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Brandenburg: Tempelhof abgeben? Pflüger: Sarrazins Idee abwegig

Finanzsenator will Berliner Flughafen dem Bund schenken / Haushälter im Bundestag: Vergiftetes Angebot

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Berlin - Das Angebot des Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD), den Flughafen Tempelhof komplett an den Bund abzugeben, ist auf Ablehnung und Unverständnis gestoßen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, Otto Fricke (FDP), sprach von einem „vergifteten Geschenk“. Erst habe der Senat durch die beschlossene Einstellung des Flugbetriebes im Oktober 2008 den wirtschaftlichen Wert der Immobilie gesenkt, dann wolle er sie „verhökern“. Das sei so, als biete man einen Acker zum Verkauf an, um ihn anschließend unter Naturschutz zu stellen. Gegenüber dieser Zeitung stellte Sarrazin gestern klar, dass er seinen Vorschlag durchaus sehr ernst meine.

Scharfe Kritik an der Offerte kam dagegen auch vom Berliner CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger, der die Idee als „atemberaubend daneben“ bezeichnete. Zu Sarrazins Äußerung vom Samstag, der Flughafen sei ein „ziemlich verdorbenes Filetstück, da schauen schon die Maden raus“, sagte Pflüger: „Man kann sich auch seine Prunkstücke schlechtreden. Tempelhof ist ein Juwel und kein Madenloch.“ Der Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gefährde durch den Schließungsbeschluss „die 200 Millionen für die Staatsoper, die wir schon sicher geglaubt haben“.

Der Berliner FDP-Fraktionschef Martin Lindner fragte: „Warum soll der Bund die Oper sanieren und die Polizei ausstaffieren, wenn ihm Berlin gleichzeitig so ein Ei ins Nest legt?“ Die zurzeit verhandelte Finanzierung der Hauptstadtkosten sei großenteils Kulanzsache; „da gibt es nicht viel Einklagbares. Demos beispielsweise gibt es auch anderswo“. Lindner machte die Rechnung auf, dass Berlin allein rund 15 Millionen Euro Zinsen pro Jahr zahlen müsste, wenn es die schätzungsweise 260 Millionen Euro teure Opernsanierung allein finanzieren sollte. Damit wären diese Kosten höher als die auf jährlich gut zehn Millionen Euro geschätzten Unterhaltskosten für den stillgelegten Flughafenkomplex.

Die rot-rote Koalition steht offenbar geschlossen hinter Wowereits Position, die Tempelhof-Frage habe mit Berlins Hauptstadtrolle nichts zu tun. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) bezeichnete die Forderung des Bundes nach Übernahme der Flughafenkosten durch Berlin und Gewinnbeteiligung im Falle eines späteren Verkaufs als „nicht wirklich sinnvoll“. Angesichts von Sarrazins Äußerung warnte er aber davor, zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen. Nach Wowereits Rückkehr aus New York werde der Senat sich wohl am Dienstag mit den festgefahrenen Verhandlungen befassen.

Linksfraktionschefin Carola Bluhm ist zwar ebenfalls nicht glücklich über Sarrazins Bemerkungen, zumal das Flughafengelände Teil eines Immobilienpakets aus dem früheren Reichsvermögen ist, dessen Rückgabe durch den Bund Berlin zurzeit vor dem Bundesverfassungsgericht einklagt. Bluhm forderte aber den Bund dazu auf, sich jetzt zu seiner Hauptstadt zu bekennen. Es gehe bei den Verhandlungen weniger um „ein Geschäft auf Gegenseitigkeit“, sondern um „wirklich berechtigte Forderungen“ Berlins.

Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Abgeordnetenhaus, sprach zwar ebenfalls von einem „unsittlichen Kopplungsgeschäft“ des Bundes, sieht das Hauptproblem aber im fehlenden Konzept des Landes für die Nachnutzung. Sollte der Bund das Grundstück komplett übernehmen und brachliegen lassen, wäre das fatal für Berlin.

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