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Norman Pruschwitz ist der neue Fährmann im Potsdamer Team.

© Andreas Klaer

Fährmann auf Potsdams einziger Fähre: Der Neue auf der F1 nach Hermannswerder

Norman Pruschwitz war als Kapitän auf Binnenfrachtschiffen europaweit unterwegs. Jetzt wechselte er zum Potsdamer Verkehrsbetrieb - als Fährmann.

Norman Pruschwitz ist weit herumgekommen. Sechs Jahre lang war er Schiffsführer, zwei Jahre Kapitän auf großen Schubverbänden, also Binnenfrachtschiffen, die Waren quer durch Deutschland und bis nach Österreich, Frankreich oder die Beneluxstaaten bringen. „Kohle, Getreide, ganze Brücken und Großbauteile – alles, was man nicht auf der Straße transportieren kann“, zählt er auf. Fast alle Bundeswasserstraßen hat der 34-Jährige befahren: „Ems, Weser, Rhein, Elbe, Oder…“

237 Meter sind es vom Kiewitt zum gegenüberliegenden Ufer

Jetzt ist sein täglicher „Seeweg“ nur noch 237 Meter lang. Die Strecke vom Anleger Auf dem Kiewiett zum gegenüberliegenden Ufer der Halbinsel Hermannswerder ist in weniger als drei Minuten erledigt. Norman Pruschwitz ist der neue Fährmann auf der Linie F1.

Ende Oktober hat er seine Weiterbildung beim Verkehrsbetrieb Potsdam abgeschlossen. Er hat nun auch das Radarpatent und kann das Radargerät bedienen, falls die Havel mal in dichtem Nebel liegen sollte. Das wichtigste Argument für seinen beruflichen Wechsel zur Kurzstrecke: „Ich bin jeden Abend zuhause.“

Die einzige Fährverbindung des Verkehrsbetriebs: Ein Hauch von Meer auf der Havel.
Die einzige Fährverbindung des Verkehrsbetriebs: Ein Hauch von Meer auf der Havel.

© Andreas Klaer

Aufgewachsen ist Norman Pruschwitz, ein gebürtiger Berliner, in Bad Belzig. Die Liebe zum Wasser entdeckte er während der Abiturzeit, erinnert er sich: Freunde hätten ihn mit einem Segelboot auf eine Tour mitgenommen. Wie das Boot fast lautlos übers Wasser glitt: „Es war total toll.“

Nach einer angefangenen Ausbildung zum Bootsbauer lernte er schließlich den Beruf des Fischwirts am Institut für Binnenfischerei in Sacrow. Die Arbeit machte ihm Spaß: das Fischen mit Reusen und Netzen, Projekte zur Fischaufzucht in Anlagen, die möglichst wasser- und energieschonend laufen sollten. Trotzdem ging es nach Abschluss der Ausbildung für ihn nicht weiter in Sacrow: „Am Institut war leider keine Stelle frei.“

Pruschwitz wechselte zur Binnenschifffahrt, war jahrelang immer abwechselnd 14 Tage unterwegs und 14 Tage zuhause. „Ich hab die hässlichsten Städte Deutschlands von ihrer schönsten Seite gesehen“, sagt er und lacht. Denn mancher auf den ersten Blick hübsche Ort habe sich beim Landgang als Enttäuschung entpuppt, sagt er und nennt als Beispiel Frankfurt am Main. Die Zusammenarbeit in dem drei- bis vierköpfigen Team sei immer sehr gut gewesen, erzählt er, „fast wie eine zweite Familie“. Trotzdem habe er wegen der Arbeitszeiten schließlich weggewollt, auch mit Blick auf eine mögliche eigene Familienplanung.

Da kam die Stellenanzeige des Verkehrsbetriebs für die Hermannswerder-Fähre gerade recht. Seit 1974 ist die Seilfähre in Betrieb, erst mit Diesel, seit 1984 elektrisch betrieben. Es ist die einzige verbliebene Fährverbindung der Potsdamer Verkehrsbetriebe. Bis zum Bau der Humboldtbrücke Ende der 1970er Jahre hatte es auch dort eine Fähre gegeben.

