
© Fotos: IMAGO/Chris Emil Janssen, IMAGO, Montage: Tagesspiegel
Krise in Brandenburg: Die Wagenknecht-Partei bringt Woidkes Regierung ins Wanken
Die Brandenburger Regierung ist das einzige Bündnis von SPD und Wagenknecht-Partei in Deutschland. Doch nun rumort es – in der Koalition und im BSW.
Stand:
Es ist die bisher schwerste Krise für das Brandenburger Regierungsbündnis aus SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das einzige in Deutschland.
Der Landtag wird Ende November über zwei Staatsverträge zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) abstimmen. Was in anderen Ländern Routine wäre, könnte in Brandenburg die Koalition zum Platzen bringen und zumindest nach Befürchtungen auf beiden Seiten sogar zum vorzeitigen Abtritt von Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) führen.
Dabei geht es bei der Krise gar nicht um Brandenburg, sondern um zwei Medienstaatsverträge, die 14 der 16 Länderparlamente bereits passiert haben und eine Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie den Jugendschutz in den Medien voranbringen sollen. Das BSW hält die Pläne für nicht ausreichend, hat Ablehnung angekündigt, obwohl SPD und BSW im Koalitionsvertrag ein einheitliches Abstimmungsverhalten vereinbart hatten.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Nach der Absage einer Krisensitzung des Koalitionsausschusses am Sonntag werden die Verträge zwar die erste Hürde nehmen – die Abstimmung im Hauptausschuss des Landtages diesen Mittwoch, was das BSW zugesagt hat. Dadurch gewinnen beide Parteien zwar mehr Zeit, eine Lösung ist es aber noch nicht.
Das BSW ist zerrissen
Und eigentlich geht es noch nicht einmal um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es rumort in der Wagenknecht-Partei, die sich damit am Ende selbst aus der Regierung katapultieren könnte. Der Konflikt offenbart Machtkämpfe, persönliche Verletzungen, aber auch die politische Unbedarftheit im BSW.
Das junge Wagenknecht-Bündnis, das 2024 gegründet und auf Anhieb drittstärkste Kraft und Regierungspartei wurde, hat mehrere Machtzentren. Da ist einerseits Robert Crumbach, Vize-Ministerpräsident und Finanzminister. Er dürfte bereuen, kürzlich den Parteivorsitz abgegeben zu haben. Er und die beiden anderen BSW-Minister, Britta Müller und Detlef Tabbert, haben im April im Kabinett den Verträgen zugestimmt.
Andererseits ist da BSW-Fraktionschef Niels Olaf Lüders, der im Kabinett keinen Widerspruch anmeldete. Jüngst setzte Lüders dennoch eine Probeabstimmung in der Fraktion an – zeitgleich zur gemeinsamen Sitzung der Regierungen von Berlin und Brandenburg und damit in Abwesenheit der Minister. Das Ergebnis: neun Ja-Stimmen, drei Enthaltungen, ein Nein. Geschlossenheit sieht anders aus. Doch vor allem war die Abstimmung ein Affront gegen Crumbach.
Das Votum entsprach der Linie der neuen BSW-Landesvorsitzenden Friederike Benda. Sie will die Koalition bewahren, steht aber für klarere Kante. Sie ist eine Stellvertreterin von Sahra Wagenknecht im Bundesvorstand, der wiederum einen einstimmigen Beschluss für die Ablehnung der Staatsverträge fasste. Die scheidende Parteichefin Wagenknecht betonte, die Koalition in Brandenburg fortsetzen zu wollen – und bekräftigte das Nein zu den Verträgen.
Hintergrund ist, dass die Bundespartei – nach dem verfehlten Einzug in den Bundestag und dem aktuellen Rückzug von Sahra Wagenknecht vom Bundesvorsitz – vor dem Bundesparteitag in Magdeburg Anfang Dezember um Profil und Glaubwürdigkeit ringt. Der Druck der Bundesspitze und von Hardlinern in den eigenen Reihen sorgt für Friktionen in der Landtagsfraktion. Es ist der von den Linken bekannte Ur-Konflikt zwischen Regieren und Opponieren.
Risiken für SPD-Ministerpräsident Woidke
Für Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), seit 2013 im Amt, kann das Ganze gefährlich werden. Die Stimmung in der SPD ist schwierig. Die Partei verharrt in Umfragen abgeschlagen hinter der AfD. Gerade erst verlor die SPD durch dilettantisches Agieren – etwa mit dem Verzicht auf eine Kandidatur aus den eigenen Reihen und mit fundamentalen Fehleinschätzungen der Stimmung in Potsdam nach 35 Jahren – das Oberbürgermeisteramt in der Landeshauptstadt. Woidke steht in seiner Partei unter Druck, sich vom BSW nicht alles bieten zu lassen. Erst jüngst hatte das BSW Russlands Botschafter im Landtag auftreten lassen.
Der Regierungschef sieht den Konflikt um den Medienstaatsvertrag, der mit dem angekündigten Ja der CDU – auch bei fehlenden BSW-Stimmen – im Landtag beschlossen wird, gelassener als seine Parteifreunde. Für Woidke hat Vorrang, dass die BSW-Minister in der Regierung bisher einen soliden Job machen.
Und doch dürfte auch Woidke nicht vergessen haben, welche Eigendynamik schon die Affäre um den Verfassungsschutz entwickelt hatte, die zum Rücktritt von Ex-Innenministerin Katrin Lange, seiner damaligen Kronprinzessin, führte. Er selbst hat klargemacht, dass er bis 2029 regieren will. Er muss auch diesmal aufpassen, das Heft des Handelns in der Hand zu halten – mit Blick auf die eigenen Reihen.
Chance für Rot-Schwarz in Brandenburg?
Dass die SPD/BSW-Koalition Ende November über die Medienstaatsverträge zerbrechen wird, ist unwahrscheinlich. Und zwar, weil niemand der Brandenburger Bevölkerung den Grund für das Aus plausibel erklären könnte. Eine Gewähr, dass Rot-Lila hält, gibt es dennoch nicht. Zudem verdichten sich Hinweise, dass ein oder sogar zwei BSW-Landtagsabgeordnete über einen Wechsel in die SPD-Fraktion nachdenken. Wenn sich das bestätigen sollte, wäre die Wagenknecht-Partei plötzlich nicht mehr die einzige Machtoption für Woidkes SPD.
Noch ist das SPD/BSW-Bündnis im Landtag (ohne die AfD) rechnerisch das einzig mögliche, das eine eigene Mehrheit hat. Mit 32 SPD-Abgeordneten und 14 BSW-Abgeordneten sind es zwei Stimmen mehr als nötig. Die CDU hat zwölf Abgeordnete, womit Rot-Schwarz bisher auf 44 Stimmen käme. Das reicht bisher nur für ein Patt und damit eine Minderheitsregierung.
Sollte die SPD-Fraktion nur um mindestens ein Mitglied verstärkt werden, wären die Mehrheitsverhältnisse im Landtag anders. Dann wäre Rot-Schwarz in Brandenburg möglich. Das kann zu einem Koalitionswechsel führen – oder auch zu einem zahmeren BSW in der SPD/BSW-Regierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke. So oder so, Brandenburg steht vor spannenden Wochen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false