Von J. Legner, M. Matern, T. Metzner und P. Tiede: Freude am Fahren
Bildungsminister und Autotester: Holger Rupprecht hat in der Allrad-Affäre viel zu erklären – auch seinem Regierungschef
- Matthias Matern
- Thorsten Metzner
Stand:
Potsdam - Es sollte ein launiger Abend werden. Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) hatte zusammen mit dem Landtagspräsidenten Gunter Fritsch in Potsdam zum traditionellen Neujahrsempfang geladen. Und dann das: Gleich zu Beginn musste er sich von Journalisten erzählen lassen, dass einer seiner bislang ruhigsten Minister – Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) – noch am selben Abend Gegenstand einer Enthüllung im RBB sein werde. Rupprecht, so erfuhr es der verdutzte Regierungschef am Stehtisch beim Bier, habe sich für drei Wochen kostenlos vom Autobauer BMW ein Auto stellen lassen – für einen Urlaubstrip in die Alpen. Die größte Limousine, die die Bayern zu bieten haben – mit Allradantrieb. Noch schlimmer für Platzeck: Rupprecht wusste, dass der Beitrag am Abend kommt, hatte aber weder Platzeck noch dessen Staatskanzlei darüber informiert. Stattdessen hatte er auf dem Neujahrsempfang den Journalisten noch erzählt, dass er dabei nichts finden könne, drei Wochen lang als Testpilot für eine Luxuskarosse durch Deutschland und Österreich zu kurven.
Platzeck, so hieß es gestern, habe getobt, sei außer sich gewesen. Ein Mitglied des Landesvorstandes sagte am Donnerstagabend: Für Rupprecht werde sich die Parteispitze jetzt nicht aus dem Fenster lehnen. Entweder, der bekomme „das allein gerade gebogen – oder eben nicht...“ Öffentliche Hilfe habe der Bildungsminister nicht zu erwarten. Sollte die Korruptions-Staatsanwaltschaft in Neuruppin gar ein offizielles Ermittlungsverfahren gegen Rupprecht einleiten, hieß es, halte diesen niemand mehr.
Die drei Oppositionsparteien nahmen Rupprechts Luxus-Vorlage gestern dankend an: CDU, FDP und Grüne forderten am Donnerstagmorgen zu Beginn der Landtagssitzung eine Änderung der Tagesordnung und darin als erstes eine Stellungnahme des Ministers. Gegen die Stimmen von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und des SPD-Fraktionschefs Ralf Holzschuher kam es dann auch zu dieser Erklärung. Die Fraktion der Linkspartei wie auch viele sozialdemokratischen Abgeordneten hatten sich enthalten. Bei der SPD war die totale Verwirrung ausgebrochen.
Er sagte gestern, er habe „unsensibel, unbedacht“ und „suboptimal“ gehandelt. Dem Land sei aber kein Schaden entstanden, da für die 18-tägige Nutzung des Testwagens nichts bezahlt worden war. Er verwies vor dem Landtag und später auch vor der Presse darauf, dass er mit seinen Urlaubsfahrten auch testen wollte, ob sich das ihm überlassene Fahrzeug besser für seine Bedürfnisse eigne als sein derzeitiger Dienstwagen. Der mache im Winter manchmal Probleme – schließlich habe der nur Heckantrieb. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel kommentierte dies süffisant so: Dass Rupprecht meine, „Dienstreisen im Land Brandenburg zukünftig nicht mehr ohne Vierradantrieb bewältigen zu können“, sei „geradezu absurd“. Schließlich erreichten „Hunderttausende Brandenburger auch ohne Allradlimousine jeden Tag ihr Ziel“.
Allradfreund Rupprecht sagte, Bekannte hätten ihm erzählt, dass solche Autos zum gleichen Preis gemietet werden könnten wie Fahrzeuge, die lediglich mit der herkömmlichen Antriebstechnik ausgestattet seien. Rupprecht sagte auch, er habe sich vorher nicht erkundigt, ob dies bei dem von ihm gewählten Wagen tatsächlich der Fall sei und bei einer Anschaffung wirklich keine Zusatzkosten entstehen würden.
