Flugroutenstreit: Fluglärm-Gegner wollen Akteneinsicht
Verkehrsministerium begründet Geheimhaltung des Gutachtens mit nicht abgeschlossener Prüfung / Anwälte setzen Umweltbundesamt Frist
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Potsdam - Anwälte verlangen Akteneinsicht, Politiker fordern umgehende Veröffentlichung und auch das Umweltbundesamt will weiter sein Gutachten zu den künftigen Flugrouten am neuen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld herausgeben. Dies hatte, wie berichtet, das Bundesverkehrsministerium unterbunden. Eine für Dienstag angesetzte Pressekonferenz des Umweltbundesamtes war am Montagabend kurzfristig abgesagt worden. Gregor Gysi, Linke-Fraktionschef im Bundestag, warf dem Ministerium am Dienstag Zensur vor. Vertreter verschiedener Bürgerinitiativen sprachen von einem Maulkorb. Brandenburgs Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) sagte, da bereits wesentliche Passagen des Gutachtens öffentlich diskutiert würden, hätten die Menschen ein Recht darauf, aus erster Hand informiert zu werden. Transparenz sei der beste Weg.
Die Kanzlei des Verwaltungsrechtlers Reiner Geulen, der die Pläne der Bundeswehr für einen Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide 2009 wegen fehlender Beteiligung betroffener Bürger zu Fall gebracht hatte, setzte für die Akteneinsicht eine Frist bis Freitag. Die Kanzlei, die Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf vertritt, will dies notfalls vor Gericht durchsetzen – rechtzeitig bevor das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die Routen per Verordnung festlegt. Anwalt Remo Klinger aus der Kanzlei bezeichnete dies als „ein anachronistisches Verfahren“. Das Bundesaufsichtsamt lehne „Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit ab“. Für den neuen Flughafen gebe es zwar eine Fluglärmkommission, „aber die Bürger, die durch die in der Planfeststellung mitgeteilten Routen nichts vom Fluglärm über ihren Häusern wissen konnten, sind nicht angehört worden“. Eine Handhabe, „die wir in Deutschland planungsrechtlich überwunden haben, selbst bei jeder Kleingartenanlage“.
Die BER-Routen sollen Ende des Monats, wahrscheinlich am 30. Januar in der Schönefelder Fluglärmkommission offiziell vorgestellt werden. Festgelegt werden sie zuvor vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, das dem Bundesverkehrsministerium untersteht.
Mit der Entscheidung beugte sich das Bundesumweltamt dem Druck des Bundesverkehrsministeriums. Das Haus von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), der sich mehrfach in die Debatte um die Routen eingemischt hatte, ist zwar nicht direkt weisungsbefugt. Doch widersetzte sich das zuständige Umweltministerium der Forderung aus Ramsauers Haus nicht. Nach PNN-Informationen war die Herausgabe zuvor zwischen Umweltministerium und UBA abgestimmt worden. Mit der Absage hat man auch den Präsidenten des Umweltbundesamts, Jochen Flasbarth, desavouiert, der das Gutachten selbst vorstellen wollte. Entsprechend schlecht ist dort die Stimmung. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums sagte, die Stellungnahme des UBA sei Ende vergangener Woche beim Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung eingegangen. Das Amt werde die „vielen wichtigen Hinweise“ fachlich prüfen. In die Abwägung werde die lärmfachliche Bewertung einfließen. Eine vorherige öffentliche Diskussion erschwere aber das Verfahren und könne falsche Erwartungen auslösen.
Berlins Senatssprecher Richard Meng findet die Umstände der abgesagten Veröffentlichung „merkwürdig“, dies sei aber Sache der Bundesregierung. Für Brandenburgs Linksfraktion ist das Thema jetzt dort, wo es hingehört – auf Bundesebene: „Lärmschutz an Flughäfen in dicht besiedelten Gebieten muss bundeseinheitlich geregelt werden“, hieß es. CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig forderte eine Neubewertung der Lärmschutzmaßnahmen und einen „Runden Tisch“.
Grundsätzlich spricht sich das UBA dafür aus, zwischen Tages- und Nachtflugrouten zu unterscheiden. Dies soll auch für den Wannsee gelten, für den das UBA, anders als am Tag, nächtliche Überflüge akzeptiert. Entlastet werden soll die Region am Müggelsee, um das Naturschutzgebiet zu schonen. Bleibt die Müggelseeroute, wollen Friedrichshagener gerichtlich verhindern, dass der BER am 3. Juni öffnet, da die Umweltverträglichkeitsprüfung für den Überflug fehlt.
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