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Das Schloss Sacrow.

© Andreas Klaer

Dunkle Schatten über Potsdams Norden: Ein Roman über Idylle, Wandel und die Zerrissenheit eines Dorfes in der NS-Zeit

Die Autorin Ines Thorn hat sich mit ihrem Roman „Sacrow – Paradies mit dunklen Schatten“ in die Vergangenheit der Gemeinde Sacrow begeben. Das Buch erzählt von Familien, Zusammenhalt und Zerissenheit.

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Idyllisch liegt das von Wasser umgebene kleine Örtchen Sacrow im Norden von Potsdam. Belebt wurde das Dorfgeschehen seit den 1920er-Jahren durch viele Berliner und Berlinerinnen, die im Sommer der Großstadt entfliehen wollten und Moderne und Schwung in den Ort brachten. Mit dem Beginn der NS-Zeit veränderte sich die Stimmung in Deutschland und auch vor Sacrow machte der Hass und der Einfluss der Nationalsozialisten keinen Halt.

Ines Thorn taucht mit ihrem Roman „Sacrow – Paradies mit dunklen Schatten“ in das Jahr 1937 ein und begleitet die Sacrower Familie Richter durch die Geschehnisse und Entwicklungen der Nazi-Herrschaft. Die Idee, einen Roman über das kleine Dorf zu schreiben, kam vom Piper-Verlag, erzählt die Leipziger Autorin: „Ich konnte mich sehr schnell mit dieser Idee anfreunden, weil mein Vater in Brandenburg geboren und aufgewachsen ist und meine Verwandten dort leben. Auch kann ich mich gut an den Geruch der Kiefernwälder erinnern, in denen ich früher mit meiner Oma Pilze gesucht habe. Diese Gegend habe ich schon immer geliebt“, so Thorn.

Sacrow als Schauplatz ihres neuesten Buches ist geprägt durch das einfache Dorfleben. Der Protagonist der Geschichte – Hanno Richter – beendet gerade die Schule und arbeitet als Möbeltischler. Er ist in dem kleinen Örtchen, das mit der Havel direkt an Berlin grenzt, geboren und aufgewachsen. Er liebt seine Heimat, sein kleines Paradies. Er liebte die Idylle, den Geruch nach Kiefernwald und die Unbeschwertheit des Ortes.

Ines Thorn hat ein Buch über Sacrow während der Nazi-Zeit geschrieben.

© Jochen Schneider 

Die Erzählung dreht sich um ihn und seine Schwester Sabine, um deren Erwachsenwerden und zeigt, wie die Gesetze und Regeln des Naziregimes das Leben der Kinder mitgeprägt haben. Als Lesende erlebt man aus der Beobachterperspektive die Veränderung von Hannos Gedanken, seine zunehmende Reife und die Ängste eines jungen Mannes.

Sacrow und die Berliner Prominenz

Der Ort diente als „Sommerfrische für die Berliner“, sagt die Autorin. „Etliche Häuser wurden im Bauhausstil gebaut und von Prominenten bewohnt, wie zum Beispiel die Kunstmäzenin und Großnichte Max Liebermanns, Grete Ring, dazu Schauspieler, Ingenieure und sogar die Familie von Donhanyi.“

Charaktere wie Grete Ring und Hans von Donhanyi, der am Attentats- und Putschversuch Henning von Tresckows gegen Adolf Hitler 1943 beteiligt war, finden auch in Thorns Buch Erwähnung und so werden historische Überlieferungen geschickt in die eigentlich fiktionale Erzählung eingebaut. Historische Romane faszinieren Thorn besonders, ihr gefällt die „relative Eindeutigkeit“, sagt sie. „Vieles ist erforscht und ich kann darauf aufbauen. Die Kulissen stehen quasi und ich muss sie nur noch mit Leben füllen.“

„Sacrow – Paradies mit dunklen Schatten“ von Ines Thorn, Piper-Verlag, 400 Seiten, 17 Euro

© Piper-Verlag, promo

Sacrow bewegt sich in einem Kontrast zwischen den alteingesessenen Dorfbewohnenden und den prominenten Zugezogenen. Diese Menschen haben den Ort „weltläufiger“ gemacht, so Thorn. Viele von ihnen waren Juden und Jüdinnen, die lange unbekümmert Seite an Seite mit den Sacrower Familien lebten. Von Kapitel zu Kapitel wird die Veränderung des Dorfes spürbar, die Stimmung verdunkelt sich.

„Ich denke, die Nazizeit hat das Dorf ein wenig zerrissen“, sagt Thorn. „Viele der Sommerfrischler waren Juden, denen plötzlich die Häuser weggenommen wurden, die ins Ausland gingen oder gar in Lager kamen. Dann wurden die jungen Männer eingezogen, sodass das Dorf hauptsächlich aus Frauen und Kindern bestand. Als die Familie von Dohnanyi während der Kriegsjahre nach Sacrow zog und Christine und Hans von Dohnanyi dort 1943 verhaftet wurden, geriet das Dorf mitten hinein in eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens.“

In Sacrow wurden keine Feste mehr gefeiert, die Badestätte des Ortes lag da wie ausgestorben, von der vorherigen Lebenslust war keine Spur mehr übrig und ehrliche Gespräche gab es nur noch hinter verschlossenen Türen. Das Buch verbildlicht die Einflüsse des nationalsozialistischen Regimes und des Krieges – nicht etwa an der Front oder in der großen Politik, sondern im einfachen Leben von Menschen, die sich im stillen Widerstand befanden.

Alle ihre Romane seien durch eine Metabotschaft miteinander verbunden: „Ich wünsche mir immer und überall ein friedliches und freundliches Zusammenleben einer Gemeinschaft, ganz gleich, ob Familie, Dorf oder Stadt. Und das idyllische Sacrow war in meiner Vorstellung immer ein Ort, an dem ein solches Zusammenleben möglich ist“, sagt Thorn.

Aufgrund eines Wirbelsäulenbruchs konnte sie für die Buchrecherche nicht vor Ort sein, hat Informationen und Eindrücke über Dokumentationen, Bücher und das Internet gesammelt. Im Mai will die Autorin, die jetzt in Hessen lebt, nach Sacrow reisen: „Ich möchte sehen, ob es mir gelungen ist, die Atmosphäre einzufangen“, sagt sie. „Sacrow – Paradies mit dunklen Schatten“ ist ein leichter Roman mit schwerer Geschichte, ein gutes Buch zum Abtauchen, ohne viel nachzudenken.

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