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Von Alexander Fröhlich: Stolpe: Birthlers Vorwürfe sind unwahr
Früherer Ministerpräsident räumt aber Versäumnisse in den ersten Regierungsjahren ein
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Potsdam – Im Streit um den Versöhnungskurs von Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) gegenüber Stasi-belasteten Linkspolitikern hat der frühere Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) seinen damaligen Kurs im Umgang mit der DDR-Vergangenheit verteidigt. Den PNN sagte er: „Alle fünf Parteien im Brandenburger Landtag, Bündnis 90/Grüne, FDP, CDU, PDS und Sozialdemokraten, waren sich 1990 einig, dass es darum ging, sich als Land wieder zu finden. Brandenburg war als Begriff in der DDR tabuisiert.“ Ziel sei es gewesen, das sich die „Menschen an Brandenburg erinnern und sich auf die ökonomischen und sozialen Herausforderungen im wiedervereinigten Deutschland einstellen“ können. „Deshalb sollten alle, die gutwillig sind, ein Chance bekommen. Ich glaube auch heute, dass dies die richtige Herangehensweise war.“ Die Aufarbeitung der Geschichte sollte zwar nicht unterdrückt werden, „war aber für uns nicht Aufgabe Nummer eins“. Zudem warnte Stolpe davor, sich dabei auf die Stasi zu konzentrieren. „Die Macht lag bei den Spitzen der SED. Die haben sich nach 1990 sicherlich gefreut, dass sich alles so auf die Stasi fokussiert hat.“
Zugleich bezeichnete der 73-Jährige Vorwürfe der Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, als „unwahr“, sie sei als bündnisgrüne Bildungsministerin im Kabinett von ihm angewiesen worden, über seine Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zu schweigen. „Ich bin mit meiner Geschichte von selbst an die Öffentlichkeit gegangen. Ich habe nicht einmal die Erwartung von Loyalität in dieser Frage geäußert.“ Birthler dagegen hatte Stolpe vorgehalten, dieser habe seine jahrelange konspirative Zusammenarbeit mit der Stasi auf unerträgliche Weise verharmlost, aber von ihr als Ministerin Loyalität verlangt. Daher sei sie 1992 zurückgetreten. Zugleich übte Birthler Kritik an Platzecks „Versöhnungsprojekt“ mit der Nachfolgepartei der für Unterdrückung verantwortlichen SED.
Stolpe selbst räumte Versäumnisse in den ersten Regierungsjahren ein. „Die Entscheidung, keinen Landesbeauftragten für die Stasi zu schaffen, habe ich nicht veranlasst. Dieser Entschluss war aber sicherlich ein Fehler. Es sollte aber nichts unter den Tisch gekehrt werden.“ Der frühere parteilose Justizminister Hans-Otto Bräutigam sagte im Gespräch mit den PNN, die Entscheidung über einen Stasi-Beauftragten habe beim Landtag gelegen, der damalige Verzicht auf dieses Amt sei im Rückblick falsch. Zudem sei Stolpe vom Untersuchungsausschuss weitgehend von den Stasi-Vorwürfen entlastet worden.
Birthler hatte kritisiert, dass in Brandenburg „die notwendige Auseinandersetzung mit der Diktatur“ über viele Jahre vermieden worden sei, Stolpes Stasi-Belastung habe dabei eine zentrale Rolle gespielt. Die Grünen im Landtag werfen der SPD nun vor, aus den jüngsten Stasi-Debatten „nichts gelernt“ zu haben. Fraktionschef Axel Vogel sagte, „tragende SPD-Funktionäre“ würden „den unzureichenden Umgang mit der DDR-Vergangenheit“ unter Stolpe „ausblenden und damit der notwendigen Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte im Wege stehen“, dabei hätten sich die „Versäumnisse“ der Stolpe-Jahre überdeutlich herausgestellt. CDU-Landesvizechef Sven Petke sagte der SPD eine „schmerzhafte Aufarbeitung der Geschichte“ voraus - unter Einschluss von Stolpes Stasi-Kontakten. Platzeck habe mit Rot-Rot ein Modell „von gestern“ gewählt, betreibe „Geschichtsklitterung“ und mache „die Täter von einst salonfähig“. Petke: „Das ist ein Weg zurück zu Stolpes kleiner DDR.“
Nach dem Fehlstart der rot-roten Landesregierung durch Debatte um die Stasi-Verstrickungen von sieben Linke-Landtagsabgeordneten hatte Platzeck selbst Versäumnisse eingeräumt, weil es seit 1991 keine systematische Stasi-Überprüfung im Landtag gab. Zugleich verteidigte Platzeck mehrfach den Versöhnungskurs als schmerzlichen, aber für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtigen Prozess. Inzwischen gibt es in Brandenburg als letztem ostdeutschen Bundesland erstmals mit der früheren DDR-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe überhaupt eine Stasi-Landesbeauftragte. Das Gesetz zur Stasi-Überprüfung der Parlamentarier hat sich indes verzögert. Mitte nächster Woche werden auf CDU-Antrag Vertreter des thüringischen Landtags, Juristen und Experten der Stasiunterlagen-Behörde angehört.
Stolpe mahnte indes ein Nachdenken darüber an, „wie wir die doppelte Erinnerungskultur zur DDR überwinden“. Es gebe die offizielle Erinnerungskultur an die Schrecken der DDR und eine private. „Dabei wird vieles verharmlost und beschönigt. Ich wünsche mir, dass man über beide Erinnerungen offen reden kann. Das ist nach meinem Dafürhalten auch, was Ministerpräsident Platzeck will.“
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