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Ex-FDP-Fraktionschef bald Genosse in Brandenburg: Seitenwechsel: Vom Liberalen zum Linken

Update: Vor einem Jahr scheiterte er als Spitzenkandidat und mit ihm die FDP am Wiedereinzug in den Landtag Brandenburg. Nun wechselt Andreas Büttner das Parteibuch. Über die Gründe.

Stand:

Potsdam - Ein Jahr nach dem Debakel der FDP bei der Landtagswahl 2014 in Brandenburg wechselt deren damaliger Spitzenkandidat und Landes-Vizechef die Seiten. Andreas Büttner, der bis zum Ausscheiden aus dem Landesparlament FDP-Fraktionschef war, tritt nun zu den Linken über. Am Freitagvormittag will Büttner seine Gründe dafür bei einer Pressekonferenz in Templin verkünden.

Büttner haderte zunehmend mit der FDP

Nach PNN-Informationen gab es im Vorfeld hinter den Kulissen über Monate Gespräche und Verhandlungen zu dem Parteiübertritt mit den Linken. Büttner haderte zunehmend mit der Ausrichtung seiner Partei. Besonders in der Bildungs- und Sozialpolitik, die auch seine Schwerpunkte im Landtag waren, fühlt er sich bei den Linken weitaus besser aufgehoben, wie es hieß. Die politische Agenda der Brandenburger Linken in der Bildungspolitik halte Büttner für fortschrittlicher als die der Liberalen.

Politisch ist Büttner, der wieder als Polizeibeamter in Berlin arbeitet, derzeit noch in seiner Heimatstadt Templin (Uckermark) aktiv. Für die FDP hält er ein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung und ist dort Vorsitzender des Sozial- und Bildungsausschusses. Von der FDP ist in Templin ohne nicht mehr viel übrig. Ende 2012 traten zahlreiche, teils nationalliberale Mitglieder im Streit mit der Landesführung um Büttner und Beyer aus – einige sind bei der rechtspopulistischen AfD gelandet. 

Grabenkämpfe bei den Liberalen beförderten den Wechsel zur Linken

Die Überlegungen für Büttners Wechsel zur Linken waren zudem durch Grabenkämpfe innerhalb der FDP befördert worden. Dabei geht es um den Umgang der Liberalen mit ihrem früheren Landes-Vize. Bei der Landes-FDP würde versucht, Büttners Spuren, Hinterlassenschaften, ob Erfolge oder Niederlagen, nach und nach komplett zu löschen, hieß es. Büttner war in der FDP die Schuld für den gescheiterten Wiedereinzug in den Landtag angelastet worden.

Büttner hatte nach dem Wahldebakel gemeinsam mit dem damaligen Landeschef Gregor Beyer seinen Rücktritt erklärt. Allerdings hatten sich beide in der Landes-FDP auch viele Feinde gemacht – etwa indem anderes Führungspersonal konsequent in Landtagsfraktion und Landespartei von entscheidenden Posten verdrängt wurde. Massive Kritik gab es auch an ihrem Landtagswahlkampf, bei dem sie mit ironischen Sprüchen wie „Keine Sau braucht die FDP“ versuchten, den bundesweiten Niedergang der Liberalen in Brandenburg aufzuhalten. 

Keinen "Brandenburgischen Liberalismus"

„Leider konnten wir auch in Brandenburg nicht unserem Anspruch genügen und einen deutlich sichtbaren und eigenständigen Weg eines 'Brandenburgischen Liberalismus' etablieren“, hatte  Andreas Büttner nach der Landtagswahl gesagt. In seiner Amtszeit hatte er angesichts der anhaltenden Niederlagen und der breiten Kritik am neoliberalen Kurs der FDP auf einen „mitfühlenden Liberalismus“ gesetzt. Innerhalb der Liberalen wurde er deshalb als Linker eingeordnet. 

