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Kohlendioxid-Speicher: Schwarz-Gelb droht Schlappe bei CCS-Gesetz
Die Länder lehnen bei einer Probeabstimmung im Bundesrat den CCS-Gesetzentwurf wegen Haftungsfragen ab und könnten nächste Woche den Vermittlungsausschuss anrufen. Brandenburgs rot-rote Landesregierung wittert Chancen, die Länderklausel zum Endlager-Ausstieg noch kippen zu können.
- Matthias Matern
- Alexander Fröhlich
Stand:
Berlin/Potsdam - Lange wurde an dem Entwurf gefeilt, nun droht die schwarz-gelbe Bundesregierung doch noch mit ihrem umstrittenen, vom Bundestag verabschiedeten CCS–Gesetz zu scheitern. Einem internen Protokoll zufolge, dass den PNN vorliegt, will eine Mehrheit von zehn Bundesländern am Freitag nächster Woche im Bundesrat dem Gesetzentwurf für unterirdische Speicher für Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken nicht zustimmen und den Vermittlungsausschuss anrufen. Das ergab eine Testabstimmung am vergangenen Donnerstag im vertraulich tagenden Umweltausschuss der Länderkammer. Gegen den Gesetzesentwurf zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid votierten demnach Brandenburg, Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Enthaltungen, die wie Nein-Stimmen gewertet werden, kamen von Hamburg, dem Saarland und Sachsen-Anhalt. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz schwanken zwischen Ablehnung und Enthaltung. Sollte es bei dem Ergebnis bleiben, dürften maximal 28 von 69 Stimmen für den Entwurf zusammenkommen.
Aus der Sicht Brandenburgs wäre das Scheitern des schwarz-gelben Entwurfs ein Etappensieg. Mehrfach hatten Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) und Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) versucht, eine ausreichend große Länder-Allianz gegen die Vorlage zu schmieden. Vor allem die sogenannte Länderklausel, die es einzelnen Ländern ermöglicht, Projekte für CCS (Carbon Capture and Storage) und CO2-Speicher auf ihrem Territorium gänzlich zu verbieten, will Brandenburg aus dem Entwurf gestrichen haben. In die Vorlage geschrieben wurde die Länderklausel auf Drängen der CCS-Gegnerländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern bereits im Ausschuss ihre Zustimmung signalisiert haben. In den drei Ländern befinden sich die größten geologischen Speicherformationen im Untergrund.
In Jänschwalde (Spree-Neiße) plant der schwedische Staatskonzern Vattenfall den Bau des deutschlandweit einzigen CCS-Demonstrationskraftwerks. Das abgeschiedene CO2 aus der dortigen Braunkohleverstromung soll dann in Ostbrandenburg unterirdisch gelagert werden, wogegen es massiven Widerstand in der Bevölkerung gibt. Sowohl Platzeck und Christoffers hatten immer wieder versichert, die Anlage nicht genehmigen zu lassen, sollten andere Länder CCS kategorisch ausschließen können. Ein „Alleingang Brandenburgs“ wäre den Betroffenen in den potenziellen brandenburgischen Speicherregionen nicht vermittelbar. Auch Vattenfall hatte bereits angekündigt, das Vorhaben zu streichen, sollte der Entwurf in vorliegender Version zum Gesetz werden.
Noch bis vor Kurzem sah es auch so aus, als würde die Vorlage inklusive Länderklausel im Bundesrat verabschiedet werden. Nun könnte sich Raum für neue Verhandlungen bieten. Im Potsdamer Wirtschaftsministerium jedoch gab man sich am Dienstag zurückhaltend. „Solche Abstimmungen in den Ausschüssen sind vor Bundesratssitzungen üblich. Es kommt aber immer wieder vor, dass die Entscheidung später anders ausfällt“, sagte Ministeriumssprecher Steffen Streu. Das Votum vom Donnerstag wolle er deshalb lieber nicht kommentieren.
Tatsächlich verfolgen die Gegner des schwarz-gelben Entwurfs nicht dasselbe Ziel. So begründen etwa die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ihre Ablehnung des Entwurfs mit der befürchteten juristischen Anfechtbarkeit der Länderklausel und fordern eine noch schärfere Regelung. Bremen und Nordrhein-Westfalen kritisieren in einem weiteren gemeinsamen Antrag mit den beiden Südländern, dass der Entwurf „unmittelbar großtechnische Umsetzung“ ermögliche, ohne die Risiken der Technologie und die gesellschaftliche Akzeptanz ausreichend zu berücksichtigen.
Die breite Front der Länder bei der Probeabstimmung kam aber nur wegen einer Klausel zustande, die sie zwingen könnte, 30 Jahre nach Stilllegung der Kohlendioxid-Endlager die Haftung vom Betreiber zu übernehmen. „Auf Grund der Erprobung der neuen Technologie ist eine verlässliche Einschätzung noch nicht möglich“, heißt es zu Begründung.
Diese Kritik teilt auch Brandenburg. Mit der Forderung, die Länderklausel ganz abzuschaffen, steht das Land aber fast allein da. Wie berichtet will Brandenburg im Bundesrat Ende nächster Woche einen entsprechenden Antrag einbringen. Im Umweltausschuss habe sich dem aber lediglich Hamburg angeschlossen und gegen die Klausel ausgesprochen, hieß es.
Das FDP-geführte Bundeswirtschaftsministerium beharrt trotz aller Bedenken und trotz klarer Aussagen des CDU-geführten Bundesumweltministeriums zur Länderklausel, die den Ausschluss ganzer Landesgebiete ermöglicht, darauf, dass „ein geeigneter Rechtsrahmen“ geschaffen wurde. Auch Vattenfalls CCS-Kraftwerk in Jänschwalde hält das Wirtschaftsressort weiter für möglich. Der Energieexperte der Grüne-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, sagte den PNN, die Bundesregierung streite sich über eine risikoreiche Technologie, die frühestens 2025 einsatzbereit sei. Bis dahin werde Strom längst weitaus günstiger aus Erneuerbarer Energie als aus CCS-Kraftwerken erzeugt.
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