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Dringt auf Konsequenzen nach Anschlag in Solingen: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.

© Michael Bahlo/dpa

Regierungschef für härtere Asylpolitik : Woidke will nach untergetauchten Flüchtlingen fahnden lassen

Brandenburgs Parlament debattiert auf AfD-Antrag über den Solingen-Anschlag – und Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) entsetzt Linke und Grüne.

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In Brandenburg sollen die Abschiebepraxis kurzfristig verschärft werden. Das hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Donnerstag in einer Sondersitzung des Landtags zu Konsequenzen aus dem Terroranschlag in Solingen angekündigt – zum Entsetzen nicht nur der Linken.

Er habe entschieden, nächste Woche zu einer Landrätekonferenz unter seiner Leitung einzuladen, sagte Woidke.

Der Brandenburger Regierungschef nannte eine konkrete kurzfristige Maßnahme. „Flüchtlinge, die in ein anderes europäisches Land abgeschoben werden sollen und untertauchen, müssen sofort zur Fahndung ausgeschrieben werden“, sagte Woidke. „Zudem verlieren sie damit ihren Anspruch auf Geld. Die Gesetze lassen das schon jetzt zu.“ Das Innenministerium stellte später allerdings klar, dass bereits jetzt nach untergetauchten Flüchtlingen gefahndet werde.

Woidke forderte erneut eine Verschärfung des Asylrechts wie 1993. „Der Grundsatz muss wieder zur vollen Geltung kommen, dass diejenigen, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben, unser Land auch wieder verlassen müssen“, sagte er. „Das muss auch für Länder gelten wie Afghanistan oder Syrien.“ Und: „Dänemark und Schweden machen es vor.

Herr Woidke, Sie sind nicht der Fels in der Brandung! Sie lassen sich von der AfD treiben!

Sebastian Walter, Linke, Fraktions- und Parteichef

Mit seiner Ankündigung überraschte Woidke wenige Wochen vor der Landtagswahl am 22. September, bei der die AfD stärkste Kraft werden könnte, offenbar selbst die Koalitionspartner CDU und Grüne. Und sorgte damit für Empörung. „Es zeigt, wie nervös Sie sind. Sie machen einen großen Fehler“, sagte Linke-Fraktionschef Sebastian Walter. „Sie sind nicht der Fels in der Brandenburg. Sie lassen sich von der AfD treiben!“ Es habe noch nie funktioniert, einen Rechtsruck mit einem Rechtsruck zu bekämpfen. Auch Grüne reagierten konsterniert.

Die AfD, die die Sondersitzung beantragt hatte, warf Woidke Verlogenheit vor. AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt polemisierte gegen „ethnische Vielfalt“ im Land, „Schwarz-Rot-Gold ist Vielfalt genug“ und warf allen Partei links von der AfD vor, „Messermänner ins Land geholt und sich mitschuldig gemacht zu haben“. Woidke habe nicht die Größe gehabt, dem Staatsversagen und dem Verrat am eigenen Volk zu widersprechen.

CDU will mehr Befugnisse für Polizei und Verfassungsschutz

Die Rechtspartei scheiterte an den Gegenstimmen aller anderen Parteien mit einem Antrag, mit dem sie unter anderem ein Abhängen aller Regenbogenflaggen im Land, ein Betretungsverbot öffentlicher Veranstaltungen für Asylantragsteller, Asylberechtigte und ukrainische Kriegsflüchtlinge durchsetzen wollte – und einen Entzug der Gemeinnützigkeit für alle Vereine, „die sich in ihrem Vereinszweck auf Vielfalt berufen“. In der Debatte, die vom Wahlkampf geprägt war, ging es vorher hoch her.

„Sie erinnern an die schlimmsten Zeiten deutscher Geschichte“, sagte SPD-Fraktionschef Daniel Keller zu den AfD-Forderungen. „Das ist purer Faschismus.“ Nötig sei es als Konsequenz aus Solingen vielmehr etwa, den Verfassungsschutz zu stärken, um Attentäter leichter zu entdecken. „Wir müssen natürlich auch über Befugnisse der Polizei reden“.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann zeigte sich frustriert, dass jetzt wie so oft nach Anschlägen wieder in Routinen aus symbolischen Ankündigungen und wechselseitigen Beschuldigungen verfallen werde, es aber keinerlei substanziellen Änderungen gebe. Er kritisierte Woidke, der sich nach dem Anschlag auch für ein Verbot größerer Messer ausgesprochen hatte. „Herr Woidke, ich bitte Sie, es kommt nicht auf die Messer an.“ Redmann forderte mehr Befugnisse für Polizei und Verfassungsschutz und die Errichtung einer märkischen Grenzpolizei.

Grüne wollen Massenunterkünfte für Flüchtlinge abschaffen

„Die Menschen haben die Ablenkungsdebatten satt“, sagte Peter Vida von den Freien Wählern. Er kritisierte den laxen Umgang mit Rückführungen. „Wer Krieg in unsere Staaten trägt, kann auch in Kriegsgebiete abgeschoben werden.“

Für die Grünen erklärte Fraktionschef Benjamin Raschke: „Wir sind bereit, uns zu bewegen. Über alles zu reden, was verfassungsrechtlich und europarechtlich machbar ist. Aber man verteidigt das Grundgesetz nicht, wenn man seine Werte opfert.“ Er warf der SPD Symboldebatten vor und forderte eine Abkehr von Massenunterkünften für Flüchtlingen, „wo sie sich radikalisieren.“

In Brandenburg sind nach der Messerattacke in Solingen mit drei Toten die Sicherheitsvorkehrungen für öffentliche Veranstaltungen und Volksfeste erhöht worden. Nach Angaben von Innenminister Michael Stübgen (CDU) wird derzeit die Ausweisung von Messerverbotszonen bei Volksfesten und öffentlichen Veranstaltungen geprüft.

„Unsere öffentliche Ordnung und Sicherheit ist bedroht“, sagte Stübgen. „Die traurige Wahrheit lautet: Wir können nicht ausschließen, dass es Personen auch in Brandenburg gibt, die Taten wie in Mannheim oder Solingen nachahmen wollen.“

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