Brandenburg: Fünf Promille: Experte glaubt an Messfehler
Berlin - Die Trinkerszene am Bahnhof Zoo arbeitet am Limit. Fünf Promille Alkohol im Blut wurde bei einem Obdachlosen nach einer Schlägerei gemessen.
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Berlin - Die Trinkerszene am Bahnhof Zoo arbeitet am Limit. Fünf Promille Alkohol im Blut wurde bei einem Obdachlosen nach einer Schlägerei gemessen. Für die Berliner Bundespolizei ein neuer Negativ-Rekord. Trotz der für Nichttrinker tödlichen Dosis war der 43-Jährige ansprechbar und konnte sich noch gut auf den Beinen halten, sagt Polizeisprecher Meik Gauer. Der Amtsarzt erklärte den Mann für „gewahrsamsfähig“, er kam in eine Ausnüchterungszelle. Dort schlief er ein und wurde nach sechs Stunden entlassen. Gegen ihn wird nun wegen Körperverletzung ermittelt.
Felix Bermpohl, Psychiater an der Charité, hält fünf Promille für „sehr hoch“, verweist aber auf Messungenauigkeiten beim Pusten. In der Klinik sei mal ein Patient mit 4,6 Promille in der Atemluft aufgenommen worden. Nach einer Mundspülung sei der Wert auf 4,0 gesunken. Entscheidend bei der medizinischen Bewertung ist laut Bermpohl nicht der Promillewert, sondern die Frage, ob der Patient „gang- und standfest“ und „steuerungsfähig“ ist.
Für viele Alkoholabhängige gilt, dass sie einen bestimmten Alkoholpegel brauchen, um richtig zu funktionieren. Der Körper hat sich dauerhaft auf den Konsum eingestellt und verändert die Wirkungsweise seiner Botenstoffe. Bei Menschen, die nicht an Alkohol gewöhnt sind, sich aber in kurzer Zeit betrinken, kann der Körper diesen Anpassungsprozess nicht leisten. Der Alkohol blockiert wichtige Gehirnfunktionen. Das kann bis zur Atemlähmung führen.
Typische Patienten in den Rettungsstellen sind für Bermpohl neben den Alkoholikern deshalb die Partytrinker, die schon bei zwei Promille einen völligen Kontrollverlust erleiden können. In Berlin starb 2007 ein 16-jähriger Schüler, nachdem er bei einem Wetttrinken 45 Tequila konsumiert hatte. Er hatte mehr als vier Promille im Blut.
Laut Polizeistatistik ist Alkohol ein Faktor, der Kriminalität deutlich befördert. 2010 stand in zwölf Prozent aller 230 000 aufgeklärten Fälle mindestens ein Täter unter Alkoholeinfluss. Bei den Deliktarten macht sich das Trinken sehr unterschiedlich bemerkbar. Bei Stalking haben nur knapp fünf Prozent der Fälle mit Alkohol zu tun, bei Totschlag und Vergewaltigung ist es rund ein Viertel aller Fälle. Bei Körperverletzung spielt Alkohol in 30 Prozent der aufgeklärten Fälle eine Rolle, bei Widerstand gegen die Staatsgewalt sind es sogar 60 Prozent.
Der deutsche Promille-Rekord ging 2008 nach Stralsund. Die Polizei fand einen Betrunkenen mit 7,6 Promille im Blut. Er überlebte. Berlins Polizei führt keine Promille-Statistik. Thomas Loy
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