zum Hauptinhalt
Antwortrede. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hört dem Abgeordneten Dieter Dombrowski (CDU) in einer aktuelle Stunde zum Thema 20 Jahre Deutsche Einheit  Anschluss oder Beitritt zu.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dapd

Brandenburg: Keine Assoziation zu Nazi-Deutschland

Vergleich der Wiedervereinigung mit Anschluss Österreichs unter Hitler – Platzeck weist Vorwürfe zurück

Stand:

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat seine in Teilen kritische Haltung gegenüber der deutschen Wiedervereinigung bekräftigt. Zugleich wies der Regierungschef am Donnerstag im Landtag in Potsdam zurück, er habe in Bezug auf die Wiedervereinigung einen Vergleich zum Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland im März 1938 gezogen. Platzeck hatte dem „Spiegel“ zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit gesagt, die westdeutsche „Anschlusshaltung“ sei verantwortlich für viele Verwerfungen nach dem Ende der DDR. Damals sei „auf einen schnellen Anschluss statt gleichberechtigter Vereinigung“ gedrängt worden.

Er habe in dem Interview auf Fehler aufmerksam gemacht, die nach seiner Ansicht im Zuge der Wiedervereinigung gemacht worden seien, sagte Platzeck. Dazu stehe er auch. Das Gespräch habe Bezug genommen auf ein Plakat der DDR-Bürgerbewegung im Wahlkampf 1990 mit dem Titel „Artikel 23 – Kein Anschluss unter dieser Nummer“. Niemand sei damals auf die Idee gekommen, das Wort „Anschluss“ so zu deuten, betonte Platzeck. Unter anderen hätten damals Marianne Birthler und Günter Nooke unter dem Label Wahlkampf gemacht. „Sie werden doch nicht irgendeinem von ihnen unterstellen wollen, dass sie solche Gedanken im Kopf hatten wie sie jetzt“, fragte Platzeck in Richtung der Oppositionsparteien CDU und FDP. Die FDP hatte nach dem Interview eine Aktuelle Stunde beantragt. Der Abgeordnete Hans-Peter Goetz kritisierte, der Begriff „Anschluss“ wecke Assoziationen, Platzeck müsse die Begrifflichkeit klarstellen. Zugleich räumte auch Goetz ein, dass bei der Vereinigung Fehler gemacht worden seien. Dennoch sei der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober Anlass für alle zur Freude und zur Dankbarkeit.

Platzeck erinnerte erneut an die „gnadenlose Deindustrialisierung“ im Osten. Außerdem hätten „Symbole“ der DDR mitgenommen werden müssen, um den Menschen ein Stück Struktur zu lassen. Auch die Kanzlerin habe gesagt, dass es besser gewesen wäre, mehr aus dem Leben der DDR-Bürger mitzunehmen. Der Regierungschef ergänzte, er sei dankbar - denen, die die friedliche Revolution getragen hätten und denen, die die Lasten des Umbruchs getragen hätten. Er sei auch dankbar für die große Solidarität des Westens. Zudem würdigte Platzeck erneut die Aufbauleistungen der Ostdeutschen. „Ich plädiere vehement für mehr ostdeutsches Selbstbewusstsein nach dieser Riesenleistung in den vergangenen 20 Jahren.“

SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke bezeichnete den angeblichen Bezug zum Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland als absurd. Die deutsche Wiedervereinigung sei ein „großes Glück“ gewesen. Aber es habe im Vereinigungsprozess auch Fehler gegeben. Das sei vor allem dem hohen Tempo geschuldet gewesen. Darüber müsse man 20 Jahre später „ohne Schaum vor dem Mund“ reden können. Der Opposition warf Woidke vor, seit der Bildung der ersten rot-roten Brandenburger Regierung im vergangenen Jahr „nur noch Krawall“ zu schlagen.

CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig entgegnete, die Opposition müsse auf Fehler der Landesregierung aufmerksam machen. Das werde jedoch durch die Regierung verunglimpft. Der Beitritt zur Bundesrepublik sei von der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR worden. Platzeck habe damals sowohl gegen die Währungsunion als auch die Wiedervereinigung gestimmt. Aufgabe der Politik sei es, aufzuklären und nicht ein totalitäres System zu verklären. Platzeck übe sich in „gnadenlosem Populismus“. Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser sagte: „Ich kenne niemanden hier im Hause, der die DDR beschönigt.“ Jedoch müssten kritische Anmerkungen erlaubt sein. Die Opposition versuche hingegen, ihre eigene „Hochglanzversion der Geschichte“ zu schreiben. Platzeck Assoziationen zur Nazi-Zeit zu unterstellen, sei eine „unglaubliche Diffamierung“.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel warb für eine „sprachliche Abrüstung“. Es sei unanständig, die Einstellung des Ministerpräsidenten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung infrage zu stellen. Zugleich betonte Vogel mit Blick auf die von Platzeck aufgeworfene These von der „gnadenlosen Deindustrialisierung“, dass die DDR kein Industriestaat, sondern ein Industriemuseum gewesen sei. Die Deindustrialisierung sei demnach nicht der Vereinigung geschuldet gewesen.

Susann Fischer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })