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Brandenburg: Ein konservativer Gralshüter Jörg Schönbohm wird 70. Mit sich ist er im Reinen, Brandenburgs Querelen-CDU wird ihm fremder

Potsdam - Er hat schon bedeutende Auszeichnungen erhalten, etwa das Große Bundesverdienstkreuz, den höchsten Orden Finnlands, oder auch das Großkreuz der Ehrenlegion Frankreichs. Und trotzdem ist es wohl tatsächlich so, dass es diesen Mann tief in seinem Inneren mehr berührt, wenn ihm aus Anlass seines 70.

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Potsdam - Er hat schon bedeutende Auszeichnungen erhalten, etwa das Große Bundesverdienstkreuz, den höchsten Orden Finnlands, oder auch das Großkreuz der Ehrenlegion Frankreichs. Und trotzdem ist es wohl tatsächlich so, dass es diesen Mann tief in seinem Inneren mehr berührt, wenn ihm aus Anlass seines 70.Geburtstages am Montag von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck der Rote-Adler-Orden Brandenburgs verliehen wird, die höchste Auszeichnung des Landes. „Das ist etwas anderes – meine emotionale Rückkehr in die Heimat“, sagt Jörg Schönbohm, geboren am 2. September 1937 in Neu-Golm. „Ich sehe es als Dank an alle, die nach Brandenburg zurückgekommen sind, um Hand anzulegen.“

Ja, die Liebe zur Mark und eine geradezu preußische Mentalität der Pflichterfüllung, des Anpackens – beides ist typisch für Schönbohm, den Platzeck einmal treffend einen „geraden Typen“ genannt hat. Er, der nun nach Lebensjahren der älteste deutsche Minister sein dürfte, aber Jüngere mit seiner Energie und Lebenslust überrascht, der einer wenigen bundesweit bekannten märkischen Politiker ist, genießt auch über die Grenzen des Landes hinaus Respekt und Wertschätzung. So dürfte es alles andere als Zufall sein, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel – ebenso ihr Vorgänger Helmut Kohl – unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus China am Sonntag unter den 140 Gästen sein wird, wenn Schönbohm in Berlin auf einem privaten Empfang den 70. Geburtstag feiert. Dass er Merkel oft attackierte, dass er – nach seinem Selbstverständnis als einer der letzten konservativen Gralshüter der CDU – den Ausverkauf des „Tafelsilbers“ bewährter Prinzipien und Grundsätze beklagte, ist für sie und für Schönbohm kein Widerspruch: Freund und Feind können bei ihm wissen, woran sie sind. Er kämpft mit offenem Visier – Heimtücke und Hinterlist sind ihm zuwider.

Da ist Jörg Schönbohm, der eigentlich Lehrer für Geschichte und Philosophie werden wollte, der erst 1996 in die Politik einstieg, ganz der Bundeswehrgeneral geblieben, der er einmal war. Die militärische Laufbahn, die ihn bis auf die Bonner Hardthöhe als Verteidigungs-Staatssekretär führte, hat ihn geprägt, seine Art, die Dinge anzupacken, mit Führungsstärke, Entscheidungsfreude, Fairness. So hat der Mann mit den markanten buschigen Augenbrauen, schon die 90 000 Mann starke Nationale Volksarmee aufgelöst. So schlug er als Innensenator in Berlin Pflöcke ein. So hat er 1999 das damals „rote“ „Stolpe-Land“ erobert, das für die vorher zerrüttete Union als uneinnehmbare Festung galt. So hat er als Innenminister eine Reform nach der anderen angepackt – Polizeireform, Gemeindereform.

Gewiss, Ruhe ist nie, wo Schönbohm ist; wenngleich er mit den Jahren milder, verständnisvoller, toleranter auftritt. Die Lust an der Provokation, an der intellektuellen Debatte ist ihm geblieben, so dass er gern gegen „Denkverbote“, „politische Korrektheit“ oder linksliberale Meinungsmacht austeilt, der Tabus bricht. In Berlin zog er gegen „Multikulti“ zu Felde, führte als erster Politiker den umstrittenen Begriff der „deutschen Leitkultur“ in die Debatte ein und schoss gelegentlich übers Ziel hinaus. Das Ende der Schönbohm-Ära begann, als er 2004 mitten im Landtagswahlkampf unter dem Eindruck der neun toten Babys von Brieskow-Finkenherd die Wurzeln ostdeutscher Gewaltbereitschaft in „Zwangsproletarisierung“ und „Zwangskollektivierung“ zu SED-Zeiten vermutete, womit er einen Aufschrei der Empörung in Ostdeutschland auslöste, bis in die Reihen seiner Partei hinein. Der von ihm mit falschen Worten provozierte Aufschrei führte aber auch dazu, dass die nötige Debatte um Gewalt-Wurzeln im Osten erstickt wurde – das wirft er sich im Rückblick vor.

Es liegt eine Tragik darin, dass ihm die Brandenburger Christdemokraten, die er einst in die Regierung führte, in den Monaten danach einen ehrenvollen Abgang vermasselten. Er zog sich im Januar 2007 vorzeitig vom Landesvorsitz zurück. Seitdem sind sich Schönbohm und die sich in Grabenkämpfen aufreibende CDU immer fremder geworden. Zum Geburtstagsempfang hat er aus der Brandenburger Union nur seinen Wunschnachfolger, Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, eingeladen. Und trotz alledem ist Schönbohm, der bislang bis 2009 Innenminister bleiben will, angesichts seiner Lebensleistung mit sich im Reinen. „Mir geht es gut. Besser als der CDU.“

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