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Von Thorsten Metzner: Osthang zum Stadtwerk

Lieber in eigener Regie: Kommunen lehnen Privatisierung ihrer Betriebe weitgehend ab

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Potsdam - Die Privatisierung kommunaler Unternehmen ist in Brandenburg und anderen Ost-Bundesländern inzwischen weitgehend aus der Mode gekommen. Das ist zumindest das Ergebnis einer gestern in Potsdam veröffentlichten Umfrage, an der 374 von 973 Stadtoberhäuptern größerer Kommunen, Rathausfraktionschefs und Stadtwerke-Manager Ostdeutschlands teilgenommen hatten. Demnach lehnen 71,7 Prozent den Verkauf von Kommunalbetrieben oder von deren Anteilen ab.

Als Hauptgrund dafür wird der „Verlust strategischer Steuerungsmöglichkeiten“ für die Städte genannt, nämlich von jedem Fünften. „In den Rathäusern weiß man inzwischen: Es ist ein Irrtum, dass es Private angeblich besser und billiger können“, sagte dazu Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes.  „Man vertraut auf die eigene Kompetenz.“ Es gebe inzwischen sogar einen gewissen Trend zur Re-Kommunalisierung sagte Böttcher – und verwies auf die Uckermark. Dort hatte man zunächst die Abfallentsorgung privatisiert, vor zwei Jahren aber wieder in die eigene Regie übernommen – was den Kreis prompt Geld sparte und den Bürgern sogar sinkende Gebühren brachte. Rund 9,4 Millionen Euro gab die Uckermark 2005 für die Dienstleistung aus privater Hand aus. Ein Jahr darauf, nach der Übernahme in eigene Regie, lagen die Kosten nur noch bei etwa 7,5 Millionen Euro. Die Gebühren der Bürger sanken um 700 000 Euro pro Jahr.

Allerdings sind kommunale „Entscheider“ laut Umfrage durchaus offen, privates Know-how in Stadtwerke zu holen. So genannte PPP-Modelle, wo Kommunen Mehrheitsgesellschafter sind, haben sich für 70,8 Prozent bewährt. Einig ist man sich darin, dass es wenig bringt, nur Minderheitseigner an Kommunalbetrieben zu sein. In diesem Fall plädierten 56 Prozent für eine Re-Kommunalisierung.

Privatisierungen sind auch im Land Brandenburg immer wieder ein Politikum, und zwar nicht nur wegen diverser Affären um Kreisgesellschaften oder Stadtwerke wie in Neuruppin. So gab es erst Ende 2007 in der Potsdamer SPD/CDU-Regierungskoalition einen handfesten Grundsatz-Krach: Die CDU wollte das aus ihrer Sicht über die Daseinsfürsorge hinaus ausufernde wirtschaftliche Engagement von Kommunen eindämmen. Mit der Forderung, privaten Dritten in der neuen Kommunalverfassung ein Klagerecht gegen kommunale Konkurrenz einzuräumen, konnte sich die Union aber nicht gegen die SPD durchsetzen. Auch Brandenburgs Städte- und Gemeindebund war Sturm gegen die Pläne gelaufen. „Man darf die Kommunen in ihrem wirtschaftlichen Engagement nicht weiter beschneiden“, warnt Böttcher.

Und in einem dünn besiedelten Flächenland mit großen Demografieproblemen wie Brandenburg liegen die Probleme ohnehin oft jenseits von ideologisch gefärbten Debatten. So betreiben die Stadtwerke Schwedt seit einem Jahr auch das einzige Kino der Stadt, für das sich kein privater Geschäftsmann fand – und sie schreiben dort nach eigenen Angaben schwarze Zahlen. Um zusätzliche Einnahmen zu erzielen, bieten die Stadtwerke auch Telefondienstleistungen an.

Die 28,3 Prozent der befragten „Entscheider“, die für Privatisierungen sind, begründen dies in der Umfrage vor allem mit höherer Effizienz (22,1 Prozent, Platz 1 der Nennungen) bei Privatfirmen und dem eher schädlichen Einfluss politischer Gremien (17,3 Prozent).

Für die Sozialwissenschaftlerin Prof. Karin Schießl aus Bernau, die die Umfrage im Auftrag des ostdeutschen Stadtwerke-Verbundnetzes „Kommunale Energie“ und kommunaler Spitzenverbände durchgeführt und ausgewertet hat, ist ein weiterer Umstand bemerkenswert: Die Befragung der Führungskräfte in Rathäusern und Stadtwerken korrespondiert mit Umfragen, nach der 60 Prozent der Ostdeutschen Privatisierungen ablehnen.

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