
© dapd
Rot-Schwarz in Berlin: Sticheleien statt Zusammenhalt
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit stellt die Ziele seiner großen Koalition vor / Von Harmonie ist bei SPD und CDU aber keine Rede.
Stand:
Berlin - Berlin soll sich zur „zukunftsfähigsten Metropole Europas“ mit einer starken Wirtschaft, fairen Löhnen, Toleranz und sozialem Zusammenhalt entwickeln, hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit in seiner Regierungserklärung betont. Nach der weitgehenden Überwindung der Ost-West-Spaltung in der Stadt gehe es in den kommenden fünf Jahren um den „weiteren wirtschaftlichen Aufschwung und um mehr und bessere Arbeitsplätze“, sagte Wowereit vor dem Berliner Abgeordnetenhaus am Donnerstag.
Grundlage der SPD-CDU-Koalition sei eine solide Finanzpolitik und spätestens 2016 ein Haushalt ohne Neuverschuldung. Der Regierende Bürgermeister nannte als wirtschaftliche Schwerpunkte den neuen Großflughafen, die Verlängerung der Autobahn A100 sowie einen störungsfreien S-Bahn-Verkehr. Zu den Protesten gegen den Flughafen sagte Wowereit, es sei das gute Recht von Betroffenen, ihre Rechte wahrzunehmen. Doch wenn die Routen festgelegt seien, „dann muss die Debatte auch beendet sein“.
Ein weiterer Schwerpunkt soll die Sicherheit sein. Wowereit betonte, der Senat werde sich nicht „von Populisten treiben lassen“. Neben der auf 48 Stunden verlängerten Speicherung von Videoaufnahmen im öffentlichen Nahverkehr soll es 250 zusätzliche Polizisten geben. Berlin stehe in der Verpflichtung, dass in der Stadt ein „Klima der Akzeptanz und des Respekts herrscht“. Deswegen befürworte der Senat ein Verbot der NPD. In der Bildung setzt Rot-Schwarz auf den Ausbau der frühkindlichen Erziehung mit mehr Kita-Plätzen und mehr Erziehern. Über Aufstiegschancen dürfe „nicht der Geldbeutel der Eltern entscheiden“, sagte Wowereit. Für den sozialen Frieden in einer „menschlichen Metropole“ seien zudem bezahlbare Mieten unverzichtbar. Um den Anstieg zu dämpfen, plant die Koalition den Bau von 30 000 Wohnungen.
In der Koalition selbst muss das Gefühl der Zusammengehörigkeit jedoch erst noch wachsen. SPD und CDU taten sich gestern schwer damit, politisch an einem Strang zu ziehen. Zwar wurden die Richtlinien der neuen Regierungspolitik am Ende ohne Gegenstimme oder Enthaltung angenommen. Dennoch zeigte sich in den Reden der Fraktionsvertreter deutlich, wie sehr SPD und CDU noch miteinander fremdeln. Vor allem der neue SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der dem linken Flügel seiner Partei angehört, machte aus seiner Distanz zur CDU keinen Hehl. Offen sprach er über seine anfängliche Skepsis gegenüber der Union, mit der man nach der Wahl im September Koalitionsgespräche nur aufgenommen habe, weil die Verhandlungen mit den Grünen gescheitert waren. Dann sei er aber positiv überrascht worden, auf wie viele SPD-Vorhaben sich die CDU eingelassen habe, vom Mindestlohn für öffentliche Aufträge bis zum Ziel der stärkeren öffentlichen Einflussnahme auf Unternehmen der Daseinsvorsorge. Saleh erhielt während seiner Rede wiederholt Beifall von seinen SPD-Kollegen – auf den CDU-Bänken regte sich jedoch kaum eine Hand. Vor allem als er seine Freude darüber ausdrückte, dass man mit der Koalitionsvereinbarung „neoliberalen Dogmen eine Absage erteilt“ habe, herrschte bei der CDU eisiges Schweigen, ebenso nach seiner Aussage, man habe „mit den Konservativen eine linke Politik verabredet“.
Widerworte bekam SPD-Frakionschef Saleh von seinem CDU-Amtskollegen Florian Graf. Man betreibe in der Koalition „keine linke oder rechte, sondern ideologiefreie und pragmatische Politik“, sagte Graf in Richtung SPD. „Die Bürger haben Rot-Rot und damit auch die linke Politik in Berlin beendet.“ Nach diesen auf den CDU-Bänken laut beklatschten Worten war Stille unter den Sozialdemokraten.
Die Opposition nutzte die spürbare Distanz als Vorlage zum Angriff. Linken-Fraktionschef Udo Wolf spottete darüber, wie Saleh „die CDU durch den Kakao zieht“. SPD und CDU hätten „kein gemeinsames Projekt“. Wolf warf der rot-schwarzen Koalition vor, viele Projekte aus der zehnjährigen Regierungsbeteiligung der Linken einfach übernommen zu haben. Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop hob ebenfalls auf die „internen Reibereien“ der Koalition ab und kritisierte, dass der Senat erst so lange gebraucht habe, seine Arbeit aufzunehmen und dann eine Regierungserklärung vorlege, der eine klare inhaltliche Linie fehle.
Auch die Personalauswahl kommentierte die Opposition mit Häme: Der zu Beginn der Parlamentssitzung vereidigte neue Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) wisse „als Werber am besten, wie man Verbrauchern etwas vormacht“, sagte Linken-Fraktionschef Wolf. Die Piraten kritisierten die Ankündigung des Senats, sich für ein kostenfreies Wlan-Netz innerhalb des S-Bahn-Ringes einsetzen zu wollen. Piraten-Fraktionschef Andreas Baum wollte vom Senat wissen, ob denn das Gebiet außerhalb des Rings nicht mehr zu Berlin gehöre.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: