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Das bräunliche Hochwasser der Spree am 5. Juni in der Spremberger Talsperre nahe Spremberg.

© Patrick Pleul/dpa

HOCHWASSER: Mühlberg wird evakuiert

Hochwasserlage im Land Brandenburg verschärft sich. Deich an der Schwarzen Elster gebrochen. In Mühlberg an der Elbe gilt seit Katastrophenalarm. Evakuierung am Nachmittag

Stand:

Die Hochwasserlage in Brandenburg hat sich in der Nacht zum Mittwoch verschärft. Die Kleinstadt Mühlberg an der Elbe wird evakuiert, seit dem Morgen gilt Katastrophenalarm. Der Wasserstand erreichte laut Innenministerium 9,02 Meter (11.00). Es wird befürchtet, dass das Wasser höher steigt als bei der Rekordflut vom August 2002. Damals wurden 9,98 Meter erreicht. Für den gesamten Landkreis Elbe-Elster gilt seit Dienstagabend die höchste Alarmstufe 4. Bei Herzberg (Elbe-Elster) an der Schwarzen Elster brach am Morgen auf 20 Meter Länge ein Deich. Menschen seien nicht in Gefahr, teilten die Behörden mit. Überflutet seien Ackerland und Wälder. Feuerwehrleute bemühen sich, die Situation zu stabilisieren. Da das Gelände unzugänglich ist, haben sie die Bundeswehr um Unterstützung gebeten, per Hubschrauber Sandsäcke zur Schließung der Lücke dorthin zu fliegen. Außerdem wurde bei Bad Liebenwerda ein Deich geflutet.

In Mühlberg sollen noch am Mittwochnachmittag rund 200 Menschen aus einem Seniorenheim in Sicherheit gebracht werden, teilte das Innenministerium in Potsdam mit. Die Stadt mit rund 4.400 Einwohnern wurde für den auswärtigen Verkehr vollständig gesperrt.  Die Katastrophenhelfer vor Ort sollen unter anderem durch 160 Polizisten aus anderen Teilen Brandenburgs und 200 Feuerwehrleute aus Hessen unterstützt werden, die zuvor in Sachsen geholfen haben. Der Landkreis Elbe-Elster hatte am späten Mittwochvormittag Katastrophenalarm für die Region ausgelöst. Mühlberg ist unter anderem durch zwei Deichbaustellen gefährdet. Die Grundschule der Stadt ist bereits geschlossen worden. Die Elbe ist in Mühlberg nach Angaben des Landkreises seit Sonntag um mehr als drei Meter auf rund 8,90 Meter angestiegen. Ein weiterer Pegelanstieg auf mehr als zehn Meter sei nicht auszuschließen, hieß es.  Die Stadt liegt direkt an der Grenze zu Sachsen und ist durch das sogenannte „Wunder von Mühlberg“ beim Elbe-Hochwasser 2002 bekannt geworden, als die durchgeweichten Dämme des Ortes der Flut standhielten. Mühlberg wurde auch 2002 evakuiert.
Innenminister Minister Dietmar Woidke (SPD) wollte den Landkreis am Nachmittag besuchen, um sich persönlich ein Bild von der Lage machen zu können. Zuvor hatte er Cottbus besucht. In der Stadt an der Spree sind an 15 Stellen Sandsäcke gestapelt worden, um die Wassermassen abzuhalten. Sechs weitere Stellen müssen laut Stadtverwaltung gesichert werden. Die Stadt erwartet am Mittag höhere Pegelstände, weil an der Talsperre noch mehr Wasser in die nach Cottbus fließende Spree abgelassen wird. Sonst könne hier der Damm brechen, hieß es aus dem Landesumweltamt.
Am Dienstag waren zunächst 70 Kubikmeter Wasser pro Sekunde abgelassen worden, am Mittwoch erhöhten die Behörden den Abfluss auf 100 Kubikmeter. Dadurch fließt die Spree wesentlich schneller. In Cottbus wurden zur Sicherheit zehn Brücken gesperrt. Es werde ständig kontrolliert, ob diese dem Druck standhielten, so ein Stadtsprecher.
Im Landkreis Spree-Neiße sind die Deiche nach Erkenntnissen der Unteren Wasserbehörde in einem aufgeweichtem Zustand. Deichläufer kontrollieren sie ständig. Die Behörden baten Radfahrer, auch noch nicht gesperrte Deichwege nicht zu nutzen.
Nach Einschätzung des Koordinierungszentrums Krisenmanagement im Innenministerium haben die Helfer die Lage an den als kritisch eingeschätzten Flüssen Schwarze Elster und Spree im Griff. Vor allem das kontrollierte Ablassen von Wasser aus der Talsperre Spremberg sorge für Entspannung, sagte ein Sprecher. An Oder und Neiße sei die Situation deutlich entspannter als bei früheren Hochwassern.
Die Katastrophenschutzleitung des Landes hat ihre Arbeit aufgenommen. Sie bewertet, wo Hilfe besonders dringend ist und koordiniert den Einsatz der Helfer über die Grenzen der Landkreise hinweg. Außerdem wird bei Bedarf Material zur Verfügung gestellt.
Rund 800 000 Sandsäcke haben die Landkreise laut Angaben in dem Landeskatastrophenschutzlager in Beeskow (Oder-Spree) bestellt, allein
500 000 sollen in die Prignitz gehen.
In Nordbrandenburg wird der Höhepunkt der Flutwelle am Wochenende erwartet. Am Pegel Wittenberge wird für Sonntag mit einer Rekordmarke von 7,50 Meter gerechnet. Das wären 14 Zentimeter mehr als beim jüngsten Hochwasser Ende Januar 2011. Ausgelegt ist der frisch sanierte Deich aber nur für 7,45 Meter - plus einem Meter zur Sicherheit.

