Brandenburg: Schwieriges Erbe
Bis zum 30. September 2011 zieht die Bundeswehr vom Bombodrom ab. Was danach mit dem Gelände passiert, ist unklar: Bund und Land streiten
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Wittstock - Neuer Plan – neuer Ärger? Der Bund will das Areal des sogenannten Bombodroms bei Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) in das „Nationale Naturerbe“ aufnehmen – und das bedroht das Vorhaben des Landes Brandenburg, das 12 000 Hektar große, einstige Militärareal auf für die Nutzung erneuerbarer Energien zu öffnen.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat der Bundesregierung nun einen konkreten Handlungsauftrag zur Übertragung erteilt, die Zustimmung des Parlaments gilt als sicher. „Bis zum 30. Juni 2011 muss dann Bericht erstattet werden“, sagte der mecklenburgische CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg am Freitag in Berlin. Mit diesem Beschluss werde „der Weg für eine sinnvolle Nachnutzung des ehemaligen Truppenübungsplatzes geebnet“, meint der Mecklenburger.
In Brandenburg wird das anders gesehen: Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) erklärte am Freitag bei einer gemeinsamen Sitzung der Wirtschaftsausschüsse der Landtage von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in Wittstock, es gebe ein starkes Interesse an der teilweisen Nutzung des sogenannten Bombodroms für Wind- und Solaranlagen. Die Strategen der rot-roten Regierungskoalition in Potsdam versprechen sich davon, das ehrgeizige Ausbauziel bei erneuerbaren Energien besser erreichen und damit auch die Beräumung der extrem mit Munition belasteten Fläche finanzieren zu können. Der Status als Naturerbe würde derartige Pläne aber unmöglich machen, hieß es.
Auch Vertreter von Naturschutzverbänden reagierten überrascht auf die Entscheidung im Bundestag. Die brandenburgische Linke-Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann sprach über eine „Nacht- und Nebelaktion über die Köpfe der Menschen in der Region hinweg“.
Nach PNN-Informationen geht es der schwarz-gelben Koalition im Bund um neue Einnahmequellen. Denn der frühere Luft-Boden-Schießplatz der Sowjets kommt dem Bund vor allem zupass, um ein Abkommen mit Naturschutzverbänden einhalten zu können. Mit denen hatte sich der Bund geeinigt, bundesweit 125 000 Hektar in „Nationales Naturerbe“ umzuwandeln. Mit der Heide bei Wittstock, die die Bundeswehr laut Gerichtsbeschlüssen nicht wie geplant als Luft-Bodenübungsplatz nutzen darf, ist dies besonders einfach: Sie gehört dem Bund, es gibt keine Nutzer und sie lässt sich nicht vermarkten – ist also so gut wie wertlos.
Bis zur Pleite der Bundeswehr beim Versuch, das Bombodrom nutzen zu können, hatte der Bund andere, wertvollere Flächen für das Nationale Naturerbe vorgesehen. Die Kyritz-Ruppiner-Heide sollte – wenn überhaupt – zusätzlich zu den vereinbarten 125 000 Hektar umgewidmet werden. Nun ist die Heide einfach hineingerechnet worden. Wertvollere Flächen aus seinem Eigentum in Ostdeutschland, die bislang als Naturerbe vorgesehen waren, sind dafür von der Liste gestrichen worden. Sie sollen verkauft werden, hieß es von Naturschützern und aus Kreisen der brandenburgischen Landesregierung.
Egal, wie der Streit um die Widmung des Bombodroms ausgeht: Der Übergang von der militärischen zur zivilen Nutzung ist eingeleitet und terminiert: Die Bundeswehr wird sich nach dem von Bürgerinitiativen und Kommunen erzwungenen Verzicht auf eine militärische Nutzung bis zum 30. September 2011 vom früheren Truppenübungsplatz zurückziehen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) übernimmt das große Areal. Das brandenburgische Wirtschaftsministerium stellt für 2011 rund 40 000 Euro für die Erarbeitung eines Nutzungskonzepts bereit. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Landtages, Reinhold Dellmann (SPD), sagte den PNN: „Wir werden alle zusammen einen langen Atem brauchen.“ Eine komplette Munitions-Beräumung würde mehrere Hundert Millionen Euro kosten. „Das ist volkswirtschaftlich nicht leistbar“, sagte er. Es werde weiterhin Zonen geben, die auch in zehn oder zwanzig Jahren nicht zu betreten sein werden, so Dellmann. Im ersten Quartal will die Bima eine Studie zur Munitionsbelastung des am stärksten mit Munition verseuchten Truppenübungsplatzes in Brandenburg vorlegen.
Bereits in der vergangenen Woche hatte sich in der Potsdamer Staatskanzlei eine Lenkungsgruppe zur Konversion der Heide gegründet. Diese soll in Kooperation mit den lokalen Akteuren ein Konzept für die Heide entwickeln. Die Bima will die Heidelandschaft auf einzelnen sicheren Wegen zugänglich machen. Allerdings fühlt sich der Landkreis überfordert. Denn mit der Übernahme an die Bima ist das Landratsamt von Ostprignitz-Ruppin für das Sicherungskonzept zuständig. Ralf Reinhardt (parteilos) forderte daher vom Land ein Sonderprogramm.Alexander Fröhlich
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