Von Alexander Fröhlich: Überraschte Schweden
Der Staatskonzern Vattenfall hat keinen Plan B und Grünen-Abgeordnete sind entsetzt von Tagebauen
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Berlin – Der schwedische Energieriese Vattenfall hat keinen Alternativplan für den Fall des Scheiterns seiner in Brandenburg geplanten Kohlendioxid-Endlager. Das sagte Tuomo Hatakka, Vorstandschef von Vattenfall Europe, am Montag vor deutschen und schwedischen Grünen-Parlamentariern im Bundestag in Berlin. Eine Konzernsprecherin bestätigte: „Ein Ausweichprojekt gibt es nicht. Wir gehen fest davon aus, dass es in Deutschland ein handhabbares Gesetz geben wird.“
Tatsächlich lässt ein CCS-Gesetz, dass die Abscheidung undSpeicherung (Carbone Capture and Storage) regelt, seit 2009 auf sich warten, mehrere Kabinetts-Entwürfe landeten bereits im Papierkorb. Ein jüngst vonBundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) vorgelegtes Kompromisspapier stößt bei den Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Brandenburg auf Widerstand. Im Norden, weil Kiel die versprochene Ausstiegsklausel für die Länder nicht ausreicht. In Potsdam wird befürchtet, dass damit einzig in Brandenburg CO2-Endlager erkundet würden, weshalb das Kabinett von Matthias Platzeck (SPD) heute nochmals eindeutig Protest anmelden will.
Für die deutsche Tochter des schwedischen Staatskonzerns geht es aber um mehr als nur eine Investition von 1,2 Milliarden und 180Millionen Euro an EU-Fördergeldern für ein CCS-Demonstrationskraftwerk im südbrandenburgischen Jänschwalde, das ursprünglich bis 2015 betriebsbereit sein sollte. Tatsächlich soll der Gesamtkonzern nach der 2010 verkündeten Strategie ein CO2-Ausstoß bis 2020 von heute jährlichen 90 Millionen Tonnen auf 65Millionen Tonnen senken, bis 2050 sogar auf null. Klarer Schwerpunkt sind Erneuerbare Energien.
Wie Vattenfall das erreichen will, blieb bei den schwedischen Grüne-Reichstagsabgeordneten nach dem Gespräch mit Hatakka inBerlin schleierhaft. Zumal Vattenfall nach eigenen Statistiken in Deutschland mit seinen Kohlekraftwerken pro Jahr knapp 68 Millionen CO2 ausstößt, in Schweden selbst aber nur 0,5. „Die Emissionen in Deutschland sind deutlich größer als in Schweden. Das ist problematisch“, sagte Lisa Nordin, Energieexpertin der Grünen-Fraktion und Mitglied im Unternehmensausschuss des schwedischen Reichstags. Sie nannte Vattenfalls CCS-Strategie „riskant“, es sei völlig unklar, wie der Konzern die Klimaschutzziele angesichts der unklaren CCS-Lage erreichen wolle. Bei den in Sachen Klimaschutz äußerst sensiblen Schweden sei noch gar nicht angekommen, wie ihr Staatskonzern in Deutschland aufgestellt ist – mit klimaschädlichen Kohlekraftwerken und für Tagebaue weiträumig zerstörten Landschaften in Brandenburg und Sachsen, für die schließlich Schweden verantwortlich sei. „Die Leute werden aufgebracht sein, wenn sie davon erfahren“, sagte Nordin. „Vattenfall sollte doch eigentlich die treibende Kraft bei der Erneuerung des Energie-Sektors sein“, ergänzte die Umweltpolitikerin Åsa Romsson.
Hatakka habe aber ein Bekenntnis für Berlin und Brandenburg abgelegt, hieß es. In Berlin setze der Konzern auf „virtuelle Kraftwerke“, die schwankende Windstrommengen mit Kraft-Wärme-Kopplung ausgleichen. In Brandenburg sollen die Kraftwerke wie in Berlin verstärkt mit Biomasse – angeliefert auch aus Übersee – befeuert werden. Für die Klimaschutz-Ziele wolle Vattenfall zudem Kraftwerke abstoßen. In Rostock ist der 25-Prozent-Anteil an einem Steinkohlekraftwerk bereits verkauft. Auch die wegen des Steinkohle-Stroms problematische Polen- Sparte wolle der Konzern loswerden. Brandenburgs Grüne fürchten, Vattenfall könne sich beim Scheitern des CCS-Projekts auch schnell aus der Mark verabschieden – ohne sanften Umbau.
Die beiden Grüne-Abgeordneten aus Schweden besuchen am heutigen Dienstag in der Lausitz Tagebaue sowie die Stadt Beeskow in Ostbrandenburg, wo der Konzern ein CO2-Endlager plant.
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