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Brandenburg: Müllers Einflugschneise

Es ist sein erster Arbeitstag. Und Michael Müller ist nicht in Berlin. Der neue Regierende Bürgermeister sitzt den ganzen Tag im BER-Aufsichtsrat. Und überrascht

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Motzen - Blauer Schal, schwarzer Anzug, ein Lächeln, immerhin das. Die Dämmerung ist noch nicht verzogen, als kurz nach 8 Uhr an diesem nasskalten Dezembermorgen die beiden schwarzen Limousinen mit Berliner Kennzeichen im Halbdunkel am „Hotel zur Residenz“ in Motzen vorfahren, 50 Kilometer südlich von Berlin, eine gute Autostunde entfernt. Und dann eilt Michael Müller schnurstracks vorbei an den wartenden Fernsehteams und Journalisten, durch den Korridor zwischen echten Flughafen-Absperrbändern mit Inschriften „BER“ hindurch, die vor dem Hotel extra gespannt worden sind. Nein, kein Kommentar, kein Statement des Neuen, nur kein falsches Wort.

Es ist sein erster Tag. Und was für einer. Keine 24 Stunden ist es her, dass Müller gewählt worden ist. Und so dürfte noch nie der Dienstantritt eines Regierenden ausgesehen haben, fernab von Berlin, fern vom Roten Rathaus, den ganzen Tag, als gäbe es in Berlin sonst nichts zu tun. Die Klausur des Aufsichtsrates, die am frühen Morgen mit einer Besprechung des Finanzausschusses beginnt, ist bis 18 Uhr angesetzt. Müllers ersten Arbeitstag wird der Flughafen fressen. Ein Omen? Eine erste Lektion, wie das Pannenprojekt, das den vorzeitigen Abgang seines Vorgängers Klaus Wowereit beschleunigte, auch ihn in Atem halten wird? Zumal im Laufe des Tages offiziell feststehen wird, dass im Jahr der nächsten Abgeordnetenhauswahl 2016, der ersten, die er selbst gewinnen müsste, der neue Airport draußen in Schönefeld immer noch nicht fertig sein wird. Aber es wird ein Termin genannt, „zwischen Juni und September 2017“ soll der Flughafen fertig werden, wie am frühen Abend Hartmut Mehdorn und Vizeaufsichtsratschef Rainer Bretschneider überraschend verkünden. Es ist eine Überraschung, niemand hatte das nach den Querelen der letzten Wochen erwartet. Müller – einfaches Mitglied im Gremium – ist nicht dabei, bei der Pressekonferenz. Er steht draußen, hinter den Absperrungen, telefoniert. Ein Statement? Nein, er lehnt ab. Klar ist, dass auch er sein Okay gegeben haben muss, dass nun doch bereits ein Eröffnungstermin präsentiert wird, dass auch ihn das Programm Mehdorns und des Technikchefs Jörg Marks überzeugt haben muss.

Er war im Gremium mit neugieriger Spannung erwartet worden. Es sei ja auch so etwas wie ein „BER-Einführungsseminar“ für den Berliner, hieß es vorher. Und da war auch der Schatten seines Vorgängers Klaus Wowereit, der als Aufsichtsratschef die Sitzungen leitete, ja dominierte, eben aber auch seine ganz persönliche provokant-sarkastische Art hatte, die einen wie Hartmut Mehdorn schon reizen konnte.

Und Müller? Es ist nicht viel, was aus der Sitzung nach draußen drang, aber umso aufschlussreicher. Berlins Neuer hatte vorher angekündigt, er wolle sich erst einmal ein Bild machen, aber das tat er auf seine Weise. Und überraschte manche. Er sei „sehr konzentriert, schnörkellos, unmissverständlich in seinen Diskussionsbeiträgen“, erzählt einer in der Pause. „Eine echte Herausforderung für Hartmut Mehdorn.“ Es sei wohltuend, dass das Provokative seines Vorgängers fehle. Eine Gemeinsamkeit gibt es dennoch, Müller sei „sehr gut vorbereitet“, wie Wowereit, obwohl er anders als der einfaches Mitglied ist. Freilich, und einer der Haupteigentümer.

Es ist eine Klausur, es ist eine Versöhnung, eine Annäherung, die da in Motzen über die Bühne ging. Eine, die die erhitzten Gemüter der letzten Wochen beruhigt, in denen etwa Mehdorn auf die Barrikaden ging, weil ihm die Eigentümer externe Prüfer in die Büros schicken. Und in den vergangenen Tagen war auch noch publik geworden, dass es schon vertrauliche Sondierungen einer Nachfolge des 72-Jährigen gab, dessen Vertrag 2016 ausläuft. Nun bemühten sich alle, so zu tun, als sei das nicht passiert. Und das lag auch daran, wie der Vizeaufsichtsratschef, Brandenburgs Flughafenstaatssekretär Rainer Bretschneider, die Sitzung leitete – ruhig, sachlich, ausgleichend. Er, der kein Öl ins Feuer gießen will, muss mit seinen 65 Jahren nichts mehr werden, wollte aber einmal zeigen, dass er den Vorsitz auch könnte.

Müllers erster Arbeitstag, erste Flughafenlektionen. Aber da sind die weiteren Minen und Risiken, etwa die Kosten, die steigen und steigen. Da sind, ganz aktuell, die 177 Millionen Euro, die Hartmut Mehdorn zusätzlich zu den zuletzt beantragten und vom Aufsichtsrat bewilligten 1,1 Milliarden Euro verlangt, um den zu kleinen BER rechtzeitig zu erweitern. Das Geld müsste Anfang nächsten Jahres bewilligt werden, sonst kann der von Mehdorn nun geplante Anbau an den Nordpier bis 2017 nicht rechtzeitig fertig werden. Aber, schon jetzt sind es die Parlamente leid, gehen etwa in Berlin selbst die Haushälter aus den Regierungsfraktionen auf die Barrikaden, wenn es überhaupt um Überweisungen an die Flughafengesellschaft geht. Dabei kommt bislang das Geld sogar noch aus den nach der verschobenen Eröffnung 2012 im Dezember bewilligten ersten 1,2 Milliarden Euro, die ratenweise reihum von Berlin, Brandenburg und dem Bund überwiesen werden. Berlins Finanzverwaltung hatte seit Wochen eine fällige 40-Millionen-Rate auf Eis gelegt, was die Flughafengesellschaft in ernsthafte Liquiditätsprobleme brachte.

Der Termin wurde verkündet. Dann verschwanden wieder alle in die Klausur, auch Michael Müller. Am Flughafen gibt es noch genügend zu tun.

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