Norman Pruschwitz schätzt die Arbeitszeiten: Anders als in der Binnenschifffahrt ist er jeden Abend zuhause.
Norman Pruschwitz schätzt die Arbeitszeiten: Anders als in der Binnenschifffahrt ist er jeden Abend zuhause.

© Andreas Klaer

Kostendeckend sei die Hermannswerder-Fähre nicht zu betreiben, räumt Steffen Ott vom Verkehrsbetrieb ein. Aber der Vorteil für die Fahrgäste – darunter viele Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Gymnasiums auf der Halbinsel, Angestellte in den Behindertenwerkstätten oder im Inselhotel Hermannswerder sowie Kleingärtner, liegt auf der Hand: Sie sparen sich damit eine Strecke von mehr als fünf Kilometern über Land, auf der es zudem meist Staus gibt. Wenn die Fähre ausfällt, wie erst kurz vor Weihnachten wieder, bekommen sie das schmerzlich zu spüren.

Das Wetter ist an den Ausfällen der Potsdamer Fähre nur selten schuld, weiß Norman Pruschwitz. Wenn es kalt ist, kann er in den beheizten Fährstand, im Sommer gibt es neben dem Sonnensegel auch Sonnencreme für die Fährleute. Nur bei Sturm oder wenn die Rollen an den Seilen Eis ansetzen, geht nichts mehr. Und natürlich, wenn die Havel zugefroren ist.

Das ist wie bei Dampfloks, die Fähre kann auch 100 Jahre fahren.

Jörg Zennig, technischer Betreuer der Fähre beim Verkehrsbetrieb

Auch technisch ist auf die Seilfähre trotz ihres Alters Verlass – eigentlich. „Das ist wie bei Dampfloks, die kann auch 100 Jahre fahren“, sagt Jörg Zennig, der technische Betreuer der Fähre beim Verkehrsbetrieb. Alle fünf Jahre steht turnusgemäß eine größere Schiffsuntersuchung an, vor einem Jahr sei die Fähre zuletzt generalüberholt worden.

237 Meter sind es vom einen zum anderen Ufer.
237 Meter sind es vom einen zum anderen Ufer.

© Andreas Klaer

Dass es trotzdem immer wieder Ausfälle gibt, hat oft mit unachtsamen Freizeit-Kapitänen zu tun. Zwei- bis viermal im Jahr muss Technikexperte Zennig Seilwechsel vornehmen lassen, weil Boote oder Schiffe die Vorfahrt missachtet haben und in oder über das Fährseil gefahren sind. Solche Unfälle passieren sogar noch öfter, sagt er. Manchmal gibt es zunächst nur leichte Schäden. „Das spleißt aber immer weiter auf“, erklärt er.

5000
Euro kostet den Verkehrsbetrieb ein Seilwechsel mindestens.

Das Fähre ist an einem unter dem Wasser liegenden Zugseil befestigt, das über eine elektrisch betriebene Winde zwischen beiden Ufern hin- und herbewegt wird. Ein zweites Führungsseil sorgt dafür, dass das Fahrzeug nicht abgetrieben wird.

Ein Seilwechsel koste den Verkehrsbetrieb 5000 bis 6000 Euro, eine Mannschaft von vier Personen plus Material und Technik sind dafür nötig, sagt Zennig. Wenn der Verursacher des Schadens bekannt ist, werde ihm die Summe in Rechnung gestellt. „Es ist wichtig, dass alle die Vorfahrt einhalten“, mahnt er. Grundsätzlich gelte: Wenn die Fähre in Bewegung ist, müssen andere Fahrzeuge warten.

Gesteuert wird die Seilfähre mit einer tragbaren Funkfernbedienung.
Gesteuert wird die Seilfähre mit einer tragbaren Funkfernbedienung.

