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Trauriger Junge mit medizinischer Gesichtsmaske hinter einem Fenster während der Ausganssperre

© picture alliance / Andreas Poertner

Neue Kindeswohl-Initiative: Brandenburg will negative Corona-Folgen bewältigen

Seit der Pandemie zeigen 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Brandenburg Anzeichen für eine depressive Symptomatik. Regierung und Kassen wollen jetzt handeln.

Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hat gemeinsam mit elf Krankenkassen die neue Landesinitiative „Kindeswohl im Blick“ gestartet. Sie soll zur Bewältigung gesundheitliche Negativfolgen der Corona-Pandemie bei Kindern und Jugendlichen in der Mark beitragen.

„Der Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheit ist da auch in Brandenburg deutlich erkennbar“, sagte Nonnemacher am Mittwoch auf einer Pressekonferenz zum Auftakt der Initiative. „Wo die Lebensverhältnisse von Kindern schon vorher prekär waren, haben sich gesundheitliche Entwicklungsdefizite mit der Pandemie verstärkt.“

Corona-Pandemie und Lockdown haben auch in der Mark Kinder und Jugendliche weit über schulische Lernrückstände hinaus beeinträchtigt. Nonnemacher verwies dabei auf die Brandenburger Folgestudie zur bundesweiten COPSY-Untersuchung aus den Jahren 2020 und 2021 zu seelischen und psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen infolge der Pandemie. Demnach zeigten 36,9 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen aus Brandenburg Anzeichen für „eine generalisierte Angststörung“ – bundesweit waren es mit 26,8 Prozent deutlich weniger.

Jedes fünfte Kind zeigt Auffälligkeiten

19,4 Prozent der Brandenburger Befragten, ungefähr jeder Fünfte, zeigten demnach „Anzeichen für eine depressive Symptomatik“ – bundesweit waren das 11,1 Prozent. Zwei Drittel der Kinder hatten angegeben, inzwischen mehr Zeit pro Tag mit Computer, Smartphones, Tablets oder Spielkonsolen zu verbringen als vor der Corona-Krise. Besonders gefährdet sind laut Studie Kinder und Jugendliche aus sozial angespannten Verhältnissen, etwa durch ein niedriges Bildungsniveau, Migrationshintergrund oder eine beengte Wohnsituation.

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher

© ZB/Soeren Stache

Hier setzt die Kindeswohl-Initiative an. So soll für Kinder und Jugendliche mit seelischen Beschwerden – besonders aus prekären Verhältnissen – der Zugang zu Präventions-, Behandlungs- und Beratungsangeboten erleichtert werden. Bislang machen elf Krankenkassen mit, von der AOK, der BKK und der IKK über Ersatzkassen wie die Barmer, die TK und die KKH bis zur Deutschen Rentenversicherung oder die Unfallkasse Brandenburg.

Nun soll bis 2024 ein Arbeitsprogramm entwickelt werden. Man werbe um weitere Partner, wolle ein Unterstützungsnetzwerk aufbauen. „Ich wünsche mir, dass wir die kommunalen Spitzenverbände gewinnen können. Das alles muss in die Fläche“, sagte Nonnemacher. „Wir wollen auch Lücken in den Strukturen und Angeboten benennen und schließen.“ Denn in der Corona-Zeit seien auch bestehende Strukturen unterbrochen worden, „bestimmte Netzwerke müssen sich erst wieder formieren, müssen wieder reaktiviert werden.“

Die Akademikerin mit 40 Jahren macht sowieso Yoga oder Pilates. Wir müssen das an die Menschen ran bringen, wo es schwierig ist.

Ursula Nonnemacher, Grüne, Gesundheitsministerin

Tatsächlich gibt es auch gerade für die psychiatrische Behandlung von Kindern und Jugendlichen zu wenige Plätze und Therapeuten. Nicht flächendeckend, aber in einigen Regionen, sagte Daniela Teichert, Vorstandschefin der AOK Nordost. Es werde auf zusätzliche Zulassungen hingewirkt.

Betreuungsangebote für Kinder sicherstellen

Hinzu komme, dass sich oft „nicht die Familien an uns wenden, sondern Kinderärzte.“ Kommunale Strukturen seien wichtig, mahnte Teichert, etwa um Betreuungsangebote am Nachmittag für Kinder sicherzustellen, „die vielleicht noch nicht in einer Krankheitssituation sind, aber schon Auffälligkeiten vorweisen.“ Das könne auch ein Sportverein sein. „Die Ressourcen sind begrenzt. Wir müssen bestehende Angebote besser vernetzen“.

Schon bei der Ernährung fängt es an. So will die AOK ihr Kindertheater „Henrietta & Co.“, das spielerisch Kenntnisse vermittelt, auf weitere 80 bis 100 Grundschulen ausweiten. „Wer im Alter gesund leben will, muss in der Kindheit anfangen. Dort werden die Grundlagen für Gewohnheiten gelegt“, sagte Daphne Bongardt vom BKK Landesverband Mitte. Das Ausmaß der Auswirkungen, dass die zahnärztliche Gruppenprophylaxe in der Pandemie in den Kitas nicht stattfand, werde man in einigen Jahren feststellen.

Nonnemacher illustrierte das plastisch. „Ich kriege jedes Mal die Krise, wenn ich irgendwo Eistee auf dem Tisch sehe, wo in Wasser ein halbes Kilo Zucker aufgelöst worden ist, anstatt Leitungswasser mit einem Stück Zitrone hinzustellen.“ Eigentlich sei das banal. Aber es müsse eben die Zielgruppe erreichen. „Und das sind nicht die akademisch gebildeten Menschen in diesem Land“, so die Ministerin. „Die Akademikerin mit 40 Jahren macht sowieso Yoga oder Pilates. Wir müssen das an die Menschen ran bringen, wo es schwierig ist.“

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