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Finstere Zustände: Statt die Email eines Heimmitarbeiters ernst zu nehmen, hat das brandenburgische Landesjugendamt ihn entlassen.

© dpa

Skandal um Haasenburg-Heime: Missstände haben auch mit Versagen der Behörden zu tun

Schon 2010 wies ein Mitarbeiter der Haasenburg das Landesjugendamt darauf hin, dass in dem Jugendheim das Kindeswohl gefährdet werde. Doch statt einzugreifen, entließ ihn die Behörde.

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Potsdam - Schon in der Betreffzeile der E-Mail vom 2. November 2010 an das Landesjugendamt stand das entscheidende Wort: Kindeswohlgefährdung. Doch seine Courage, bei den Behörden Missstände beim privaten Kinder- und Jugendheimbetreiber Haasenburg GmbH zu melden, brachte dem Heimmitarbeiter nichts. Er wurde entlassen. Ein Bericht des „Spiegel“ über das Schicksal des Mannes und wie seine Hinweise über den drangsalierenden Umgang mit Jugendlichen in den Haasenburg-Heimen bereits im Jahr 2010 beim Landesjugendamt versickerten, lösten am gestrigen Montag erneut heftige Kritik an Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) aus. Zuvor hatte bereits die taz über die Beschwerde-E-Mail berichtet.

Die Opposition im Brandenburger Landtag warf den Aufsichtsbehörden Versagen vor. Denn neue Details belegen nun, was bereits der Untersuchungsbericht zu den Missständen in den Haasenburg-Heimen offengelegt hat: dass das Landesjugendamt seit 2008 Hinweise auf unhaltbare Erziehungsmethoden ignoriert hat. Es steht sogar der Vorwurf der Komplizenschaft im Raum.

„Das Landesjugendamt hat versagt und im Ministerium herrscht Chaos“, sagte der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Gordon Hoffmann. Wie die FDP und die Bündnisgrünen forderte er, die Opposition müsse in die Untersuchung der Vorwürfe einbezogen werden. „Vorwürfe gegen die Heimaufsicht sind schon lange bekannt und wurden auch im Bericht der Untersuchungskommission beschrieben“, sagte ein Ministeriumssprecher. Ministerin Münch habe bereits eine Untersuchung eingeleitet. Dies werde aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. „Ministerin Münch darf nicht versuchen, mit der Schließung der Heime die Verantwortung allein auf den Träger abzuschieben“, sagte Hoffmann. Grüne-Bildungsexpertin Marie Luise von Halem forderte die Ministerin auf, am Donnerstag im Bildungsausschuss zu den neuen Vorwürfen Stellung zu nehmen. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner forderte von Münch „ein konsequentes Vorgehen gegen alle verantwortlichen Beamten und Mitarbeiter der beteiligten Behörden“.

Das Ministerium hatte in der vergangenen Woche das Verfahren zur Schließung der umstrittenen Kinder- und Jugendheime der Haasenburg GmbH eingeleitet und begründet dies mit latenter Kindeswohlgefährdung. Ob das ausreicht, ist fraglich. Die Haasenburg GmbH will dagegen vorgehen. Nach dem Gesetz muss für einen Entzug der Betriebserlaubnis akute Kindeswohlgefährdung vorliegen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in rund 70 Verfahren unter anderem auch wegen Misshandlungsvorwürfen.

Der RBB berichtete unter Berufung auf interne Unterlagen, dass das Landesjugendamt seine Aufsichtspflicht nicht ausreichend wahrgenommen hat. Beschwerden von Haasenburg-Mitarbeitern und sozialen Diensten über unzumutbare Erziehungsmethoden seien missachtet worden. Mitarbeiter des Landesjugendamts hätten laut RBB eingeräumt, man hätte konsequenter gegen körperliche Übergriffe vorgehen müssen. Tatsächlich gab es bereits seit 2006 erste Briefe an die Behörden, in denen sich Mitarbeiter der Haasenburg über die Zustände in den Heimen beklagt hatten.

Wie berichtet gab es selbst im Bildungsministerium seit Jahren Unmut über den Umgang mit der Haasenburg. „Das ganze Thema wurde immer kleingehalten“, hatte ein Beamter des Ministeriums den PNN gesagt. Zwar habe eine Vielzahl von Vorwürfen vorgelegen, allerdings seien weder das Ministerium noch das ihm unterstehende Landesjugendamt energisch genug vorgegangen. Weil die Führung des Hauses in der Bildungspolitik ohnehin ständig an mehreren Fronten – schlechtes Abschneiden bei Vergleichstests, Personalausstattung, Reformen – zu kämpfen hatte, seien Konflikte mit dem Heimbetreiber vermieden worden. „Es habe die Devise geherrscht: nur kein Aufsehen.“

So war auch der Umgang mit besagter E-Mail eines Heim-Mitarbeiters vom November 2010. Schon damals hatte er berichtet, was auch von der Untersuchungskommission bestätigt wurde: dass Jugendliche offenbar gezielt provoziert wurden, um sie anschließend körperlich zu begrenzen, also mit Gewalt über längere Zeit auf den Boden zu drücken – um dann bei den Jugendämtern auf längere Heimaufenthalte zu drängen – bei Tagessätzen von bis zu 500 Euro. Alexander Fröhlich

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