© Andreas Klaer

Denn ausweichen kann der Fährmann nicht. Gesteuert wird die Fähre per Funkfernbedienung - ein tragbares, gelbes Gerät, bei dem nur zwei Schalter wichtig sind: „Hinfahrt“ steht unter dem einen, „Rückfahrt“ unter dem anderen. Bei der Überfahrt kommt es vor allem darauf an, rechtzeitig den jeweiligen Schalter wieder umzulegen, damit die Fähre „möglichst sanft an die Böschung ranfährt“, erklärt Norman Pruschwitz.

Für eine Fähre ohne Seil bräuchten die Fährleute eine andere Ausbildung

Immer wieder diskutiert die Stadtpolitik über Verbesserungen beim Fahrplan, mit Blick auf die Zukunft waren auch eine Brücke oder ein neues Schiff, solarbetrieben, im Gespräch. Einen Wechsel zu einer Fähre ohne Seil hat der Verkehrsbetrieb bislang aber verworfen.

Dafür bräuchten die Fährleute andere Fahrberechtigungen, sagt Verkehrsbetriebs-Chef Uwe Loeschmann. Nicht alle sind gelernte Binnenschiffer wie Pruschwitz. Damit eine freifahrende Fähre in Ein-Mann-Besatzung ohne zusätzlichen Matrosen funktionieren könnte, wären außerdem spezielle Anleger mit Magneten nötig, erklärt Pruschwitz. Oder mehr Personal.

Fahrräder können ohne Zuschlag mitgenommen werden.
Fahrräder können ohne Zuschlag mitgenommen werden.

© Andreas Klaer

Das Personal ist der zweite Flaschenhals des Fährbetriebs. Lange gab es nur zwei Fährmänner, was bei Krankheit oder in Urlaubszeiten schnell für Probleme sorgte. Mit Pruschwitz ist jetzt ein dritter Mann am Start. Ein weiterer Kombifahrer, der flexibel in Bus, Tram oder Fähre eingesetzt werden kann, ist in Ausbildung, heißt es von den Verkehrsbetrieben.

„Das gibt uns mehr Puffer für Krankheitszeiten“, sagt Fahrdienst-Chef Steffen Ott. Am Ziel, früh eher anzufangen und abends länger zu fahren, halte man fest. Wann genau es umgesetzt werden kann, kann Ott aber nicht sagen. „Wir sind dabei, Personal nachzubilden – es zieht sich hin.“ Unterwegs ist die Fähre derzeit von Montag bis Sonntag in der Zeit von 7 bis 18.30 Uhr.

Das Verhältnis zu den Fahrgästen ist persönlicher als in Tram oder Bus

Was den Dienst auf der Fähre von einer Schicht im Bus unterscheidet, wird schnell klar, wenn man einige Runden mit übersetzt zwischen Am Kiewitt und Hermannswerder. Der Kontakt zu den Fahrgästen ist direkter, das Verhältnis persönlicher, gerade im Winter, wenn fast nur Stammgäste pendeln.

Der Fährmann wird immer wieder freundlich begrüßt. „Da kennt man den Großteil“, sagt Pruschwitz. Er packt mit an, wenn jemand im E-Rolli auf die Fähre will. Zu seinem Job gehört auch der Fahrkartenverkauf, aber im Winter gibt es da wenig zu tun: Die meisten Fahrgäste haben Zeitkarten. Im Sommer, wenn die Touristen kommen, sei das anders. Fahrräder können auf der Fähre übrigens ohne Zuschlag mitgenommen werden. Im Normaltarif kostet eine Überfahrt 1,60 Euro - also ein Kurzstrecken-Ticket des Potsdamer Verkehrsbetriebs.

Am anderen Ufer fragt eine Dame beim Einsteigen, wann der Fahrplan der Fähre denn nun endlich ausgeweitet wird – so wie es die Stadtverordneten schon vor Jahren beschlossen hatten. Sie habe einen Garten auf der Insel, sagt sie. Besonders im Sommer sei die letzte Tour um 18.25 Uhr viel zu zeitig, wenn man von den lauen Sommerabenden etwas haben will. Im Winter ist es dann ja schon dunkel.

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