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Mit Umkehrschub. Die roten Balken auf den Info-Tafeln des neuen Flughafens Schönefeld müssen noch einige Monate kleben bleiben.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: „Ich erwarte von Platzeck reinen Tisch“

Vor Regierungserklärung Platzecks: Nicht nur Opposition will klare Worte zu Termindebakel und Kostenexplosion beim BER

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Potsdam - Erst das Termindebakel, nun noch die verheimlichte Kostenexplosion beim BER: In Brandenburg wächst der Druck auf Ministerpräsident und Vize-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck (SPD), der am Montag eine Regierungserklärung zum Flughafen-Desaster abgeben will. Nicht nur die Opposition aus CDU, FDP und Grünen fordert eine „selbstkritische“ Aufklärung, wie es zu den Missständen beim bislang gefeierten „größten Infrastrukturprojekt Ostdeutschland“ kommen konnte. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert, Chef der brandenburgischen SPD-Landesgruppe im deutschen Parlament, meldet sich mit klaren Worten: „Ich erwarte vom Ministerpräsidenten reinen Tisch, auch zu den Versäumnissen, zur Mitverantwortung des Aufsichtsrates, und zwar zur Kostenexplosion und zu den Verzögerungen“, sagte Danckert am Freitag den PNN. Schon dass der Aufsichtsrat 2011 nur viermal getagt habe, was der gesetzlichen Mindestzahl entspräche, zeige die fehlende Akribie des Kontrollgremiums. Er erwarte auch klare Aussagen, wer die Verantwortung für die Diskrepanz trage, dass die Kosten vom einst angekündigten Investitionsvolumen von 2,5 Milliarden Euro inzwischen die drei Milliarden überschritten, während man die betroffenen Bürger der Umgebung weiterhin „mit Billigschallschutz abspeist“.

Die Opposition sieht sich nach der von den PNN aufgedeckten Kostenexplosion beim BER, die von Flughafen, Aufsichtsrat und Landesregierung bislang verschwiegen wurde, getäuscht. CDU-Fraktionsvize Dieter Dombrowski verlangt in der Regierungserklärung Aufklärung. „Wenn sich herausstellen sollte, dass der Aufsichtsrat bereits im Dezember 2011 tatsächlich die Kostensteigerung auf knapp drei Milliarden Euro gebilligt hat, ist der Ministerpräsident seiner Pflicht nicht nachgekommen, auch das Parlament über die Probleme selbstständig zu informieren“, sagte Dombrowski. Jetzt müsse Platzeck „alle Missstände“ aufklären. Nötig sei „Transparenz“.

Grünen-Frakionschef Axel Vogel erinnerte daran, dass Finanzminister Helmuth Markov (Linke), der ebenfalls im BER-Aufsichtsrat sitzt und dort den Finanzausschuss leitet, im Haushaltsausschuss des Landtags auf Nachfrage nichts Konkretes zu den Baukosten sagte. „Man hat den Eindruck, dass hier absichtlich Informationen zurückgehalten wurden“, sagte Vogel. „Dazu muss sich der Ministerpräsident verhalten. Eine erneute Salamitaktik darf es nicht geben.“ Durch die neuen Zahlen könnte auch der bisherige BER-Finanzierungsplan durcheinander geraten – mit weitreichenden Folgen für die Gesellschafter, also neben Brandenburg auch Berlin und der Bund.

Wie berichtet gehen Geschäftsführung und Aufsichtsrat schon seit Dezember 2011 – noch vor den nun wegen der Verschiebung drohenden Mehrkosten – von einem bewilligten Investitionsbudget von 2,995 Milliarden Euro aus. Allein beim Terminal sind die Kosten von einst geplanten 630 Millionen auf mittlerweile 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro in die Höhe geschossen. Das Lärmschutzprogramm umfasst dagegen lediglich 157 Millionen Euro. Es war zuletzt auf massiven Druck Brandenburgs um 17 Millionen Euro aufgestockt worden, gefordert hatte man 30 Millionen. Doch der Bund und Berlin stellten sich wegen der Finanzschwierigkeiten quer. Für die Linken, aber auch die SPD im Landtag hat jetzt Vorrang, dass die neun Monate Verzögerung genutzt werden, um den Lärmschutz um den Flughafen zu forcieren. Außerdem erwartet Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser, dass der Flughafen seinen Klarstellungsantrag zum Absenken der Lärmschutzstandards zurückzieht. Der Flughafen hat beim Infrastrukturministerium eine Änderung des vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigten Planfeststellungsbeschlusses beantragt, damit er in 14 000 Wohnungen rings um den Flughafen nur billigere Schallschutzfenster finanzieren muss und sonst fällige Entschädigungen spart. Scheitert der Vorstoß, was das Ministerium bereits signalisiert, werden nach einem Gutachten im Auftrag des Flughafens weitere 297 Millionen Euro fällig – die sind in den BER-Kosten ebenfalls nicht eingeplant. So ist für Danckert längst absehbar, dass der BER am Ende den Steuerzahler „deutlich über 3,5 Milliarden kosten und die Parlamente noch zehn Jahre beschäftigen wird“. Grünen-Fraktionschef Vogel fordert personelle Konsequenzen über die Entlassung des BER-Geschäftsführers Manfred Körtgen hinaus, nämlich den Rücktritt aller BER-Aufsichtsräte. Sie seien mitverantwortlich „für einen derzeit noch nicht genau bezifferbaren materiellen Schaden, für den letztlich die Steuerzahler aufkommen müssen“, sagte Vogel. Auch Dombrowski sagte, der Rausschmiss des Technik-Geschäftsführers Körtgen „kann in keiner Weise von der eigentlichen Verantwortung Platzecks als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ablenken“.

Über weitere Konsequenzen will die Opposition nach Platzecks Regierungserklärung beraten. Einen Untersuchungsausschuss fordert noch niemand. Bislang gab es nur in der CDU-Fraktion Andeutungen in diese Richtung. Im Landtag arbeiten bereits ein Untersuchungsausschuss zur Krampnitz-Affäre sowie zwei Enquete-Kommissionen, eine zur SED-Diktatur und eine zur Vorbereitung einer Kommunalreform.

Moderater äußerte sich FDP-Landeschef und Infrastrukturexperte Gregor Beyer. „Niemand ist davon ausgegangen, dass es beim Kostenrahmen von 2,5 Milliarden Euro bleibt“, sagte Beyer. Nötig sei ein offener Umgang mit solchen Schwierigkeiten. Stattdessen habe Finanzminister Markov zur Kostenentwicklung beim Flughafen im Finanzausschuss herumgedruckst. Auch sei es richtig, dass Körtgen wegen der „von ihm verantworteten Versäumnisse die Konsequenzen“ ziehen musste. Grundsätzlich gehe es um die Besetzung des Aufsichtsrates mit Mitgliedern der Regierungen von Brandenburg, Berlin und des Bundes. „Meinetwegen kann der Ministerpräsident ja im Aufsichtsrat wegen der politischen Bedeutung des Projektes bleiben“, sagte Beyer. „An sich gehören dort Fachleute hin, die die Probleme auch erkennen können.“ In der SPD heißt es, dass dies in dem 15-köpfigen Gremium der Fall sei.

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