Landeshauptstadt: Chinesen: Sanssouci zu klein
Doch Europa erwartet 130 Millionen Touristen aus dem Reich der Mitte
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Doch Europa erwartet 130 Millionen Touristen aus dem Reich der Mitte Von Nicola Klusemann Die Chinesen kommen. Das Reich der Mitte hat seine Reisebedingungen geändert, wonach jetzt Gruppenreisen nach Europa offiziell möglich sind. Laut Schätzung der Welttourismusorganisation WTO könnten sich etwa zehn Prozent der chinesischen Bevölkerung eine solche Auslandsreise leisten. Von der Organisation wird weiter prognostiziert, dass 130 Millionen Chinesen bis zum Jahr 2010 Europa bereist haben. Darauf wollen die Verwalter der Königsschlösser in der Alten Welt, zu denen auch Schloss Sanssouci gehört, vorbereitet sein. In diesen Tagen treffen sich die europäischen Schlösserchefs, um unter anderem an einem gemeinsamen Konzept für den Besuch aus China zu arbeiten. Derzeit machen chinesische Reisegruppen gerade einen Prozentsatz von 0,5 bis 0,6 aus, erklärt Heidrun Liepe, kommissarische Abteilungsleiterin Schlossmanagement bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Die meisten Potsdam-Besucher kämen aus Deutschland – rund 60 Prozent der Gruppenreisenden, gefolgt von Italien mit sieben Prozent, Frankreich und Japan mit je sechs Prozent. Niederlande, Großbritannien, Spanien und USA teilen sich Platz 4. Dass mit der Lockerung der Reisebedingungen – chinesische Touristen mussten vor ein paar Jahren ihren Europa-Urlaub noch als Geschäftsreise tarnen – jetzt ein plötzlicher Ansturm zu erwarten sei, glaubt Heidrun Liepe nicht. Dennoch stelle man sich schon jetzt in der Stiftung auf die Eigenheiten dieser Menschen ein. Wenn beispielsweise an der Kasse der Eintrittspreis für das Schloss Sanssouci über acht Euro verlangt werde und der Gast aus China unsere Zahlen nicht lesen könne, helfe nur noch Zeichensprache. Allerdings, erläutert die kommissarische Schlossmanagerin, zeigten Chinesen nicht wie wir die Zahl Acht mit zwei Händen, sondern nur mit der rechten Hand an. Dabei sei die Handinnenfläche dem Zeichengeber zugewandt, ausgestreckter Daumen und Zeigefinger stehe für Acht. Eine Tabelle mit den wichtigsten Zeichen des chinesischen Fingerzählens liege künftig an den Kassen. Die Menschen aus dem bevölkerungsstärksten Land der Erde hätten außerdem eine eigene Vorstellung von Europa, erklärte Stiftungsgeneraldirektor Hartmut Dorgerloh jüngst. „Von Schloss Sanssouci sind die meisten Chinesen enttäuscht“, das sei ihnen zu klein. Darum lenke man die Gruppen lieber zum Neuen Palais und zum Chinesischen Teehaus und verbinde beides geschickt mit dem berühmten Namen Sanssouci; schließlich heiße ja der an das Palais grenzende Park so. Sorgen darum, mit der Schlossgröße zu enttäuschen, muss man sich hingegen in Schönbrunn nicht machen. Die ebenfalls zu den europäischen Königsschlössern gehörende Anlage im Außenbezirk der österreichischen Hauptstadt hat Ausmaße, die den Touristen aus China zufrieden stellen. Aber die Menschen aus dem Reich der Mitte kämen in erster Linie nicht des Schlosses wegen in das ehemalige Reich der Habsburger, weiß dessen Pressesprecher Patrick Quatember. Vielmehr sei der Tourismus aus China schon jetzt für Österreich ein „respektabler Markt“, weil man die „Sissi“ habe. Mindestens einmal im Jahr laufe im staatlichen chinesischen Fernsehen die mandarin-synchronisierte Fassung der Verfilmung mit Romy Schneider und Karl-Heinz Böhm über das österreichische Kaiserpaar Franz Josef I. und Elisabeth. Trotzdem, so Schönbrunn-Sprecher Quatember, habe man die Schlösserbroschüren fürs Nebenprogramm auch in chinesische Sprache übersetzen lassen. Soweit ist man bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten noch nicht, hofft aber im Austausch mit den anderen Vertretern europäischen Kulturerbes wertvolle Tipps zu bekommen. Ein Hinweis aus Österreich kann da schon hilfreich sein: Im Schnitt, so Quatember, bleiben die Chinesen 1,6 Nächte im Land, für ganz Europa nähmen sich gerade Mal zehn Tage Zeit. Touristenprogramme im Schnelldurchlauf, die kennt Potsdam zu genüge. Die meisten Besucher der Landeshauptstadt sind durch die Berlinnähe lediglich Tagestouristen.
Nicola Klusemann
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