathaus. Seitdem ist Brandenburg im Aufsichtsrat allein mit Staatssekretären und externen Fachleuten vertreten – was exakt so der brandenburgische Landesrechnungshof nach einer Tiefenprüfung als Konsequenz aus dem Kontroll- und Steuerungsversagen und den Strukturdefiziten am Pannenprojekt gefordert hatte. Woidke, seit 2013 Regierungschef, war von vornherein nie im BER-Aufsichtsrat. Als Brandenburg die Minister abzog, war offiziell verkündet worden, dass Finanzminister Christian Görke (Linke) „künftig in der Gesellschafterversammlung die Rolle Brandenburgs als Anteilseigner stärken wird“. Vollzogen ist – wegen der fehlenden Einigung über die neue Struktur zwischen Brandenburg, Berlin und dem Bund – auch das noch nicht. Woidke selbst hat sich bislang noch nicht öffentlich festgelegt, ob er ebenfalls in die Gesellschafterversammlung geht.

In Potsdam hält man verschiedene Modelle für denkbar. Eins wäre, eine neue „Eigentümerversammlung“ für den BER zu installieren, also die bisherigen BER-Spitzentreffen der beiden Regierungschefs und des zuständigen Bundesverkehrsministers zu institutionalisieren, und zwar oberhalb der dann weiter als „Arbeitsgremium“ existierenden Gesellschafterversammlung. Solche Treffen gab es, wenn auch selten, meist in schweren Krisen, zuletzt als die Nachfolge von Hartmut Mehdorn geklärt werden musste. Eine andere Variante wäre für die Brandenburger dem Vernehmen nach, die bestehende BER-Gesellschafterversammlung um einen „Eigentümerausschuss“ zu erweitern oder die Satzung so zu verändern, dass bei „grundsätzlichen Fragen“ die Regierungschefs hinzugezogen werden. Egal wie, für die Potsdamer ist klar, dass der Ball bei Müller in Berlin liegt. Sabine Beikler, Thorsten Metzner

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