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Trauerfeier für Klaus Ness im Landtag: Mit viel Liebe und ohne AfD

Die Trauerfeier für Klaus Ness im Landtag – eine Lehrstunde über Brandenburgs politische Kultur.

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Potsdam - Dieser Auftritt war Sebastian Krumbiegel von der Musikband Prinzen persönlich ein Anliegen. Am Mittwoch sang er im Brandenburger Landtag auf der Trauerfeier für den kurz vor Weihnachten mit nur 53 Jahren verstorbenen SPD-Politiker Klaus Ness, mit dem Krumbiegel befreundet war. Man habe in den letzten zehn Jahren bei vielen Gelegenheiten miteinander zu tun gehabt, vor allem bei Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus, sagte er danach. „Er war ein Kämpfer gegen Nazis.“

Und so hatte Krumbiegel vor den rund 250 Gästen, der Witwe Martina Gregor-Ness und den erwachsenen Söhnen, Abgeordneten von SPD, CDU, Linken und Grünen, von Weggefährten und Freunden aus dem Land, eben auch jenes Lied zur aus den Fugen geratenen Welt, zur aktuellen Flüchtlingskrise gesungen: „Wenn wir wollen, kriegen wir das hin. Mit viel Liebe, ohne Hass. Ja, natürlich, wir schaffen das. Das sagt sogar die Kanzlerin.“ Denn auch das war so etwas wie ein Vermächtnis des früheren SPD-Fraktionschefs und langjährigen Generalsekretärs der Landes-SPD, dessen Verdienste für Brandenburg, für die SPD in den Reden seiner Genossen gewürdigt wurden, Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier, Dietmar Woidke. Klar, dass im Plenarsaal auch die früheren Regierungschefs Matthias Platzeck und Manfred Stolpe nicht fehlten.

Aber die vielleicht ungewöhnlichste Rede, eine, die viel über Ness und über die politische Kultur in Brandenburg sagte, hielt CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben. Die Union, sagte er, habe „schmerzvoll“ an den „rhetorischen Zuspitzungen“ von Ness gelitten. Und zwar am meisten dann, wenn er im Grunde recht gehabt habe. Trotzdem sei Ness dem Gegner immer mit Respekt begegnet, „wie es unter Demokraten üblich sein sollte, aber nicht immer ist“. Und dann fügte Senftleben, tief bewegt, und sehr persönlich hinzu: „Ich danke Dir für viele vertrauensvolle und vertrauliche Gespräche. Ich danke Dir dafür, dass du uns den Spiegel vorgehalten hast.“

Ja, das war einer der stärksten Momente dieser Trauerfeier. Man konnte plötzlich ahnen, warum der Tod von Ness über Parteigrenzen hinweg Brandenburgs kleine politische Klasse so aufwühlt. Es war ein Abschied, bei dem die Dramaturgie, die Töne stimmten, bei dem der Mensch Klaus Ness, auch seine weniger bekannten Seiten, nicht zu kurz kamen. Parteichef Siegmar Gabriel etwa erinnerte an die gemeinsame Jugendzeit mit Ness in Niedersachsen, wo beide 1977 ihr SPD-Engagement begannen. „Er bei den Jungsozialisten aktiv, ich bei den Falken.“ Auch aus persönlicher Lebenserfahrung, als erstes Kind der Familie, das studieren konnte, habe er mit „unbeirrbarem Wertekompass“ für Bildungs- und Aufstiegschancen gestritten. Ness habe für die SPD mit „bewundernswerter Unbedingtheit“ gelebt, sagte Gabriel. Er sei ein „political animal“ gewesen. Er habe „die Themen wachsen“ gehört, die gesellschaftlichen Entwicklungen durchdrungen, um sie dann zu prägen: „Von dieser Sorte gibt es wenige in der oft getriebenen und aufgeregten Politik.“ Ness habe Brandenburg zu einer sozialdemokratischen Hochburg gemacht, was nur einer „Volkspartei“ gelinge, einer „Partei der Mitte“. Aber, so fügte Gabriel hinzu: „Er war ein bisschen wie eine Kerze, die von beiden Seiten brennt. Rücksicht auf sich selbst habe ich bei ihm nicht wahrgenommen.“

Das war ein Gedanke, den auch Regierungschef Dietmar Woidke betonte. Politik sei für Ness „kein Selbstzweck“ gewesen“, sagte Woidke. Der zu frühe Tod sei auch Anlass „innezuhalten, um das eigene Leben und Handeln und auch den Umgang untereinander zu hinterfragen.“ Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nannte Ness „einen großen märkischen Patrioten“. Er sei „ein knorriger Typ“ gewesen, wie eine märkische Kiefer, aber: „ Man merkte sofort, der versteht das Geschäft und er kennt nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die Grenzen der Politik.“ Er habe die Dinge immer vom Ende her gedacht. Dabei sei Ness kein „engstirniger Politikfunktionär“ gewesen, sondern ein „intellektuelles und kulturelles Kraftwerk“, interessiert an Büchern, Musik, an Kultur. Und seine Knorrigkeit sei auch ein „Schutzschild“ gewesen, das ihm Unabhängigkeit sicherte. „Vor Seilschaften, aber auch eine Unabhängkeit, die Ness das offene Wort gegenüber den Regierungschefs erlaubte“, denen Ness in einer Loyalität gedient habe, „die fast unmodern geworden ist.“

Die letzte Rede, vielleicht die schwerste, hielt Albrecht Gerber, der Wirtschaftsminister, der sich direkt an die Familie in der ersten Reihe wandte, an die Ehefrau und frühere Landtagsabgeordneten Gregor-Ness, an die Söhne Christian und Claudius. „Ohne Dich, liebe Martina, wäre Klaus nicht derjenige geworden, der er in den letzten Jahren gewesen ist“, sagte Gerber. “Du hast aus der, wie es gelegentlich hieß, besonderen Lebensform Klaus Ness einen liebevollen Ehemann und guten Partner machen können.“ So sei der auch ein „versöhnlicherer und umgänglicherer Politiker geworden. „Nur Dir, einer starken Lausitzer Frau, konnte das gelingen.“ Die Beziehung habe Ness Erdung und Heimat gegeben, so dass er sogar mit Rosenzüchten begonnen habe, „schwer vorstellbar für viele, die Klaus eher nur aus Potsdam kannten.“ Gerber war einer der engsten Freunde von Ness, obwohl beide zunächst eine gegenseitige Abneigung verband, als sie sich Anfang der 90er Jahre erstmals über de Weg liefen. „Er mochte mich nicht. Ich mochte ihn nicht. Er war mir zu verkopft.“ Sein Verhältnis zu Ness sollte sich ändern, eine Erfahrung, die in Brandenburg nicht wenige machten.

Die Plätze der AfD-Fraktion im Plenarsaal des Landtages waren bei der Trauerfeier demonstrativ leer geblieben. Eingeladen hatte nicht der Landtag, sondern die SPD-Fraktion. So war es möglich, die AfD fernzuhalten. Ein letzter Dienst für Klaus Ness. Thorsten Metzner

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