POSITION: Keine Schlachten von gestern schlagen
Braunkohle-Debatte: Schäden reparieren statt Aufschluss neuer Tagebaue Von Christian von Hirschhausen
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Das Jahr 2014 dürfte uns – 25 Jahre nach der politischen Wende – als das Jahr der „Braunkohlewende“ in Erinnerung bleiben. Einerseits erklärte die konventionelle Energiewirtschaft selber die Braunkohle als Auslaufmodell, RWE reduzierte seine Tagebauplanung, Vattenfall will raus aus dem Geschäft und selbst E.on spaltete seine konventionellen Kraftwerkskapazitäten ab. Nimmt man dann noch das Ende der CO2-Abscheidetechnologie dazu – gerade wurde die Pilotanalage in Brandenburg beendet – und berücksichtigt die Bestätigung der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung – unter anderem im Aktionsplan Klimaschutz 2020 beziehungsweise in Lima verkündet – ist klar, dass die Braunkohle am Ende ist und im Lauf der nächsten zwei Jahrzehnte aus dem Energiemix in Deutschland verschwinden wird.
Auch die Bemühungen der Landesregierung Brandenburgs wie auch Sachsens, noch für den Aufschluss eines neuen Tagebaus Welzow Süd II zu werben, liefen 2014 zunehmend ins Leere: So warben zwar zwei Ministerpräsidenten in Schweden für neue Tagebaue, jedoch wird dort nach dem Rücktritt der Regierung eine verlässliche Entscheidung vor 2016 zu erwarten sein. In der Region wurde das Verfahren für Welzow-Süd II zwar in der „Provinz“ heimlich still und leise beschlossen (Herzberg), jedoch ist das Thema im Januar 2015 auf der Tagesordnung im Berliner Abgeordnetenhaus – schließlich handelt es sich um eine gemeinsame Landesplanung – und keine Fraktion hat Lust auf die braune Spree.
Auch Versuche, die Braunkohle trotz Energiewende als systemrelevant zu deklarieren, laufen fehl: Der Aktionsplan Klimaschutz 2020 sieht genau das Gegenteil vor, nämlich die schrittweise Reduktion von Stein- und Braunkohlekraftwerken. Jüngst bekommt der Braunkohleausstieg selbst aus Bayern Unterstützung. Die dortige Energiestrategie sieht vor, wegfallenden Atomstrom nicht durch Kohlestrom ersetzen zu wollen. Damit entfällt eine weitere Begründung, warum in Brandenburg und Sachsen weiterhin für die Braunkohle und gegen die Energiewende gearbeitet werden sollte: Der schmutzige Strom ist, überwiegend exportiert, ganz einfach in Süddeutschland nicht erwünscht.
Was bringt also 2015?
Statt Schlachten von gestern das nächste Jahrzehnt durchzuschleppen und dann – absehbar – ohnehin vor den Gerichten zu verlieren, sollte sich die Politik nunmehr den wirklich dringenden Fragen in dem Braunkohleumfeld widmen, welche in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt wurden: nämlich den Folgeschäden von Alttagebauen sowie aktueller Anlagen, Erdrutsche, welche in unabsehbarer Milliardenhöhe auf uns zukommen. Uns – das dürften insbesondere die Steuerzahler sein, nachdem sich die Energiekonzerne dieser Verpflichtungen entledigen wollen. Nun ist es an der Politik, nicht nur den Ausstieg aus der Atomkraft, sondern auch den Braunkohleausstieg zu moderieren – unter anderem in Brandenburg.
Der Autor ist Professor an der TU Berlin mit dem Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik und am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) tätig. Er ist der Verfasser eines Braunkohle-kritischen Gutachtens im Auftrag der Landesregierung Brandenburg im Zusammenhang mit dem geplanten Tagebau Welzow-Süd II.
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