Brandenburg: Verstößt Kohlekompromiss gegen EU-Recht?
Gewerkschaft und Landesregierung setzten eine subventionierte Kraftwerksreserve durch. Das könnte unerlaubte Beihilfe sein
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Potsdam - Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) ist noch ganz stolz auf den Kohlekompromiss. Am Freitag gratulierte er der Bergbaugesellschaft IG BCE zum 125-jährigen Bestehen und bezeichnete sie als „unverzichtbaren Partner“. Mithilfe der IG BCE und den anderen Kohleländern hatte es Gerber geschafft, eine vom Bundeswirtschaftsministerium erwogene Strafabgabe für besonders dreckige Kohlekraftwerke mit hohem Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) zu stoppen. Vor einem massiven Arbeitsplatzabbau und dem Zusammenbruch der Kohlereviere in der Lausitz wurde gewarnt.
Stattdessen handelte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann im Juli einen mühsamen Kompromiss aus, um die Klimaschutzziele der Bundesrepublik doch noch zu halten. Ideengeber war – die IG BCE. Kraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt sollen demnach über vier Jahre faktisch vom Netz genommen werden, aber als Notfallreserve dienen. Im Vattenfall-Kraftwerk Jänschwalde wären zwei Blöcke betroffen. Die Betreiber werden dafür mit 230 Millionen Euro pro Jahr entschädigt, bezahlt von den Stromkunden.
Gerber spricht von einer energiepolitisch verträglichen Lösung, „mit der Strukturbrüche in den Bergbaurevieren vermieden werden“. Die Kohlereserve sollte in den kommenden Wochen vom Bundeskabinett beschlossen werden. Doch nun funkte am gestrigen Freitag die Umweltorganisation Greenpeace bei der trauten Einigkeit dazwischen. Eine gestern veröffentlichte Studie im Auftrag von Greenpeace kommt zu dem Ergebnis, dass die Braunkohlereserve gegen EU-Recht verstößt. „Die Braunkohlereserve ist rechtlich unzulässig und steht damit kurz vor dem Scheitern“, sagte Greenpeace-Energieexperte Tobias Austrup. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drohe, mit leeren Händen zur UN-Klimakonferenz in drei Monaten nach Paris zu fahren.
Denn die Greenpeace-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die EU-Kommission die Kohlereserve nur genehmigen darf, wenn die Bundesregierung nachweisen kann, dass die Reserve für die Stromversorgung notwendig ist. Das jedoch dürfte angesichts des über den Atomausstieg hinaus anhaltenden Überangebots auf dem Strommarkt schwer werden. Die hohen Zahlungen für die Reserve wären eine Beihilfe für die Stromkonzerne, stellt das Gutachten fest. Überdies drohen auch Klagen von anderen EU-Staaten und anderen Kraftwerksbetreibern. „Vor dem Hintergrund der offenbar bestehenden erheblichen Überkapazitäten von konventionellen Kraftwerken ist äußerst fraglich, ob die geplanten Beihilfen den Leitlinien entsprechen“, heißt es in dem Gutachten.
Auch die Potsdamer Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (Grüne) sieht sich durch das Greenpeace-Gutachten bestätigt. Es stütze die Argumentation des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, der bereits im Auftrag der Grünen die Braunkohlereserve untersucht hat – und zu einem ähnlichen Ergebnis kam. Die Subventionspläne für die Braunkohle seien mit dem EU-Beihilferecht schwer vereinbar, sagte Baerbock. Der Bundesrepublik drohe ein Vertragsverletzungsverfahren. Auch die ersten Signale aus Brüssel deuten darauf hin.
Brandenburgs Landesregierung hat daneben noch ganz andere Probleme – nämlich mit der Sulfatbelastung der Spree, eine Folge des Kohleabbaus. Erst am Donnerstag ist im Braunkohleausschuss deutlich geworden, dass die hohen Sulfatwerte auf Jahre nicht in den Griff zu kriegen sind. Das Land setzt Vattenfall dabei nicht einmal Grenzwerte für das in die Spree eingeleitete Grubenwasser. Dadurch ist in Berlin inzwischen die Trinkwasserversorgung bedroht.Alexander Fröhlich
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