Brandenburg: Mehr Polizei auf der Straße
Berlin will in Reaktion auf die Anschläge in Paris bei Großveranstaltungen „genauer hinsehen“. Diskussion um Ausstattung der Sicherheitskräfte
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Berlin - In Reaktion auf die Terroranschläge von Paris am vergangenen Freitag hat die Berliner Polizei ihre Präsenz an zivilen und uniformierten Kräften in der Stadt erhöht. So verlautete es zumindest am Wochenende aus Senatskreisen. Französische Einrichtungen wie das Maison de France am Kurfürstendamm, die Botschaft am Pariser Platz und die Residenz des Botschafters werden intensiv überwacht. Auch hat die Bundespolizei ihre Kontrollen in Zügen und Flügen aus Frankreich deutlich verstärkt. So werden Passagiere am Flughafen Tegel nun „selektiv kontrolliert“.
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) kündigte an, dass die Polizei bei Großveranstaltungen „genauer hinsehen“ wird. Dies gelte für Sportevents ebenso wie für Weihnachtsmärkte, deren Saison in einer Woche beginnt. Mittlerweile seien derartige Lagen nach Anschlägen in anderen Ländern Routine, hieß es. Es würden aber keine Panzerwagen beim nächsten Hertha-Spiel vor dem Olympiastadion postiert.
Derzeit sind in Berlin den Behörden 650 Salafisten bekannt, darunter sollen 340 gewaltorientierte sein. Über eine stärkere Überwachung soll bereits gesprochen worden sein. Für eine Bewachung rund um die Uhr fehlt allerdings das Personal.
Henkel betonte, dass es keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag gebe. Die Sicherheitsmaßnahmen seien auf einem hohen Niveau, dennoch habe man noch in der Nacht zu Samstag reagiert. Details wurden nicht genannt. Anders als etwa bei der Terrordrohung im November 2010 wurden vor gefährdeten Objekten wie dem Reichstag keine Gitter oder schwer bewaffnete Polizisten postiert. Damals hatten Terroristen angeblich besonders Weihnachtsmärkte im Visier, vor denen dann Beamte in Schutzwesten und mit Maschinenpistolen wachten. Damit ist diesmal bislang allerdings nicht zu rechnen.
Noch in der Nacht zu Samstag hatte die Polizei den Bereich vor der franzöischen Botschaft mit Gittern abgesperrt, ein halbes Dutzend Beamte hatte Wache gehalten und zugesehen, wie die Zeugnisse des Mitgefühls immer zahlreicher wurden, das Feld aus Blumen und Kerzen sich langsam vergrößerte. Immer wieder traten Menschen heran, legten ihre Sträuße nieder, verharrten still, bevor sie sich abwandten. Henkel hatte Trauerbeflaggung an öffentlichen Gebäuden angeordnet und sich am Nachmittag zum Krisengespräch mit Polizei und Verfassungsschutz über die Sicherheitslage getroffen. Im Anschluss hatte er dem Französischen Botschafter Philippe Etienne sein Mitgefühl ausgedrückt und mit ihm die Situation erörtert. Am Abend erstrahlte dann das Brandenburger Tor in den Farben Frankreichs. Zuvor hatten sich Parlamentspräsident Ralf Wieland, der Regierende Bürgermeister Michael Müller, Innensenator Frank Henkel, Justizsenator Thomas Heilmann und Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer in der Botschaft in das Kondolenzbuch für die Opfer des Terroranschlags eingetragen.
Unterdessen ist in Berlin eine Diskussion entstanden, inwiefern die Polizei für Anschläge wie denen von Paris gewappnet ist. Bereits am Samstagmorgen hatte die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) über Twitter mitgeteilt: „In keiner Metropole der Welt können solche Anschläge völlig ausgeschlossen werden, auch nicht in Berlin.“ Und deren Chef Rainer Wendt hatte später bei „Phoenix“ nachgelegt: „Berliner Polizisten wären mangels Training schlecht auf eine Anschlagsserie wie in Paris vorbereitet.“ Auch die Gewerkschaft der Polizei (GDP) hatte mehr Unterstützung für die Polizei gefordert.
Henkel will jetzt zunächst vor allem die Ausstattung überprüfen. In Paris haben die Terroristen Kriegswaffen eingesetzt. Wie es in der Innenbehörde hieß, solle vor allem die Ausrüstung der Streifenpolizisten auf den Prüfstand. „Wir brauchen eine Bewaffnung auf Augenhöhe“, hieß es. Dies dürfte bei der nächsten Innenministerkonferenz sicherlich Thema sein. Was die Ausstattung der Polizei angeht, ist die GDP aber etwas anderer Meinung als Henkel: Sie fordert stattdessen bessere Waffen für die Spezialeinheiten: „Die Spezialkräfte müssen mit vollkommen veralteter Ausrüstung auskommen. Dieser Zustand muss dringend behoben werden“, sagt Berlins GdP-Chefin Kerstin Philipp. Erst danach könne man über die Bewaffnung der Streifenpolizisten reden.
Doch selbst wenn Berlins Polizisten künftig über eine „Bewaffnung auf Augenhöhe“ verfügen würden, bliebe immer noch die Frage, ob sie damit auch im Ernstfall gut genug umgehen könnten. Denn das Thema Einsatz- und Schießtraining ist derzeit eines der drängendsten Probleme im Präsidium. Wie berichtet, sind viele Schießstände wegen Mängeln seit längerer Zeit gesperrt. Teilweise findet das Schießtraining deshalb in Simulatoren statt – was aus Sicht vieler Beamter und auch der Gewerkschaften kein echter Ersatz ist. „Mit den aktuellen Bedingungen ist die Polizei weder personell noch ausrüstungstechnisch in der Lage, auf einen Terroranschlag professionell zu reagieren“, resümiert Berlins GdP-Chefin. (mit dpa)
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