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Fehlende Lehrer, schlechte Noten: So wollen die Parteien Brandenburgs Bildungsprobleme lösen
Immer mehr Stellen an Schulen bleiben unbesetzt, immer mehr Lehrkräfte sind Quereinsteiger. Eine Analyse der Landtagswahl-Programme zeigt, was die acht großen Parteien in der Bildungspolitik vorhaben.
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Die Zeiten von Schulschließungen und Teilzeitverbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern wegen sinkender Schülerzahlen in Brandenburg sind längst vorbei. Inzwischen ist der Lehrkräftemangel ein gravierendes Problem. Zu Beginn des vergangenen Schuljahres konnten erstmals in der Geschichte Brandenburgs nicht alle Lehrerstellen besetzt werden – fast 500 blieben offen.
Entwarnung ist auch ab dem neuen Schuljahr nicht zu erwarten. Ohne Seiteneinsteiger geht nichts mehr: Fast jeder vierte Lehrer, der an einer Schule im ländlichen Raum unterrichtet, ist laut Bildungsministerium ein Quereinsteiger. Im Landesschnitt beträgt der Anteil der Quersteiger 17,7. Im Raum um Berlin neun Prozent.
Weitere Großbaustelle, die aus Expertensicht auch mit dem Fehlen ausgebildeter Lehrer vor allem an Grundschulen zu tun haben dürfte: Brandenburgs Schülerinnen und Schüler schnitten bei Vergleichen in Deutsch und Mathematik wiederholt schlecht ab.
SPD
Das Wahlprogramm der SPD liest sich wie ein Weiter-so. Die Partei leitet seit 1994 das Bildungsministerium und listet in ihrem Programm eine Reihe an Maßnahmen auf, die ihr Minister Steffen Freiberg vor Ende der Legislatur angeschoben hat. Die SPD setze „auf verstärkte Ausbildung, Qualifizierung bei Seiteneinstieg sowie Reaktivierung von pensionierten Lehrkräften“. In Senftenberg wurde ein Studiengang für Grundschullehrer eingerichtet, ältere Lehrer sollen mit einem Bonus zum Weiterarbeiten motiviert werden, Schulen von Bürokratie entlastet und das Landlehrerstipendium fortgeführt werden.
Die Förderung sprachlicher und mathematischer Kompetenzen an Grundschulen soll in den Fokus rücken, der Unterricht in diesen Fächern verstärken werden, ohne dass eine konkrete Mehrstundenzahl genannt wird. Begleitend zum Leseband, einem freiwilligen Lesetraining, soll auch ein Rechenband eingeführt werden.
CDU
Der Koalitionspartner CDU, der das Bildungsressort von der SPD übernehmen möchte, will das Leseband zur Pflicht machen und setzt in der Vorschule an: Kitakinder sollen im vorletzten und letzten Kitajahr einen Test auf Förderbedarf absolvieren. Für Kinder mit Sprachdefiziten soll das letzte Kitajahr verpflichtend sein. Ab der dritten Klasse sollen ausnahmslos Noten erteilt werden und zum Abschluss der 4. Klasse soll eine „Lesen-Schreiben-Rechnen-Garantie“ stehen.
Gegen den Lehrermangel werden der Einsatz von Headhuntern und Werbung im In- und Ausland angestrebt. An der Europa-Uni Viadrina in Frankfurt (Oder) sollen ausländische Lehrkräfte, insbesondere aus Polen, qualifiziert werden. Als letztes Mittel will die CDU befristet eine „Brandenburg-Stunde“ einführen: Lehrer können dann für begrenzte Zeit eine zusätzliche Stunde pro Woche unterrichten, die wie eine normale Unterrichtsstunde vergütet wird.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen, derzeit kleinster Koalitionspartner, rufen eine Dauerdebatte wieder auf: Damit keine Fünfjährigen eingeschult werden, soll der Einschulungsstichtag 30. September kontinuierlich einen Monat nach vorne verlegt werden, um künftig den 30. Juni zum neuen Stichtag zu machen. Auch die Linke plädiert dafür.
Die Grünen wollen Zugangsbeschränkungen fürs Lehramtsstudium abschaffen und in Frankfurt (Oder) neben Potsdam und Senftenberg einen dritten Studienstandort entwickeln. Das Refugee Teacher Programm an der Uni Potsdam, das Geflüchtete auf das Unterrichten vorbereitet, soll fortgeführt und für Lehrkräfte aus dem Ausland geöffnet werden.
AfD
Die Alternative für Deutschland will hingegen die Finanzierung des Refugee Teacher Programms streichen. Um mehr Lehrkräfte auszubilden, plädiert aber auch die AfD für einen Studienstandort in Frankfurt (Oder).
Lerndefiziten will die AfD mit einer „Rückkehr zum Leistungsprinzip“ begegnen. Die erste Fremdsprache in der Grundschule soll zugunsten von Deutsch und Mathematik gestrichen werden. Grundschulen sollen „digitalfreie Räume“ werden, Frontalunterricht und das Üben der Handschrift vorherrschen. Zudem will die AfD den Migrationsanteil an Schulen auf zehn Prozent deckeln, auf dem Schulgelände eine Deutschpflicht einführen. Gleichzeitig spricht sich die AfD gegen Inklusion aus.
Linke
Das steht im krassen Gegensatz zum Programm der Linken, die „allen jungen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und ihren individuellen Voraussetzungen gleiche Bildungschancen“ sichern will. Ziel bleibe eine Gemeinschaftsschule bis zu zehnten beziehungsweise 13. Klasse mit mehr Ganztag.
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Die Linke fordert eine Bezahlung der Referendare deutlich über Mindestlohn und die Entwicklung eines Anreizsystems mit den Kommunen, um junge Lehrkräfte für den ländlichen Raum zu gewinnen. Weitere dezentrale Ausbildungsorte sollen unter besonderer Berücksichtigung der Mangelfächer geschaffen werden. Zudem müsse der Bund mehr in Verantwortung genommen, die Personalabwerbungen zwischen den Ländern gestoppt werden.
BVB/Freie Wähler
Auch die Freien Wähler sprechen sich für weniger Föderalismus aus. „Wir fordern eine nationale Bildungspolitik, um einheitliche Standards und Abschlüsse zu gewährleisten“, heißt es im Programm. Zudem fordert BVB/Freie Wähler eine stärkere Regionalisierung der Schulaufsicht sowie bessere Lernbedingungen durch technische Ausstattung der Schulen und Ausbau der digitalen Infrastruktur.
Bündnis Sahra Wagenknecht
Das BSW will den Lehrerberuf attraktiver machen, indem Klassengrößen auf maximal 25 statt 28 Schüler begrenzt werden. Die neue Partei setzt sich zudem für ein Verbot von Smartphones und Tablets mindestens bis zur 4. Klasse ein, weil diese das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen erschwerten. Der Schwerpunkt müsse wieder auf „gedruckten Büchern und dem Fachwissen der Lehrer liegen“.
FDP
Die Liberalen wollen Lehrerinnen und Lehrer zu jährlichen Fortbildungen verpflichten. Schulen will die FDP „eine aktive Rolle bei der Auswahl und Ausbildung von Lehramtsstudierenden einräumen“. Zudem schreibt die FDP: „Wir werden die Steigerung der Studienplätze in Fächern mit Unterversorgung, aber Überbelegung, umsetzen.“
Was Akteure vor Ort zu Lehrermangel und Bildungspolitik in Brandenburg sagen, lesen Sie in dieser Reportage.
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