Tatsächlich berechnet BMW im Regelfall beim Leasing solcher Allrad-Modelle im Vergleich zu den derzeit von der Landesregierung für Minister genutzten Fahrzeugen zusätzlich mindestens zehn Prozent Aufschlag. Rupprecht wurde dann ein Wagen zur Verfügung gestellt, der normalen Kunden in der einfachen Grundausstattung 84 000 Euro kostet und von BMW über 1500 Euro im Monat zu leasen ist. Mit welchen zusätzlichen Extras der Wagen versehen war, ist nicht bekannt. Er wurde vom Minister einige wenige Tage ab dem 17. Dezember dienstlich und anschließend bis zum 3. Januar privat gefahren.
Der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen, der ansonsten für die Bereitstellung von Ministerwagen verantwortlich ist, war nach eigenen Angaben nicht informiert und deswegen auch nicht Vertragspartner von BMW. Doch bei BMW erinnert man sich anders. BMW-Sprecherin Birgitt Hiller in München erklärte gegenüber den PNN: „Die Fuhrparkverwaltung der Landesregierung“ habe ein Allrad-Fahrzeug angefragt. Da die Spitze des für den Fuhrpark zuständige Landesbetriebes, der dem Finanzministerium unterstellt ist, davon nichts wusste, blieb gestern offen, wer im Namen des Landes in München um die Erfüllung von Rupprechts Allrad-Traum gebeten hatte.
Rupprechts Autotausch ist auch in anderer Hinsicht zumindest auffällig: Er hat seinen regulären Dienstwagen beim BMW-Händler in Berlin stehen lassen – nicht etwa beim Fuhrpark des Landes. Damit war der Wagen der Nutzung zu anderen Zwecken durch den Landesbetrieb entzogen. So befand sich der Dienstwagen für das Land formal in der – erlaubten aber abzurechnenden – privaten Nutzung, so Fachleute aus der Landesverwaltung. Da Rupprecht aber mit dem BMW-Geschenk in den Ski-Urlaub verreist war, hätte er für seinen Landeswagen keine Kilometer abzurechnen und zu bezahlen, was Rupprecht dann versuchte.. Wie er nun den Ausfall des Dienstwagens während seines Alpentrips beim Land begleicht, war gestern noch offen. Er selbst kündigte aber, von Journalisten auf dieses Dilemma angesprochen, an, das alles zu begleichen. Sein Verhalten nannte er „blöd“, den Ski-Urlaub den „teuersten Urlaub meines Lebens“.
Wie blöd, wird sich auch erst noch zeigen. Denn Rupprecht sagt, er hätte den Wagen gern für sich anmieten lassen, sei ihn deshalb zur Probe gefahren. Nur: Den Wagen mit dem er in den Skiurlaub abdüste, hätte ihm sein Arbeitgeber selbst mit den außerordentlich großzügigen Rabatten nicht finanzieren können. Denn nach Aussagen aus dem Finanzressort und auch von mit solchen Vorgängen befassten BMW-Mitarbeitern wäre Rupprechts Traumauto „nie und nimmer finanzierbar gewesen“ – die Leasingrate hätte weit über dem Limit des Landes von 245 Euro im Monat gelegen (siehe Kasten) – obwohl Behörden bei den Autoherstellern große Rabatte und allerlei Sonderkonditionen bekommen. Wie hoch die Leasingrate genau gewesen wäre für den Allrad-BMW wollten weder BMW noch der Landesbetrieb auf Anfrage mitteilen. BMW erklärte lediglich: Man räume großzügige Rabatte ein, da Staatssekretäre und Minister „wichtige Multiplikatoren für die Industrie“ seien. Über die genauen Modalitäten in diesen Gefilden herrsche Stillschweigen, so die Sprecherin.
Dass sein Traumauto für Brandenburg nicht zu finanzieren ist, so heißt es aus der Landesregierung, hätte Rupprecht entweder selbst erahnen dürfen oder aber sein Fahrer, der beim Finanzministerium angestellt ist und der den Wagendeal offensichtlich selbstständig eingefädelt hatte. Da der ohne Wissen seiner Fuhrparkleitung agierte, konnte ihn niemand darauf aufmerksam machen.
Nicht aus der Welt ist der Verdacht, Rupprecht könnte den Wagen bei BMW auf dem Hof geparkt haben, damit der Allrad-Deal nicht bekannt wird. Da er am Donnerstag noch darauf verwies, dass es sich mit Allrad bei schwierigen Straßenverhältnissen sicherer fahre, bliebe auch die Variante, dass er einfach sicher und gemütlich in den Urlaub kommen – dafür aber nicht selbst zahlen wollte.
Und selbst wenn nicht, das wisser er jetzt, so Rupprecht: „Dummheit schützt vor Strafe nicht.“
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