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BRANDENBURGS TIERWELT: Nur zu Besuch?
Mehr als 70 Elche wurden seit 1991 im Land Brandenburg gesichtet. Die meisten Tiere wandern aus Polen ein. Und künftig werden noch mehr in die Mark kommen, meinen Experten
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Potsdam - In Schweden, Norwegen und Finnland guckt er fast hinter jedem Baum hervor, im Land Brandenburg ist er höchstens zu Besuch. Immer wieder machen sich einzelne Tiere aus Polen auf den Weg, überqueren die Oder und streifen dann auch durch die märkischen Wälder. Insgesamt 72 Elche wurden nach Angaben des brandenburgischen Agrarministeriums seit 1991 zwischen Prenzlau und Cottbus gesichtet. „Der absolute Schwerpunkt ist der Landkreis Oder-Spree, aber auch aus der Schorfheide wurden schon einzelne Exemplare gemeldet“, sagt Ina Martin von der Forschungsstelle Wildökologie und Jagdwirtschaft im Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde. Derzeit arbeiten Martin und ihre Kollegen an einem sogenanntem Elch–Managementplan. Das Ziel: Förster, Jäger, Waldbesitzer aber auch Landwirte, Naturschützer und Verkehrsexperten sollen für eine Begegnung mit dem imposanten Wiederkäuer besser gerüstet sein. Denn, so Ina Martin, es ist davon auszugehen, dass Elche künftig häufiger als bisher nach Brandenburg einwandern.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war der Elch in Mecklenburg und Teilen Ostbrandenburgs durchaus noch Teil der heimischen Tierwelt. Noch bis in die 1970er Jahre sollen einzelne Tiere in Mecklenburg-Vorpommern erlegt worden sein. Mittlerweile gilt eine ganzjährige Schonzeit. Ohnehin kommt die weltweit größte Hirschart in Mitteleuropa heute nur noch in Tschechien, der Slowakei und in Polen vor. Den Bestand jenseits der Oder schätzt Elch-Expertin Ina Martin auf 5000 bis 7000 Tiere, Tendenz steigend. Die wachsende Population auf begrenztem Territorium ist nach Martins Ansicht der Hauptgrund für deren Wanderung gen Westen. „Vermutlich sind sie auf Suche nach neuen Lebensräumen.“ Zwar gebe es in Polen vergleichsweise große zusammenhängende Wälder, vor allem in Schutzgebieten, doch irgendwann seien auch diese Kapazitäten ausgereizt, so Martin.
Auf ihrem Weg nach Brandenburg folgen die Tiere alten Fernwechseln, Routen also, die von Elch-Generationen zu Elch-Generation weitergegeben werden. „Diese Wechsel sind wie für uns Autobahnen oder Bundesstraßen“, erläutert Ina Martin. Die Oder stelle dabei kein großes Hindernis dar. „Elche sind sehr gute Schwimmer und im Winter wandern die Tiere über das Eis.“ Vermutlich aber machen sich die Schaufelträger vergeblich auf die Reise gen Westen. Als Lebensraum komme Deutschland eigentlich kaum mehr infrage. Zu wenig Wald, zu viele Straßen und wohl auch zu warm, glaubt die Diplombiologin. „Fehlende Störungsarmut“ heißt das im Fachchinesisch.
Immer wieder bezahlen einige der Wanderer ihre Ausflüge mit dem Tod. Laut Agrarministerium sind seit der Wende acht Elche bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. Im August 2000 zum Beispiel kam es zwischen Byhleguhre und Burg (Dahme-Spreewald) zu einem schweren Unfall. Der beteiligte Linienbus musste danach aus dem Verkehr gezogen werden. Obwohl Elche friedliche Zeitgenossen sind, könnte zunehmender Besuch trotzdem zu Problemen führen, glaubt Martin. Zum einen sei zu erwarten, dass die Zahl der Verkehrsunfälle mit Elchen steigt. Immerhin kann ein Zusammenstoß mit einem Elch schlimme Folgen haben. Bis zu 800 Kilogramm, aber kaum weniger als eine halbe Tonne bringt ein ausgewachsener Bulle auf die Wage. Zum anderen, so Martin, seien Elche wie Rehe echte Feinschmecker und täten sich gerne an frischen Trieben und auf gut bestellten Feldern gütlich – sehr zum Ärger von Förstern und Landwirten.
Mit dem Managementplan „Strategien und Handlungsbedarf beim Umgang mit zuwandernden Elchen“ folgt Brandenburg dem Vorbild Bayerns. 2008 hat der Freistaat seinen „Elchplan für Bayern“ veröffentlicht. Auch dort geht es vor allem darum, sich anbahnende Konflikte im Vorfeld zu entschärfen. Allein im Jahr 2007 seien 20 Elche in Bayern nachgewiesen worden, heißt es in dem Papier.
Zuletzt wurde in Brandenburg ein wandernder junger Elchbulle im Dezember 2011 östlich der A11 bei Joachimsthal im Kreis Barnim gesichtet und sogar von einem Spaziergänger fotografiert. „Manchmal halten sich die Tiere ein, zwei Tage in der Region auf, werden mehrfach gesichtet, und dann sind sie plötzlich wieder weg“, berichtet Martin. Auch wenn eine dauerhafte Wiederkehr eher unwahrscheinlich ist, ganz ausschließen möchte die Expertin dies allerdings nicht. Elche seien trotz allem sehr anpassungsfähig und als Kulturfolger bekannt. „Beim Wolf hat man früher auch nicht gedacht, dass er irgendwann wieder durch Brandenburg streift.“
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