Nach dem Anschlag am Breitscheidplatz: Das Unbeschwerte ist fort
Die Polizei verschärft nach dem Anschlag in Berlin die Sicherheitsvorkehrungen für den Potsdamer Weihnachtsmarkt. Beamte mit Maschinenpistolen patrouillieren, Betonblockaden sollen kommen. Viele Besucher bleiben fern an diesem Tag. Die Stimmung ist gedrückt.
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Potsdam/Berlin - Der Terror-Anschlag von Berlin – er lässt die Menschen in Potsdam nicht unberührt. Das Unbeschwerte ist fort, auch auf dem Weihnachtsmarkt. Dort ist es leerer als sonst, am Tag nachdem in Berlin mindestens zwölf Menschen starben. Die Lautsprecherboxen entlang der Brandenburger Straße blieben stumm, einige wenige Buden waren auch am Nachmittag noch geschlossen. Viele Verkäufer waren in ihre Handys versunken – denn es waren schlicht keine Kunden da. Zahlreiche Passanten eilten nun die Straße entlang. Bloß schnell weg.
„Die Stimmung ist doch sehr gedrückt“, sagte ein Besucher aus der Prignitz, der mit seiner Frau für einen Tag nach Potsdam gekommen war, um die gemeinsame Tochter zu besuchen. Er wolle sich die Freude an Weihnachten aber nicht nehmen lassen. „Sonst können wir ja nirgendwo mehr hin“, sagte er.
Wie die Zufahrten zu Weihnachtsmärkten in Brandenburg geschützt werden könnten
Genau das will Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) verhindern – dass die Menschen aus Angst nicht mehr über die Weihnachtsmärkte schlendern. Am Morgen trat er im Hotel Mercure vor die Presse. Es werde geprüft, ob die Zufahrten zu Weihnachtsmärkten in Brandenburg mit Betonelementen geschützt werden können. „Es gibt Absperrelemente. Wir sind dabei zu klären, wann und in welcher Anzahl sie verfügbar wären oder welche anderen Möglichkeiten es gibt, die Einfahrtswege zu versperren, so dass sie auch Lkws standhalten“, sagte Schröter.
Zugleich hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dem Nachbarland Berlin für die Bewältigung der Ereignisse „alle Unterstützung angeboten, die wir leisten können, auch bei den Ermittlungen“. Laut Schröter stünden Spezialeinsatzkräfte aus Brandenburg „Gewehr bei Fuß“, um in Berlin zu helfen. Zur Stunde sehe Berlin dafür aber keinen Bedarf.
Sichtbare Konsequenzen für den Bürger
Die Sicherheitsbehörden haben noch am Dienstag erste, für die Bürger sichtbare Konsequenzen gezogen. „Wir sind dabei, die Präsenz der Polizei auf den Weihnachtsmärkten in Brandenburg zu verstärken“, sagte Schröter. Das betreffe den Wach- und Wechseldienst, Revierpolizisten, auch die Kripo, die ohnehin im Dienst seien. Zusätzlich sei für jede der vier Polizeidirektionen im Land eine Einsatzhundertschaft aktiviert, sodass rund um die Uhr ein Zug im Einsatz sein könne, sagte der Minister.
Brandenburg hat insgesamt vier Einsatzhundertschaften der Bereitschaftspolizei, die bereits Montagabend ohnehin in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt wurden. Die Polizisten, die auf Weihnachtsmärkten zusätzlich patrouillieren, werden „erkennbar“ sein, sagte der Innenminister.
In der Brandenburger Straßen waren sie deutlich zu erkennen: mit Maschinenpistolen und Schutzwesten der Schutzklasse vier, die auch einem Beschuss mit Kalaschnikows standhalten würden. Das ist die neue Ausrüstung, die Brandenburg in den letzten Monaten für seine Polizei wegen der wachsenden Terrorgefahr extra angeschafft hatte.
Allerdings seien noch nicht alle Polizisten für solche Szenarien ausgebildet. Die Weihnachtsmärkte selbst sollen in Brandenburg – wie in den anderen deutschen Bundesländern – trotzdem geöffnet bleiben. Darin seien sich auch sich auch die Innenminister der Länder bei einer Telefonschaltkonferenz mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwochmorgen einig gewesen, sagte Schröter. „Die Weihnachtsmärkte sind ja eher besinnlich. Allein Jubel, Trubel, Heiterkeit wäre ja makaber.“
Knapp 100 islamistische Gefährder in Brandenburg
In Brandenburg leben nach Angaben des Innenministeriums knapp 100 sogenannte „Gefährder“ mit islamistischem Hintergrund, die nun noch stärker im Visier der Sicherheitsbehörden stehen. „Natürlich haben wir jetzt nach den Gefährdern geschaut“, sagte Schröter. Einzelheiten nannte er nicht. Die verschärften Sicherheitsmaßnahmen führten dazu, dass die Polizei am Dienstag in Potsdam auch verstärkt den Autoverkehr beobachtete. Bei Bedarf würden einzelne Fahrzeuge kontrolliert, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums.