Update: Die Persönliche Erklärung von Andreas Büttner über seine Motivation, die Partei zu wechseln

Jeder Mensch wird durch seine Erfahrungen geprägt. In den vergangenen Monaten habe ich sehr viele Erfahrungen gemacht, die meine persönlichen Einstellungen verändert haben. Sie sind durch äußere Einflüsse und durch persönliche Erlebnisse in einer Art und Weise verändert worden, die ich mir vor einem Jahr nicht vorstellen konnte. Ich bin ein politisch denkender Mensch, und deshalb muss ich Konsequenzen aus meinem veränderten Denken ziehen. Alles andere würde mich persönlich unglaubwürdig machen. Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht, aber ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten viel nachgedacht und bin zu der Überzeugung gekommen, dass meine Wertvorstellungen am ehesten von der Partei DIE LINKE vertreten werden. Aus diesem Grund habe ich entschieden, die FDP zu verlassen und der Partei DIE LINKE beizutreten. Ich möchte die Gründe, die insbesondere zu der Entscheidung geführt haben, gerne begründen:

1. Ich glaube an ein solidarisches Europa Der europäische Gedanke war mir von jeher ein wichtiges Anliegen. Wenn wir aber ein gemeinsames Europa wollen, dann muss die Nationalstaatlichkeit überwunden werden. Das bedeutet auch, dass es gemeinsame Wirtschafts- und Sozialstandards in Europa braucht. Diese gemeinsamen Wirtschafts- und Sozialstandards sind bisher nicht umgesetzt und es hat sich in dramatischer Weise in der Griechenland-Krise gezeigt, dass dies falsch ist. Inder Griechenland-Krise haben wir gesehen, dass Banken in der europäischen Politik aktuell wichtiger sind als Menschen. Ich frage mich, wie es sein kann, dass wir es zulassen, dass Banken so wichtig werden, dass sie systemrelevant sind. Ein solidarisches Europa zielt in erster Linie auf gute Lebensbedingungen für die Menschen ab. Diese müssen im Mittelpunkt des Handelns europäischer Politik stehen, nicht die wirtschaftlichen und finanziellen Interessen von Banken und Konzernen. In Griechenland hat man die Banken gerettet, keine Investitionsanreize gesetzt und die schwachen Schultern noch stärker belastet. Das ist nicht das Europa, das ich will. Die glaubwürdigere Politik hat hier die griechische Syriza-Partei und in Deutschland DIE LINKE vertreten.

2. Ich glaube an das Grundrecht auf Asyl Das Grundrecht auf Asyl bedeutet, das individuelle Recht für jede und jeden zu sichern, Schutz vor Verfolgung, Krieg, Elend und Not zu finden. Eine humanistische Flüchtlingspolitik kennt keine „Obergrenzen“. Siekenntauchkeine sicheren Herkunftsstaaten. Andere Parteien fordern gar, dass man den Kosovo als sicheres Herkunftsland ansieht obwohl die gleichen Parteien den Bundeswehreinsatz im Kosovo jedes Jahr mit der Unsicherheit der Situation begründen. Grundgedanken Europas sind Freizügigkeit und offene Grenzen. Die europäische Politik verabschiedet sich gerade immer mehr von diesem identitätsstiftenden Element. In der Frage der Flüchtlingspolitik brauchen wir endlich Integration durch Sprache und Integration in Bildung und Arbeitsmarkt. So können wir die Flüchtlingssituation bewältigen und den Flüchtlingen eine Lebensperspektive bieten. Sie sollen in die Lage versetzt werden, selber ihr Geld zu verdienen. Deswegen müssen diskriminierende Sonderregelungen bei Gesundheitsleistungen oder beim Zugang zu Arbeit und Wohnung abgeschafft werden. Ich möchte, dass der Westbalkan künftig in die Entwicklungspolitik der Bundesregierung einbezogen und damit verhindert wird, dass diese Staaten das Armenhaus Europas werden. In der aktuellen Situation hat nur DIE LINKE für mich die praktikablen Lösungen. Das sieht man auch in der Arbeit des thüringischen Ministerpräsidenten.

3. Ich halte die gegenwärtige Verteilung von Vermögen für ungerecht Wenn Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden, stimmt etwas nicht in der Gesellschaft. Aktuell besitzen 3 % der Bevölkerung 40 % des Gesamtvermögens. Gleichzeitig gibt es Kinder, deren Eltern ihnen nicht einmal täglich ein warmes Mittagessen in der Schule sichern können. Eine solidarische Gesellschaft sorgt hier für Ausgleich. Deswegen ist eine Vermögenssteuer und eine Erhöhung der Einkommenssteuer im oberen Bereich notwendig, um niedrigere und mittlere Einkommen entlasten zu können. Deswegen halte ich einen Spitzensteuersatz wie unter der CDU/FDP-Regierung in den 1980er Jahren für den richtigen Weg. Ich glaube auch, dass das Ehegattensplitting zu Gunsten eines Familienrealsplittings abgeschafft werden muss. Ich bin davon überzeugt, dass die wirtschaftlichen Risiken auch von Unternehmen, auch von Banken getragen werden müssen. Immer mehr erleben wir, dass Großkonzerne und Banken ihre Gewinne privatisieren und ihre Verluste vergesellschaftlichen. Das ist nicht hinnehmbar in einer sozialen Marktwirtschaft.

4. Ich glaube an das Soziale in der sozialen Marktwirtschaft Jeder Mensch kann im Laufe seines Arbeitslebens unverschuldet arbeitslos werden. Bereits nach 12 Monaten rutschen diese Menschen auf ein finanzielles Niveau, welches es für sie schwierig macht, ihre persönlichen Verpflichtungen weiter zu leisten und ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Hinzu kommt jedoch, dass diese Menschen, die teilweise jahrelang in die sozialen Sicherungssysteme eingezahlt haben, nun auch noch einen unwürdigen Prozess durchmachen müssen, um ihr Geld zu beantragen. Dieses Schauspiel halte ich für grundfalsch. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Solidarität nicht nur in Sonntagsreden verwenden dürfen. Solidarität bedeutet eben auch, dass Menschen füreinander einstehen. Dies soll sich gerade in den sozialen Sicherungssystemen widerspiegeln. Wir benötigen eine solidarische Versicherung für alle. In den vergangenen Monaten musste ich persönlich feststellen, dass Kinder mit Behinderungen und Menschen, die ihr Leben lang in die sozialen Sicherungssysteme eingezahlt haben, bei einer schweren Krankheit und Pflegebedürftigkeit die notwendigen Leistungen nicht oder viel zu spät erhalten. Das ist nicht sozial, das ist asozial. Ich möchte eine soziale Marktwirtschaft, keine asoziale Marktwirtschaft, wo der Markt über den Bedürfnissen der Menschen steht.

5. Ich glaube an längeres gemeinsames Lernen Kinder, die länger gemeinsam lernen, haben die Chance auf eine gute soziale Entwicklung, da sie mit ganz unterschiedlichen Kindern zusammen sind. Deswegen fordere ich seit Jahren, dass wir Kinder gemeinsam länger lernen lassen. Meine Forderungen waren unter anderem ein Schulcampus, mehr Gesamtschulen oder den Ausbau der Oberschulen mit einer gymnasialen Oberstufe. Ich bin nicht nur aus demographischen sondern insbesondere auch aus inhaltlichen Gründen von einem längeren gemeinsamen Lernen überzeugt. Auch im Rahmen der Inklusion wird das nicht anders möglich sein. Mir ist Inklusion ein wichtiges Thema, welches Politik dringend begleiten muss. Meine Vorstellungen in diesem Politikbereich sind deckungsgleich mit denen der Partei DIE LINKE.

6. Ich glaube an die Notwendigkeit der kommunalen Daseinsvorsorge Kommunale Versorger haben in den letzten Jahren hervorragende Arbeit in Brandenburg geleistet. Wasser, Strom, Wärme – all das sind Grundbedürfnisse der Menschen. Ich glaube, dass diese Grundbedürfnisse nicht aus der öffentlichen Hand gegeben werden sollten. In dem Zusammenhang müssen auch falsche Entscheidungen der vergangenen Jahre korrigiert werden. Wo immer möglich sollen diese Bereiche wieder in die Hände der Kommunen überführt werden. Dies sind einige Punkte, die es aus meiner Sicht erforderlich machen, die politischen Konsequenzen aus meinem Denken zu ziehen. Ich weiß, dass ich viele Menschen damit enttäusche. Insbesondere diejenigen, die mich über viele Jahre persönlich begleitet haben. Das ist nicht meine Absicht. Aber meine politischen Ansichten sind nicht mehr zu vertreten in meiner bisherigen Partei.

Andreas Büttner Templin, 16.10.2015

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