In Cottbus wurde am Nachmittag bei ein Pegelstand von 2,30 Meter die Alarmstufe 3 ausgerufen. Weil an der Talsperre Spremberg noch mehr Wasser in die nach Cottbus fließende Spree abgelassen wird, strömt das Wasser besonders schnell durch die Stadt. Im Uferbereich bestehe Lebensgefahr, warnten die Behörden. Zehn Brücken sind gesperrt. 230 Soldaten aus der Kurmark-Kaserne in Storkow (Oder-Spree) sind auf dem Weg nach Cottbus, wie das Landeskommando Brandenburg mitteilte.

In Halle an der Saale spitzte sich die Lage für Zehntausende Einwohner dramatisch zu. Teile der Innenstadt und der Plattenbau-Großsiedlung Halle-Neustadt wurden überflutet, teilte am Mittag Sachsen-Anhalts Krisenstab in Magdeburg mit. Etwa 30.000 betroffene Bewohner seien aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. In der Nacht hatte die Saale am Pegel Trotha die Marke von acht Metern überschritten, der höchste Wert seit mehreren hundert Jahren. Aus Sicherheitsgründen waren bereits die Stromversorgung in Teilen der früher separaten Großstadt abgeschaltet sowie Schulen und Kindertagesstätten geschlossen worden. Am Mittwoch wurde in der Innenstadt der Betrieb von verschiedenen öffentlichen und sozialen Einrichtungen eingestellt.
Durch das Hochwasser kamen in dem Bundesland auch die ersten Zootiere ums Leben. Zugleich liefen Spendenaktionen an. Auch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat umfangreiche Hilfen zugesagt. Nach der Bildung des Krisenstabes am Vortag wurde am Mittwoch eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Schadenserhebung und -regulierung gegründet. „Wir lassen die Hochwassergeschädigten nicht allein“, versicherte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Auch Hilfsorganisationen und Vereine haben zur Unterstützung aufgerufen und spezielle Spendenkonten eingerichtet. Zudem hat Landesbischöfin Ilse Junkermann gemeinsam mit den fünf Regionalbischöfen der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland in einem Brief an die Gemeinden um Spenden gebeten.

In Dresden sind mehrer Ortsteile evakuiert worden. Die Altstädte in Pirna und Meißen stehen zum Teil unter Wasser. Der kleine Ort Gohlis bei Riesa ist komplett eingeschlossen. Auch Königstein und Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz sind komplett vollgelaufen. Wie das Landeshochwasserzentrum mitteilte, werde der Hochwasserscheitel-Scheitel am Donnerstagvormittag Sachsen erreichen. Für die Landeshauptstadt wird ein Wasserstand von bis zu 8,70 Metern erwartet, derzeit liegt er schon über 8,50 Meter. Für Schöna an der tschechischen Grenze werden bis zu 10,90 Metern erwartet, für Torgau etwa 9,25 Metern. Damit bleiben die Werte etwas unter den Pegeln der sogenannten Jahrhundertflut von 2002. In Dresden wurden damals 9,40 Meter gemessen. Normal sind etwa zwei Meter.  In Nordsachsen mussten wegen eines überlaufenden Sees mehrere Dörfer zwangsevakuiert werden. Entwarnung gab es dagegen aus Pirna: Zwei am Mittwochvormittag im Elbhochwasser treibende Gastanks wurden gesichert, hieß es aus dem zuständigen Landratsamt. Die Bundespolizei sucht jedoch in der Elbe weiter nach Treibgut.

In Tschechien wurde große Teile der Industriestadt Usti (Aussig) im Norden des Landes vom Elbhochwasser geflutet. Die Wassermassen strömten schneller als erwartet über die Hochwasserwände im Stadtteil Strekov, wie das tschechische Fernsehen berichtete. Straßen verwandelten sich im Laufe des Mittwochs in Ströme, Hauptbahnhof und Stadtbücherei standen unter Wasser. Hunderte Menschen wurden in Notunterkünften untergebracht.

dpa/epd/PNN

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