Nach Gesprächsrunden mit Stadt und Polizei meldete sich am Mittag auch der Betreiber des Potsdamer Weihnachtsmarkts „Blauer Lichterglanz“ zu Wort, Eberhard Heieck von der Cottbuser Coex Veranstaltungs GmbH. Er kündigte an, dass es auch in der Brandenburger Straße eine „verstärkte Präsenz der Sicherheitskräfte“ geben werde – nicht nur von Polizisten, sondern auch von Mitarbeitern des Ordnungsamtes und Sicherheitsdienstes. Sie sollen darauf achten, dass Feuerwehrzufahrten und Rettungswege nicht zugeparkt werden. Fahrzeughalter, die mit ihren Autos solche Zufahrten blockierten, „müssen damit rechnen, sofort abgeschleppt zu werden“, sagte Ordnungsdezernent Mike Schubert (SPD). Feuerwehr und Ordnungsamt würden zudem vermehrt kontrollieren, ob die Aufstellflächen für Rettungswagen und Feuerwehr freigehalten werden.
Wo werden die Betonblockaden in Potsdam aufgestellt?
Am heutigen Mittwoch will Heieck mit Ordnungsamt, Polizei und Feuerwehr klären, wo die massiven Betonblockaden aufgestellt werden. Denkbar sei das am Luisenplatz, an den Seitenstraßen und an der Friedrich-Ebert-Straße. Im Potsdamer Rathaus, das Trauerbeflaggung für alle kommunalen Einrichtungen angeordnet hat, denkt man bei den Sicherheitsvorkehrungen schon über Weihnachten hinaus. Dort wird bereits an die Sicherheitslage für die Silvesterfeiern gedacht.
Im Lauf des Tages verstärkte die Polizei ihre schwer bewaffneten Patrouillen immer mehr. In den Seitenstraßen fuhren Mannschaftswagen auf. Doch der Versuch, das Sicherheitsgefühl durch deutlich mehr Polizeibeamte auf dem Weihnachtsmarkt zu erhöhen, ging an diesem Tag zunächst nicht auf. Zu tief saß offenbar der Schock.
Und so lief es für die Geschäftsleute eher ruhig, auch für Elke Probst, die in der Nähe des Karstadt-Kaufhauses einen Glühweinstand betreibt. Sie habe am Morgen schon mit vielen Stammkunden über Berlin gesprochen, sagte Probst. Alle seien tief erschüttert gewesen. Dass jetzt so viele Polizeibeamte auf dem Weihnachtsmarkt sind, findet Probst gut. „Das verschafft Respekt“, sagte sie.
Geschäftsinhaber: "Uns ist jetzt klar geworden, dass auch wir von dem Terror betroffen sind"
Schockiert über die Ereignisse in Berlin zeigte sich Norbert Speck, der einen Souvenir-Laden auf der Brandenburger Straße betreibt. „Aber wir können uns ja nicht verkriechen“, sagte der 67-Jährige. Es sei am Dienstag deutlich leerer, der Umsatz sei im Vergleich zum Montag etwa um ein Drittel schlechter gewesen. „Uns ist jetzt klar geworden, dass auch wir von dem Terror betroffen sind“, sagte Speck. Die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen findet Speck gut, er sagte: „Wir fühlen uns hier sicher.“
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Am Abend gedachten rund 40 Besucher auf dem Luisenplatz in einer Schweigeminute der Opfer vom Breitscheidplatz. Danach begann die Märchenstunde, auf die viele der Eltern mit ihren Kindern warteten. „Man kann die Kinder nicht dafür bestrafen, was dort in Berlin passiert ist“, sagte Weihnachtsmarktbetreiber Heieck. Das alles aber ohne Musik – aus Pietät gegenüber den Toten und Verletzten. (mit Katharina Sawade)
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Unsere Kollegen vom Tagesspiegel berichten aktuell in einem Newsblog über die Ereignisse >>
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