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Volkmar Schöneburg (Linke).

© promo

Ex-Justizminister gegen Verfassungstreue-Check: „Ein Radikalenerlass made in Brandenburg“

Brandenburgs früherer Justizminister Volkmar Schöneburg appelliert an die Grünen, die Pläne von CDU-Innenminister Stübgen zu verhindern.

Herr Schöneburg, Brandenburgs Innenminister Stübgen (CDU) plant einen Verfassungstreue-Check für Beamte. Freuen Sie sich als Linker, dass der Staat härter gegen Rechtsextremisten unter Beamten vorgeht?
Im Gegenteil, es ist ein Beispiel von Geschichtsvergessenheit. Der Innenminister forciert einen Verfassungstreue-Check zu einer Zeit, in der sich zum 50. Mal die Verabschiedung des Radikalenerlasses jährt. In Niedersachsen wird die Rehabilitierung der Opfer auf den Weg gebracht. In Baden-Württemberg schreibt die Wissenschaftsministerin von den Grünen im Vorwort einer Studie zu  Berufsverboten, „dass die Lebensentwürfe von vor allem jungen Menschen zerstört und Existenzen gefährdet wurden“.

Das war doch eine Nummer härter damals. Warum dieser Vergleich?
Es ist lehrreich, an die Folgen dieser ideologischen Schleppnetzfahndung zu erinnern. Jede und jeder im öffentlichen Dienst musste bereits in Ausbildung oder Studium „jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten“. Überprüft wurde das mit der Regelanfrage beim Verfassungsschutz.

Die soll es nun wieder geben. Warum ist der Nachrichtendienst für Sie ein Problem?
Der Verfassungsschutz ist seit der Aufdeckung der NSU-Morde und seiner komplexen Verstrickung diskreditiert. Er ist ein Fremdkörper in der Demokratie, wie auch der Brandenburger NSU-Untersuchungsausschusses gezeigt hat. Es fehlen Transparenz, Reglementierung und die Überprüfbarkeit. Die im Geheimen agierenden Behörde fühlt sich im Zweifelsfall nicht an Recht und Gesetz gebunden.

Verfassungsschutzämter würden energisch widersprechen. Wo genau sehen sie Parallelen zwischen damals und heute?
Stübgen plant im Vergleich zu 1972 einen „Radikalenerlass light made in Brandenburg“. Darin manifestiert sich ein Generalverdacht gegen jeden, das ist einer Demokratie fremd. Misstrauen bewirkt das Gegenteil: Die Verfassung wird nicht geschützt, sie wird nachhaltig beschädigt. Es ist ein Paradoxon. Die alten Bundesländer verzichteten ab Mitte der 80er Jahre auf eine Regelanfrage, zuletzt Bayern 1991. Brandenburg will ihn wieder einführen.

Anlass ist nun eher, gegen Rechtsextremisten vorzugehen.
Dafür muss das Dienstrecht, das an konkretes Fehlverhalten anknüpft, konsequent genutzt werden. Bei Stübgens Äußerungen schwant einem nichts Gutes, wenn er härteste Strafen für Klimaaktivisten fordert und sie Klimaextremisten nannt. In den öffentlichen Dienst käme man nicht wegen der Teilnahme an „einschlägigen Veranstaltungen“ oder der Zugehörigkeit zu „Beobachtungsobjekten“ des Verfassungsschutzes. Das träfe auch mich.

Warum?
Ich habe schon für Marxistische Blätter geschrieben und war – weil meine Urgroßmutter und mein Großvater von den Nazis in Konzentrationslager verschleppt wurden – beim Bund der Antifaschisten VVN-BdA aktiv.

Der VVN-BdA  wird vom Verfassungsschutz in den Ländern nicht mehr als extremistisch eingestuft.
Aber erst seit Kurzem. Das Beispiel zeigt, wie gefährlich der Stübgen-Check ist. Radikalenerlass und Berufsverbote waren nicht förderlich für die Demokratie. Betroffene gingen auf Distanz zum Staat oder es kam zu Angepasstheit und Duckmäusertum. Dabei ging es nur um legale politische Aktivitäten wie die Kandidatur bei Wahlen, die Teilnahme an Demonstrationen, das Unterschreiben politischer Erklärungen oder die Mitgliedschaft in kommunistischen, sozialistischen und anderen Organisationen bis hin zur Friedensbewegung.

Wer soll den Stübgen-Check noch aufhalten?
Das kann nur die Regierungspartei Bündnis 90/Die Grünen sein. Der Kampf gegen Radikalenerlass und Berufsverbote gehört zu DNA der westdeutschen Grünen. Und die Erfahrungen der Bürgerrechtler aus der DDR mit der Stasi finden sich bei Bündnis 90. Kein Geheimdienst sollte mehr über die Lebensperspektiven der Bürgerinnen und Bürger bestimmen.

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