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Brandenburg: Firmen sahen das Desaster kommen
Bauanwalt Leinemann macht Aufsichtsrat und Geschäftsführung für geplatzten Termin und „grotesk falsche Zahlen“ verantwortlich
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Schönefeld - Chaos herrschte schon längere Zeit auf der Baustelle für den neuen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld. Mit jedem Tag und trotz aller Beteuerung der Regierungschefs von Berlin und Brandenburg, Klaus Wowereit und Matthias Platzeck (beide SPD), wachsen die Zweifel, ob von Beginn an überhaupt richtig gerechnet und sauber gearbeitet wurde. „In allen Bereichen, beim Außenbereich und beim Terminal, herrschte bei den Firmen das Bild vor, dass der Zeitplan zu eng ist und der Termin nicht gehalten werden konnte“, sagte Ralf Leinemann (50), renommierter Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, am Montag den PNN. „Mir war von vornherein klar, dass der Termin im Juni nicht realisierbar ist. Der Termin- und Kostenrahmen war von Anfang an ein Märchen.“ Der Jurist kennt sich mit der Materie aus, seine Sozietät vertritt einige Unternehmen auf der BER-Baustelle, auch beim Bau des Berliner Hauptbahnhofs und anderen Großprojekte in Berlin war Leinemann für Mandanten tätig.
Von Beginn an sei klar gewesen, dass der Flughafen frühestens Ende 2012 hätte fertig sein können, sagte Leinemann. Er hatte den Essener Baukonzern Hochtief vertreten, der das Terminal bauen wollte. Die Flughafengesellschaft hatte damals das Angebot abgelehnt, weil das Konsortium einen Baupreis von mehr als einer Milliarde Euro, also weit mehr als die veranschlagten 630 Millionen forderte. Im November 2007 wurde die Ausschreibung aufgehoben, das Projekt in Gewerbe aufgeteilt und ab 2008 komplett neu ausgeschrieben. „Damals hat man zwölf Monate verloren, dennoch wurde einfach in den Verträgen am alten Termin im Herbst 2011 einfach festgehalten.“ Jener Termin war im Sommer 2010 auf Juni 2012 verschoben worden – was ebenfalls zu kurz bemessen war. „Jeder Plan, jede Genehmigung, jede Freigabe muss rechtzeitig vorliegen, das hat der BER nicht hingebracht. Der Flughafen konnte nicht liefern“, sagte Leinemann. Zwar habe auch die Flughafengesellschaft versucht, „in die Beschleunigung zu investieren. Aber irgendwann war kein Platz mehr auf der Bestelle, um dort zu arbeiten.“ Damit bestätigt Leinemann Aussagen von Unternehmern, wonach auf der Baustelle Chaos geherrscht habe und sich die Firmen und Arbeiten auf der Baustelle gegenseitig behindert hätten.
Inzwischen ist zudem klar, dass das Terminal mehr als 1,22 Milliarden Euro statt der geplanten 630 Millionen Euro kosten wird. Auch dazu sagt Leinemann: „Es war von Anfang klar, dass nicht sauber gerechnet wurde.“ Verantwortlich dafür seien Aufsichtsrat und Geschäftsführung der Flughafengesellschaft, sie seien von „grotesk falschen Zahlen“ ausgegangen. Dabei hätten Vergleichszahlen vom Lufthansa-Terminal in München und die Kalkulation der Generalunternehmer-Angebote aus dem Jahr 2007 zum Umdenken beim BER führen müssen, sagte Leinemann. Blamabel seien deshalb nicht Bauzeit und Kosten für den Flughafen, „sondern dass jahrelang etwas anderes behauptet wurde“. Für Leinemann ist der abberufene BER-Geschäftsführer und Chefplaner daher auch nur ein Bauernopfer. Auch der Aufsichtsrat hätte vom Zustand auf der Baustelle wissen müssen, ein Blick in die Protokolle der Bauüberwachung und die Controlling-Berichte hätte genügt.
Symptomatisch für die Lage beim BER sind dieser Zeitung vorliegende Verträge mit den Baufirmen. Diese enthalten eine Klausel, wonach den Unternehmen „die Koordinierung und Abstimmung mit Behörden“ obliegt. Zudem sollen die Firmen den Ablauf der Baumaßnahmen untereinander selbst koordinieren. Leinemann spricht von einer Angstklausel. „Das ist typisch für Bauherren, die Angst haben, die Firmen könnten sich gegenseitig behindern, wenn man ahnt, dass es Probleme geben wird, weil zu viele Firmen gleichzeitig aktiv sind.“ Baurechtlich seien derlei Klauseln „wahrscheinlich“ sogar unwirksam, sagte Leinemann. „Die Koordinierung ist und bleibt Bauherrensache.“
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