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Brandenburg: Verfassungsschutz: Mehr militante Neonazis
Kameradschaften in Brandenburg verzeichnen nach Einschätzung des Inlandgeheimdienstes starken Zulauf. Land bleibt Hochburg rechter Musik
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Potsdam - In Brandenburg wächst die organisierte Neonazi-Szene, während die NPD beinahe kollabiert. Und mit der neu gegründeten Partei „Die Rechte“ auch noch Konkurrenz bekommt. Das geht aus dem Verfassungsschutzschutzbericht hervor, den Innenminister Dietmar Woidke (SPD) und die scheidende Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber am Mittwoch in Potsdam vorstellten. Danach ist das rechtsextreme Potenzial in Brandenburg mit 1140 Personen, 10 weniger als 2011, zwar weitgehend stabil geblieben. Von einer Entwarnung könne aber keine Rede sein. Denn die seit einigen Jahren spürbaren „dramatischen Verschiebungen innerhalb der rechtsextremen Szene“ haben sich fortgesetzt.
Als „besorgniserregenden Befund“ bezeichnete es Woidke, dass die militante Neonazi-Szene, die sogenannten Neonationalsozialisten mit 430 Aktivisten – 20 mehr als im Vorjahr – erstmals stärkstes Segment im brandenburgischen Rechtsextremismus sind, zu denen Kameradschaften und „Freie Kräfte“ zählen. Derzeit sind nach Erkenntnissen des Inlandgeheimdienstes im Land sieben solcher Gruppierungen aktiv. Seit 2005 waren fünf vom Innenministerium verboten worden, zuletzt 2012 die „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“. Zwar gingen danach die Aktivitäten insgesamt zurück, mit Ausnahme der Stadt Spremberg, die eine Hochburg bleibt. „Neonationalsozialisten haben sich insbesondere im Süden Brandenburgs zu einer Herzkammer des brandenburgischen Rechtsextremismus entwickelt“, sagte Schreiber. Sie nutzten neueste Formen der Propaganda, Kommunikation, Organisation, hochprofessionell gefertigte Videos, Internetauftritte, Kampfsportveranstaltungen, Spontankundgebungen, eine konspirative Binnenkommunikation, eigene Kampagnen, die inzwischen „über Brandenburg hinaus im gesamten deutschsprachigen Raum bis in die Schweiz kopiert werden und als Vorbild gelten“. Im Süden Brandenburg zeige sich auch, wie sich inzwischen verschiedene gewaltaffine Szenen und Rechtsextremismus miteinander verweben, warnte Schreiber, Kampfsport, Fußball-Holligans – etwa im Zusammenhang mit „Energie Cottbus“ und den Rockern. Auffällig sei nach wie vor, dass Neonazis regelmäßig im Sicherheitsgewerbe tätig sind. Auch bei Hassmusik und rechtsradikalen Bands bleibt Brandenburg – trotz vieler Verbote, Indizierungen und aufgelöster Konzerte – mit 24 Hass-Bands eine Hochburg. Nur in Sachsen gibt es mehr.
In diesem Zusammenhang wirft die Landtagswahl 2014 bereits ihre Schatten voraus. Die NPD werde auch in Brandenburg erneut versuchen, in den Landtag einzuziehen. Sie habe es vor allem auf Erst- und Jungwähler abgesehen, sagte Schreiber, da 2014 erstmals Jugendliche ab 16 Jahren an der Wahl teilnehmen dürfen. Zwar stoßen nach Erkenntnissen des Verfassungschutzes die Versuche der NPD, ihre Strukturen auszudehnen, an personelle, finanzielle und organisatorische Grenzen. Und mit ihren 320 Mitgliedern könne sie in Brandenburg auch keinen Wahlkampf führen. Doch werde die NPD im Neonazi–Spektrum Unterstützung suchen. „Ohne Fußvolk geht es nicht“, sagte Schreiber. Zu einem Wahlkampf, wie ihn einst die inzwischen aufgelöste Deutschen Volksunion (DVU) geführt habe, die von 2004 bis 2009 im Landtag war, sei die NPD aber laut Woidke ohnehin „nicht fähig“.
Im Blick hat der Verfassungsschutz aber auch Extremismus auf der anderen Seite: Zur linksextremen Szene im Land werden 530 Personen gezählt, sie ist damit nicht einmal halb so groß wie die Rechten. Auch sie sei gewaltbereit, gegen Vertreter des Staates, oft gegen Polizisten. Doch es gebe einen „qualitativen Unterschied“, sagte der Minister. „Von dieser Gruppe wurde in Brandenburg noch nie ein Mensch getötet.“ Auf das Konto rechtsextremer, fremdenfeindlicher Gewalt gehen inzwischen 32 Todesopfer.
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