zum Hauptinhalt

Wahlkreise in Brandenburg: Verordnete Wählerwanderung

Brandenburgs Bundestagswahlkreise werden zur nächsten Bundestagswahl 2017 neu zugeschnitten, das betrifft auch die Gemeinde Michendorf. Sie wandert nach Westen.

Stand:

Potsdam - Im Land Brandenburg wird es vor der nächsten Bundestagswahl 2017 einen Neuzuschnitt von Bundestagswahlkreisen geben. Nach PNN-Recherchen sind davon die Gemeinde Michendorf südlich von Potsdam, die Stadt Nauen und das Amt Nennhausen im Havelland sowie die Gemeinden Wandlitz und Biesenthal nordöstlich von Berlin betroffen. Es sind damit vorwiegend Kommunen im einwohnerstarken Speckgürtel, die nach den aktuellen Empfehlungen der unabhängigen Wahlkreiskommission für den Bundestag nun Nachbarwahlkreisen zugeschlagen werden sollen, die wegen der demografischen Entwicklung massiv Einwohner verlieren. Insgesamt behält das Land Brandenburg aber zehn Wahlkreise. Es gilt als sicher, dass der Bundestag den Empfehlungen folgt.

Die Kommission, die vom Bundeswahlleiter und Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, geleitet wurde, hatte im Februar dem Bundestag ihren Abschlussbericht dieser Legislatur vorgelegt. Sie untersucht jeweils zwischen den Bundestagswahlen, ob wegen der Bevölkerungsentwicklung Veränderungen bei den 299 deutschen Wahlkreisen, in denen im Schnitt die Bevölkerung gleich sein soll, nötig sind. Danach soll, so das Richtkriterium, die Bevölkerung eines Wahlkreises nicht mehr als 15 Prozent – nach oben oder unten – vom Bundesschnitt abweichen. Ist die Abweichung größer als 25 Prozent, muss zwingend eine Neuabgrenzung erfolgen.

Bevölkerungsentwicklung zwingt zum Handeln

Für Brandenburg sieht der Bericht (Bundestagsdrucksache 18/3980), aus dem nun ein Gesetz erarbeitet wird, angesichts der inhomogenen Bevölkerungsentwicklung Handlungsbedarf. So verstoßen aktuell sechs der zehn Wahlkreise gegen die Soll-Grenze, einer zwingend. So verfehlt die Prignitz (WK 56) den Schnitt um minus 24,9 Prozent, die Uckermark (WK 57) sogar um minus 26,3 Prozent. Dagegen haben Speckgürtel-Regionen, wie im Havelland der Wahlkreis 58, zu dem Falkensee als am schnellsten wachsende Stadt im Land gehört, eine Abweichung von 20,9 Prozent gegenüber dem bundesweiten Richtwert. Der Potsdamer Wahlkreis 61 (Potsdam, Potsdam-Mittelmark II, Teltow-Fläming II), zu dem Michendorf gehört, liegt bereits 19,7 Prozent über der Grenze. Zur Bundestagswahl 2017 wäre auch hier die Abweichung größer als 25 Prozent, so der Bericht.

Die von der Kommission empfohlene „Minimalvariante“, um die Wahlkreise in Brandenburg wieder auszutarieren, sieht so aus: Die Uckermark (WK 58) wird um Wandlitz und Biesenthal gestärkt. Um der Prignitz (WK 56) Wähler zuzuführen, werden die Stadt Nauen (16244 Einwohner, bislang Wahlkreis 58, Oberhavel) und, weil das nicht reicht, noch das Amt Nennhausen (4569 Einwohner) aus dem Havelland zugeschlagen. Das Amt wiederum gehört bislang zum Wahlkreis 60 um die Stadt Brandenburg – was eine Kettenreaktion auslöst. Um dort den Verlust Nennhausens auszugleichen, soll dem Wahlkreis 60 die 11 000-Einwohner-Gemeinde Michendorf zugeordnet werden, die bislang samt Ortsteilen wie Wilhelmshorst zum Wahlkreis 61 Potsdam plus Umland gehört.

Neuzuschnitt als Chance?

Der Bundestag folgt nach bisherigen Erfahrungen weitgehend den Empfehlungen der Wahlkreiskommission. In einem Anhörungsverfahren hatten weder Brandenburgs Regierung noch die im Bundestag vertretenen Parteien Einwände erhoben. Die Grünen sehen in der Anpassung sogar eine Chance. „Wenn dadurch künftig grüne Hochburgen berlinferneren Wahlkreisen zugeschlagen werden, stärkt das die grüne Stimme in den ländlicheren Regionen Brandenburgs“, sagte Landeschefin Petra Budke den PNN. „Das entspricht unserem eigenen Anspruch: Wir sind eine Partei für das ganze Land, nicht nur für den Speckgürtel!“

Auch die SPD hält die Pläne für nachvollziehbar. Generalsekretärin Klara Geywitz weist allerdings auf ein grundsätzliches Problem hin, „wenn dann ein Wahlkreis von der Uckermark bis an den Stadtrand von Berlin reicht“. Es sei schwierig, wenn Wahlkreise in der Peripherie so groß werden, dass sie von Abgeordneten nur noch schwer zu bearbeiten seien. „Wir werden in der Zukunft überlegen müssen, ob ein Flächenfaktor sinnvoll ist“, so Geywitz.

Wähler entscheiden Wahlen

Bleibt die spannende Frage, ob beim konkreten Neuzuschnitt der Brandenburger Wahlkreise Gewinner der Wählerwanderung absehbar sind. Exemplarisch hilft da ein Blick auf die letzte Wahl 2013 und die Ergebnisse in Michendorf: Dort hatte mit 36,5 Prozent klar die CDU gewonnen, vor der SPD mit 23,3 Prozent. Ohne die Stimmen aus Michendorf hätte die CDU-Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche nicht erstmals seit 1990 das Direktmandat geholt, das sie jetzt für einen Job in der Wirtschaft aufgibt.

Freilich, auf der anderen Seite sieht auch die Landes-CDU die Verlagerung Michendorfs nicht als Nachteil: Denn mit den Michendorfer Stimmen hätte 2013, rein hypothetisch, die CDU-Bundesabgeordnete Andrea Vosshoff, der nur wenige Stimmen fehlten, SPD-Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Wahlkreis 60 geschlagen. So oder so: Es sind nicht Wahlkreisgrenzen, sondern die Wähler, die Wahlen entscheiden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })