Brandenburg: Mein Platz, der hat acht Ecken
Tausende wollten zur Party: Am Leipziger Platz eröffnete die neue „Mall of Berlin“ mit Raketen und Prominenz
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Seit der Wende eine öde Brache – nun fast ein neues Stadtquartier. Wo einst am Leipziger Platz das Kaufhaus Wertheim stand, sollte am Mittwochabend mit einer rekordverdächtigen Anzahl von Gästen die „Mall of Berlin“ eröffnet werden, Berlins größtes Einkaufszentrum, zumindest was die Zahl der Geschäfte angeht: 270 sind es auf einer Verkaufsfläche von 80 000 Quadratmetern. Mit Musik und Feuerwerk wollte Investor Harald Huth das Ende der viereinhalbjährigen Bauzeit feiern, und auch Klaus Wowereit hatte sich angesagt zum Empfang der 10 000 geladenen Gäste, um mit der symbolischen Eröffnung eine der letzten großen Amtshandlungen seiner Bürgermeisterzeit zu vollziehen. Erwartet wurden außerdem Wowereits möglicher Nachfolger Michael Müller, zahlreiche andere Politiker von Bundes- und Landesebene, Schauspieler und viele andere Künstler sowie Vertreter der Wirtschaft.
Drinnen erwartete die Gäste die 23 Meter hohe „Piazza“, die den Mittelpunkt des Einkaufszentrums bildet und als Passage eine neue Gehweg-Verbindung zwischen Leipziger und Voßstraße schafft – der Blick reicht auf der einen Seite bis zum Bundesrat, auf der anderen Seite bis zum Adlon. Drinnen dominieren italienische Fliesen, unten hochglänzend Schwarz und Weiß, während es rund um die Kinderfachgeschäfte weiter oben kunterbunt zugeht, alles überwiegend persönlich ausgewählt vom Investor. Die Fassade mit ihren streng gegliederten Natursteinen folgt den Vorgaben des Bebauungsplans und der Senatsbaudirektorin.
Hinter der Mall verbergen sich mehrere Wohn- und Geschäftshäuser, ein Fitnesscenter der Madonna-Kette „Hard Candy“ sowie ein „Motel One“ mit 250 Zimmern, das aber wegen eines Wasserschadens noch nicht in Betrieb genommen werden konnte.
Anrainer hoffen nun, dass der Leipziger Platz an sich an Bedeutung gewinnt – vor allem gegenüber dem benachbarten Potsdamer Platz. Was ist da schon der Unterschied? Für die meisten Touristen eigentlich gar keiner. Das könnte sich ändern, glaubt Steffen Lehmann, der am Mittwochnachmittag an der Südostseite des Potsdamer Platzes in seinem „Sightseeing-Taxi“ vergeblich nach Kundschaft Ausschau hielt. Er hat immer wieder erlebt, dass seine Passagiere den Leipziger Platz gar nicht registrieren, das ganze Areal nur unter der Marke „Potsdamer“ läuft. Eigentlich erstaunlich angesichts der charakteristischen Form des Platzes, halb Gürtelschnalle, halb Gelenk zwischen Ost und West, gegenüber dem als solchem doch kaum erkennbaren Potsdamer Platz mit dem Vorteil, dass man sogar, frei nach dem alten Gassenhauer, besingen könnte, wo er ist: „Mein Platz, der hat acht Ecken, acht Ecken hat mein Platz.“ Das hat er Friedrich Wilhelm I., dem Soldatenkönig, und dessen Oberbaudirektor Philipp Gerlach zu verdanken, der bei der Erweiterung der Dorotheen- und der Friedrichstadt drei der Geometrie verpflichtete Plätze entwarf: Viereck (Pariser Platz), Kreis (Mehringplatz), Achteck (Leipziger Platz). Ihre patriotischen Namen erhielten sie kurz nach den Befreiungskriegen: das Quadrat zur Erinnerung an die Besetzung von Paris, der Kreis als Belle-Alliance-Platz an den Sieg bei Waterloo und das Oktagon an die Völkerschlacht.
Bis 1814 hieß es nur das „Achteck am Potsdamer Thor“, auch dies ein Beleg für sein jahrhundertelanges Schattendasein. Nicht, dass es nicht hin und wieder auch eine gehörige Portion Sonnenstrahlen gegeben hätte. Schließlich berufen sich die Mall-Erbauer auf die glorreiche Shopping-Tradition des Kaufhauses Wertheim, während die Techno-Veteranen der 90er-Jahre sich noch gerne der Zeiten erinnern, als der „Tresor“ am Eingang der Leipziger Straße der Nabel ihrer Welt war.
Aber bislang war der Platz nicht gerade ein Highlight für Einheimische und Besucher. Erschien der Nachbar geradezu als Synonym für das Berliner Tempo, die Betriebsamkeit, den Glamour der Stadt, so blieb der Leipziger Platz nur einer, den man achtlos durcheilte, um ihn hinter sich zu bringen, nicht um hier zu verweilen, zu flanieren gar. Das soll sich nun ändern.
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