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Fragwürdig: Neonazis als V-Männer.

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Brandenburgs NSU-Skandal: „Piatto“: Grüne wollen V-Leute abschaffen

Laut Brandenburgs Innenministerium sind die Vorwürfe Sebastian Edathys zu NSU-Ermittlungspannen falsch. Die Grünen-Landeschefin Baerbock fordert jetzt einen Verzicht auf V-Männer im Land - der wegen versuchten Mordes verurteilte "Piatto" hätte nie angeworben werden dürfen, so der NSU-Untersuchungsausschuss.

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Potsdam - Im Skandal um das jahrelang unbehelligte NSU-Mordtrio sorgt nun die Rolle des früheren V-Manns „Piatto“ aus Brandenburg für Streit. Das von Minister Dietmar Woidke (SPD) geführte Potsdamer Innenministerium hat am Mittwoch die Vorwürfe des Vorsitzenden des NSU-Ausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), zurückgewiesen. Der hatte dem Landesverfassungsschutz in den PNN Versagen im Fall „Piatto“ vorgeworfen, auch beim Umgang mit dessen Informationen zum 1998 untergetauchten Neonazi-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.

Mit den Edathy-Anschuldigungen gerät wegen des NSU nun auch Brandenburgs Verfassungsschutz unter Druck, was die Opposition auf den Plan ruft. Grünen-Landeschefin Annalena Baerbock fordert jetzt den Verzicht auf den Einsatz von V-Leuten im Land. „Wir brauchen eine Debatte darüber, ob wir an diesem höchst bedenklichen und schwer zu kontrollierendem System wirklich festhalten wollen.“ Der CDU-Innenexperte Björn Lakemacher nannte die NSU-Rolle von „Piatto“ immer fragwürdiger. Man werde den Fall in der Parlamentarischen Kontrollkommission und im Innenausschuss zur Sprache bringen. Dagegen bezeichnete das Innenministerium den Vorwurf Edathys als unzutreffend, dass das Land relevante Informationen „Piattos“ zur NSU nicht weitergegeben habe. Dessen Hinweis auf ein untergetauchtes Skinheadtrio, das Waffen besorgen wollte, sei an Verfassungsschutzbehörden in Thüringen, Sachsen und dem Bund vorbeigegangen. „Die Information war auch für die Polizei freigegeben“, sagte Sprecher Ingo Decker. Brandenburg habe allein die Quelle nicht offenbart.

Zum Edathy-Vorwurf, dass der wegen versuchten Mordes verurteilte „Piatto“ nie hätte angeworben werden dürfen, verwies Decker auf die damalige Hochzeit rechtsextremer Übergriffe im Land, mit Todesopfern. „Piattio“ hat nach Angaben von Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber bis zur Enttarnung 2000 rund 250 wichtige Informationen geliefert, was Straftaten verhindern half. Auf Warnung von „Piatto“ konnte dem Vernehmen nach die Berliner Polizei auch einen Neonazi-Anschlag auf den Tagesspiegel-Journalisten Frank Jansen verhindern. Der damalige PDS-Innenexperte Michael Schumann hatte 2000 dem Verfassungsschutz im Fall „Piatto“ korrektes Handeln bescheinigt. Anderseits gab es schon damals Hinweise auf ein Doppelspiel von „Piatto“. Am Montag wird sein damaliger V-Mann-Führer Gordian Meyer-Plath, heute Verfassungsschutzchef in Sachsen, als Zeuge im NSU-Ausschuss vernommen. CDU-Innenpolitiker Lakemacher fordert zudem die Offenlegung der merkwürdigerweise als geheim eingestuften Vertrauensperson, mit der sich Ex-Innenminister Alwin Ziel (SPD) 1994 vor seinem OK zur Anwerbung von „Piatto“ beraten hatte. 

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