zum Hauptinhalt

Klage gegen Länderfinanzausgleich: Fünf im Armenhaus

Worum geht es für Brandenburg, die vier anderen Ostländer, und Berlin beim Länderfinanzausgleich? Der Aufholprozess der neuen Bundesländer ist festgefahren, es fehlen die nötigen Steuereinnahmen.

Stand:

Potsdam - Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) räumt der Klage Bayerns und Hessens gegen den Länderfinanzausgleich nur wenig Chancen ein. Und auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hält nicht viel von der Klage und tut sie – wie Brandenburg – als Wahlkampfmanöver ab. Markov sagt: „Eigentlich ist diese Klage keine einzige Schlagzeile wert, weil Bayern und Hessen gegen eine Regelung klagen, der sie selbst zugestimmt haben und die auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes fußt.“ Ärgerlich sei aber, „dass Politiker hier bewusst wider besseres Wissen die Hoheit über die Stammtische erobern wollen“. Dadurch gehe Solidarität verloren und Menschen in Nehmerländern wie Brandenburg würden unnötig beunruhigt.

„Mit dem Märchen, dass die Geberländer nach dem Finanzausgleich weniger haben als die Nehmerländer, kann man vielleicht im Bierzelt Applaus erhalten, aber es ist und bleibt ein Märchen“, kritisierte der Minister. Er verwies darauf, dass die Geberländer je Einwohner auch nach dem Länderfinanzausgleich mehr Finanzkraft hätten als die Nehmerländer, obwohl die verfassungsmäßigen Aufgaben der Länder identisch seien.

So hätten beispielsweise die Geberländer im Jahr 2010 nach dem Finanzausgleich durchschnittlich 3144 Euro je Einwohner zur Verfügung gehabt, die Empfängerländer dagegen durchschnittlich 2913. Dieser Unterschied sei noch größer, wenn man die Stadtstaaten nicht mit einbeziehe.

Doch die Frage bleibt: Worum geht es für Brandenburg und die anderen Länder? Denn eigentlich wird das große deutsche Transfertheater nur wegen ihnen aufgeführt: Die Regionen, die sich 1990 in die „fünf neuen Länder“ verwandelten, waren am Ende der DDR-Zeit so heruntergewirtschaftet, dass Milliardenhilfen nötig waren, und alle Aufbauförderungen und Großinvestitionen seither konnten nicht verhindern, dass Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern (und auch Berlin) eine Zuschussgroßregion geblieben sind. Nicht weil sie durchweg schlecht gewirtschaftet hätten (das mag partiell schon stimmen), sondern weil ihre Chancen im internationalen Wettbewerb gering geblieben sind. Der Westen dominiert beim Bruttoinlandsprodukt – und deshalb muss er zahlen.

Das wird so bleiben, wie auch immer die Verhandlungen enden. Denn der Osten besitzt zwar dank der Transfermilliarden mittlerweile eine moderne Infrastruktur – aber immer noch nicht genügend Wirtschaftskraft.

Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle hat unlängst festgestellt, dass das Bruttoinlandsprodukt bei zwei Dritteln des Westniveaus stagniert. Der Aufholprozess ist festgefahren. Und daher fehlen den Ost-Ländern die nötigen Steuereinnahmen. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen kommen hier nur auf etwa die Hälfte des Durchschnitts aller Länder. Brandenburg liegt immerhin bei 62 Prozent, es profitiert als Umland von der Berliner Wirtschaft und der Neigung wohlhabender Hauptstädter, aufs Land zu ziehen (Berlin selbst liegt bei den Steuern aber auch nur bei 86 Prozent des Schnitts).

Ein Problem des derzeitigen Finanzausgleichs ist, dass der Osten bei der Steuerverteilung benachteiligt wird. Viele westdeutsche Unternehmen haben Fabriken und Niederlassungen im Osten. Die Körperschaftsteuer, die sie zahlen, wird nach der örtlichen Lohnsumme auf die Länder verteilt. Die Gehälter im Osten aber sind niedriger als im Westen. Insofern wird der Osten bei der Körperschaftsteuerzerlegung dafür bestraft, dass die Einkommen hier geringer sind. Die Ost-Länder werden das in den Verhandlungen thematisieren.

Freilich wissen die Landesregierungen und Landtage in Schwerin, Potsdam, Magdeburg, Erfurt und Dresden auch, dass die Transfers nicht auf dem im Solidarpakt festgeschriebenen Niveau bleiben können. Die Hilfen werden ohnehin schon Jahr für Jahr abgeschmolzen, sollen 2019 ganz auslaufen. Die Gefahr, dass die Zahlungen noch früher verringert werden, ist nicht gering – der Druck aus dem Westen, vor allem aus Nordrhein-Westfalen, wird jedenfalls nicht nachlassen. Denn wer mehr möchte vom Ausgleichskuchen, der muss sich zwangsläufig mit den Ost-Regierungschefs anlegen. Die aber halten zusammen, haben ihre eigene Mini-Ministerpräsidentenkonferenz und stimmen sich ab. Nur sind sie in der Minderheit und ihr Feld ist allein die Defensive.

Nicht zu übersehen ist, dass die finanzielle Lage der Ost-Länder mittlerweile durchaus differenziert ist. Und auch das bestimmt die Interessen. Sachsen etwa, das sich gern etwas stärker fühlt, als es ist, hat – Stand 2011/12 – nur sehr geringe Schulden (2400 Euro pro Kopf) und damit mehr Spielraum als die überdurchschnittlich verschuldeten Länder Sachsen-Anhalt (10 340 Euro) oder Brandenburg (8788 Euro). Die Verantwortlichen in Dresden könnten also in Einzelfragen durchaus mit den stärkeren Ländern paktieren, wenn es darum geht, etwa die Ausgabenpolitik oder die Schuldensituation in den Blick zu nehmen. Und während Sachsen-Anhalt, obwohl kein Land mit drohender Haushaltsnotlage, Konsolidierungshilfen bekommt, beklagt Mecklenburg-Vorpommern, dass es zu diesen Hilfen beitragen muss – eine Art Strafe dafür, dass man früher als die Magdeburger Regierung damit begonnen hat, den eigenen Etat in Ordnung zu bringen.

Was die Ost-Länder wiederum eint, sind die Sonderzuweisungen aus dem Bundesetat. Sie machten 2011 etwa 6,5 Milliarden Euro aus. Natürlich will man auch nach 2019 davon profitieren. Der Verhandlungspartner dafür ist vor allem der Bund, aber die West-Länder werden darauf achten, dass die Summen sich in Grenzen halten. Die künftige Finanzausstattung für den Osten dürfte die härteste Nuss sein, die in den Gesprächen zu knacken ist. (mit dapd und pet)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })