Wohnungsbau in Brandenburg: Probleme für alle
Der Brandenburger Wohnungsmarkt hängt Geringverdiener ab. Im Vergleich zum Jahr 2004 ist die Zahl der Sozialwohnungen auf fast ein Viertel gesunken. Jetzt will die rot-rote Landesregierung umsteuern.
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Potsdam - Brandenburgs rot-rote Landesregierung reagiert auf problematische Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt. Im achten Jahr der Koalition beschloss das Kabinett von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am gestrigen Dienstag die sogenannte Strategie Stadtentwicklung und Wohnen. Das 18-seitige Papier listet unter dem Titel „Stadt für alle“ eine Reihe von Problemen für viele auf. Außerdem wird klar, dass bisherige Maßnahmen nicht mehr ausreichen. „Je nach ihrer Situation müssen für die Städte und Gemeinden differenzierte Lösungsansätze gefunden werden“, sagte Baustaatssekretärin Ines Jesse (SPD). Zu den angepeilten Maßnahmen zählt unter anderem eine Evaluation und Optimierung der Wohnraumförderung.
Tatsächlich steht das Land vor mehreren Herausforderungen gleichzeitig, wie auch in dem Strategiepapier deutlich wird: Es gibt gleichzeitig Wohnungsmangel im Berliner Speckgürtel und Leerstand in den berlinferneren Regionen. Zudem gibt es eine gegenläufige demografische Entwicklung bei einer insgesamt sinkenden Bevölkerungszahl. Eine wichtige Rolle für die künftige Entwicklung der Brandenburger Städte besitze insbesondere die Mobilität. Eine gute Erreichbarkeit sei eine wichtige Voraussetzung für eine gute wirtschaftliche Entwicklung sowie Teilhabe des Einzelnen am gesellschaftlichen Leben.
Erhebliche Anstrengungen bei Neubau und sozial gebundenen Wohnungen erforderlich
Probleme hat die Koalition nun auch bei der Versorgung mit mietpreis- und belegungsgebundenem Wohnraum identifiziert. Es werde großer künftiger Handlungsbedarf deutlich, heißt es in der Strategie. Eine reduzierte Förderung des Wohnungsbaus in den Jahren 2005 bis 2012 habe dazu geführt, dass sich der Rückgang an sogenannten Bindungen beschleunigt. Im Klartext: Es gibt immer weniger Sozialwohnungen, weil die alten Förderkredite auslaufen. Gab es im Jahr 2004 landesweit noch mehr als 110 000 Wohnungen für Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins, sind es derzeit nur noch etwa 40 000. Bis zum Jahr 2030 wird sich ihre Zahl halbieren.
In den wachsenden Städten fehle Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen, insbesondere Sozialwohnungen, heißt es in dem Papier weiter. In den schrumpfenden Städten werden je nach Leerstand differenzierte Wohnungsangebote gebraucht. Handlungsbedarf bestehe bei der Bereitstellung bezahlbarer kleiner, barrierefreier, altengerechter sowie familienfreundlicher Wohnungen. Es seien erhebliche Anstrengungen in Form von Neubau sozial gebundener Wohnungen erforderlich.
Branche kritisiert Förderpolitik
Wohnungsbauförderung gibt es in Brandenburg – nach vielen Jahren Pause – seit 2014 wieder. Wegen des nötigen Planungsvorlaufs sind bisher allerdings kaum neue Sozialwohnungen auf den Markt gekommen. In Potsdam gab es beispielsweise Anfang Juni den ersten Spatenstich für den Bau von 95 Wohnungen am Tiroler Damm in der Waldstadt. Nachgefragt werden die zinsverbilligten Darlehen für ihren Bau meist von kommunalen Wohnungsgesellschaften wie der Pro Potsdam. Unternehmen, die weniger unter politischem Druck stehen, scheuen offenbar, sich langfristig an Mieten von 5,50 Euro zu binden. Eine Rolle spielen auch die derzeit niedrigen Zinsen: Bauherren können ihre Investition auch auf dem freien Kapitalmarkt günstig finanzieren. Da auch teurere, nicht geförderte Wohnungen Abnehmer finden, winken insbesondere private Bauherren bei der Wohnungsbauförderung ab.
Der Branche geht es beispielsweise um die Förderhöhe: 1800 Euro Wohnungsbauförderung gibt es pro Quadratmeter im sozialen Wohnungsbau. Doch angesichts steigender Baupreise liegen die Kosten im Durchschnitt rund 500 Euro höher. Außerdem werden zu starre Kriterien beklagt, die teilweise am Bedarf vorbeigehen.
Kritik an der Förderpraxis kommt auch vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Der Verband fordert Änderungen an den Vorgaben, damit die Förderung für mehr Wohnungsunternehmen attraktiv sei. Das sagte Wolfgang Schönfelder, der beim BBU für Brandenburg zuständig ist, den PNN am Dienstag am Rande der Vorstellung des Jahresberichts des Verbands. Der Verband ist mit rund 350 Mitgliedsunternehmen in Berlin und Brandenburg der größte wohnungswirtschaftliche Verband der Hauptstadtregion. Unter seinem Dach vereinen sich vor allem öffentliche und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen, die etwa 50 Prozent des Wohnungsbestandes landesweit bewirtschaften.
Leerstand im Vergleich zum Vorjahr rückläufig
Die Entwicklung sei grundsätzlich positiv. Mit 7,5 Prozent lag der Leerstand 2016 ein halbes Prozent unter dem Vorjahreswert. 514 Millionen Euro investierten die Mitgliedsunternehmen im vergangenen Jahr. In diesem sollen noch mal 30 Prozent mehr fließen – vor allem in den Neubau.
Allerdings zeichnet auch der BBU ein teilweise gegensätzliches Bild der Lage im Land. So gebe es in berlinfernen Städten teilweise nach wie vor sehr hohe Leerstandsquoten. Trauriger Spitzenreiter ist Forst mit 28 Prozent. In den betroffenen Städten bleibt auch der Abriss ein Thema: In den kommenden Jahren sollen rund 7000 Wohnungen verschwinden. „Wir brauchen mehr Geld für den Stadtumbau, für das sich die Landesregierung beim Bund einsetzen muss“, sagte BBU-Vorstand Maren Kern. Statt 75 fordert der BBU 120 Euro pro Quadratmeter Abrissförderung. Sollte die Landesregierung damit nicht erfolgreich sein, müsste die Förderlücke durch ein neues Landesprogramm mit einem Volumen von schätzungsweise sieben Millionen Euro aufgefangen werden, so Kern.
Im Berliner Umland verläuft die Entwicklung unter umgekehrten Vorzeichen. In den Kommunen mit Zuzug investieren auch die BBU-Mitglieder massiv. Bis zum Jahr 2020 sei die Fertigstellung von rund 2500 neuen Mietwohnungen geplant, davon 800 in Potsdam. Weitere Neubauschwerpunkte seien Ludwigsfelde, Bernau, Wildau und Oranienburg.
Spannend – sowohl im Strategiepapier des Landes als auch im BBU-Bericht – ist die Beobachtung, dass das Wachstum von Berlin und Potsdam nun verstärkt in die Region ausstrahle. Städte mit Schienenanbindung nach Berlin sollen für Zuzügler attraktiv gemacht werden. Bereits jetzt zeichneten sich in Lübben, Treuenbrietzen oder Rathenow Leerstandsquoten zwischen drei und fünf Prozent ab. Dort gebe es Chancen, die Schrumpfung zu stoppen und umzukehren.
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