Brandenburgs DDR-Schatten: Neue Überprüfungswelle bei der Polizei
Innenminister will neue gesetzliche Möglichkeiten ausschöpfen – auch Gewerkschaftschef im Visier
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Potsdam - Nicht die jüngsten Informationen zu der Beschäftigung von Stasi-Offizieren im Landeskriminalamt (LKA), sondern die durch eine Gesetzesnovellierung erleichterten Überprüfungsverfahren führen jetzt in Brandenburgs Polizei zu einer erneuten Beschäftigung mit dem Stasi-Thema. Der Sprecher von Innenminister Dietmar Woidke (SPD), Ingo Decker, sagte am Montag den PNN, das Ministerium werde bei Brandenburgs Polizei die Möglichkeiten, die sich aus der Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes ergeben hätten, voll ausnutzen. Überall dort, wo Polizisten im Zuge der Umstrukturierung in Zukunft zusätzliche oder neue Führungspositionen übernehmen würden, sei eine Überprüfung auf frühere Verbindungen zur Geheimpolizei der DDR jetzt wesentlich einfacher zu begründen als noch im letzten Jahr. Entsprechend werde auch verfahren, so Decker. Das vom Bundestag neu gefasste Gesetz räume auch ein Sonderauskunftsrecht bei Fällen ein, die in der öffentlichen Diskussion breiten Raum einnehmen würden – also beispielsweise auch bei der Person des Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Schuster.
Im Bezug auf die am Montag durch eine parlamentarische Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Danny Eichelbaum bekannt gewordenen Fälle bei der Staatsschutz-Abteilung des Landeskriminalamtes sieht der Innenminister laut seinem Sprecher derzeit allerdings keinen Handlungsbedarf. Entsprechende Forderungen aus den Reihen der Opposition weist er zurück. Woidke selbst ist derzeit im Urlaub, werde sich aber in der kommenden Woche den Fragen stellen.
Die CDU-Fraktion hat inzwischen eine Sondersitzung des Innen- und des Rechtsausschusses beantragt. Eichelbaum, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, erklärte, die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Offiziere beim Staatsschutz sei nicht hinnehmbar (siehe Interview unten). Die Grünen und die FDP forderten weitere Auskünfte zu den Fällen. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Axel Vogel sagte, Woidke solle ähnlich verfahren, wie bereits in den letzten Monaten, als er mit der Überprüfung der Polizei begann. Der FDP-Fraktionschef Andreas Büttner geht davon aus, dass dem Minister „die Sensibilität des Themas bekannt ist“.
Am Montag hatte eine Meldung der „Bild“-Zeitung für Aufsehen gesorgt, nach der mit 17 gezählten Fällen fast jeder Dritte der 56 Mitarbeiter der Staatsschutzabteilung des LKA einst für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig war. Dies widerspreche Angaben aus dem Jahr 2009, wonach im LKA insgesamt knapp 100 und in der Staatsschutzabteilung lediglich neun frühere MfS-Mitarbeiter arbeiteten. Decker sagte dazu, dass entsprechend den Weisungen von Woidke und im Einklang mit den Bundesgesetzen jetzt auch inoffizielle Mitarbeiter – also MfS-Spitzel – und Angehörige der paramilitärischen Strukturen des MfS mitgezählt werden. Früher, unter dem damaligen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), sei auf entsprechende Anfragen beispielsweise aus dem parlamentarischen Raum oder durch die Presse nur die Zahl der MfS-Offiziere aus dem operativen Bereich der einstigen Geheimpolizei erwähnt worden. Unter Schönbohm hatte das Ministerium schlicht etwa Offiziere des Stasi-Wachregiments nicht als hauptamtliche Mitarbeiter angegeben – obwohl sie Berufsoffiziere der Stasi und auch unter ihnen ausgebildete Spezialisten waren. Auch waren nicht alle Inoffiziellen Mitarbeiter aufgeführt worden.
In der großen Mehrzahl dieser Fälle sieht das Ministerium laut Decker kaum eine Möglichkeit, gegen die Beamten vorzugehen. Wer in Kenntnis seiner umstrittenen Vergangenheit vor vielen Jahren in den Landesdienst berufen wurde, könne jetzt nicht einfach gemaßregelt oder gar aus dem Dienst entfernt werden, sagt Decker. Woidke habe allerdings klargestellt, dass er bei Beförderungen oder bei der Berufung auf neue Dienstposten Wert darauf legt, umfassend informiert zu sein über das Vorleben der infrage kommenden Beamten. Er habe deswegen damit begonnen, bei Personalentscheidungen eine erneute Überprüfung zu erreichen und sei mithilfe des neu formulierten Gesetzes auch dazu in der Lage. Die bekannten Fälle beim Staatsschutz und auch bei anderen Abteilungen des LKA seien davon in aller Regel nicht betroffen.
Die Beschäftigung früherer MfS-Mitarbeiter beim Staatsschutz ist wegen der besonderen Aufgabenstellung dieser Ermittler von Interesse. Denn der Staatsschutz bearbeitet die Straftaten, die einen politischen Hintergrund aufweisen. Dafür gibt es in den vier Polizeidirektionen, aber auch beim LKA eigene Organisationseinheiten. Sie ermitteln unter anderem auch beim Verdacht auf Spionage oder bei Verstößen gegen das Verbot der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Tätig werden sie auch bei allen sonstigen Straftaten, wenn als Motiv ein politisches Ziel vermutet werden kann. In der Regel kommen diese Mitarbeiter heute nicht mehr mit Fällen in Berührung, die einen direkten Bezug zur DDR haben. Eine Sprecherin des LKA bestätigte allerdings, dass früher auch eigenständige Ermittlungsgruppen existierten, die sich mit in der DDR begangenen Vergehen und Verbrechen beschäftigten. Diese Ermittlungen unter dem Stichwort „Regierungskriminalität“, die unter anderem die Todesschüsse an der Mauer oder die Fälschung von Wahlen zum Inhalt hatten, sind heute allerdings weitestgehend abgeschlossen. Unklar ist bislang, inwieweit auch dabei frühere MfS-Offiziere mitwirkten.
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