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Gedenken an die Öffnung der Mauer am 9. November 1989 und der Glienicker Brücke am 10. November 1989.

© Andreas Klaer PNN/Andreas Klaer

Gedenken an die Zeit des Mauerfalls in Potsdam: „Bremsen für die deutsche Einheit“

An der Glienicker Brücke wurde am Montag einmal mehr an die Wende 1989 erinnert – und wie Zeitzeugen auf diese Ereignisse blicken.

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Hannes Wittenberg bremst noch heute jedes Mal, wenn er über die Glienicker Brücke fährt. Der Vize-Chef des Potsdam Museums sagt, er halte „in der Mitte inne, freue mich darüber, dass es funktioniert, dass Berlin und Potsdam, dass Deutschland zusammengewachsen ist“. Das sagte Wittenberg am Montag bei der Gedenkstunde zum 36. Tag des Mauerfalls in Potsdam, die einmal mehr an der Glienicker Brücke und der dortigen Skulptur „Nike 1989“ stattgefunden hat.

Dabei erinnerten rund 150 Gäste, darunter die neue Oberbürgermeisterin Noosha Aubel (parteilos) und Brandenburgs stellvertretender Ministerpräsident Robert Crumbach (BSW), an die Öffnung der Glienicker Brücke vor 36 Jahren. Durch die Stunde führte der Vorsitzende der Fördergemeinschaft für die Gedenkstätte Lindenstraße, Klaus-Peter Ladner.

Ladner erinnerte an den 10. November 1989, als der Andrang der Menschen so groß war, dass die Brücke um 18 Uhr geöffnet wurde. Bereits 1999, sagte er, sei die „Nike 89“ als Zeichen der Freiheit errichtet worden; als „Engel mit verletzten Flügeln“ stehe sie zugleich für Freude über die Freiheit und für das Gedenken an Opfer von Mauer und SED-Diktatur.

Der Vize-Chef des Potsdam Museums, Hannes Wittenberg.

© Andreas Klaer PNN/Andreas Klaer

Rathauschefin Aubel betonte die Verantwortung, die aus 1989 erwachse: „Der Mauerfall war ein Sieg der Zivilgesellschaft und ermahnt uns, dass Demokratie kein Zustand, sondern ein täglicher Prozess ist.“ Diese lebe von Mut, Dialog, Beteiligung „und davon, dass wir einander zuhören, auch wenn wir Verschiedenes erlebt haben.“ Der Fall der Mauer sei ein Triumph der Menschlichkeit über die Trennung gewesen, nach dem Jubel habe es aber auch Ernüchterung gegeben. „Daran zu erinnern heißt nicht, die Vergangenheit zu verklären, sondern sie ernst zu nehmen. In all ihren Brüchen.“

Seine politische Meinung sagen – ohne Angst vor Repressalien, frei wählen, über den eigenen Beruf bestimmen oder einfach über die Glienicker Brücke nach Berlin spazieren: All das war den Menschen in unserer Stadt bis vor 36 Jahren nicht möglich.

Aus der Mitteilung zum Mauerfall-Gedenken von Oberbürgermeisterin Noosha Aubel (parteilos)

Crumbach wiederum rückte die Perspektive derer in den Blick, die die Teilung nicht mehr erlebt haben: „Mittlerweile sind ganze Generationen geboren und aufgewachsen, für die es immer nur ein Deutschland gab.“ Erinnerung bedeute, das Unrecht nicht zu relativieren – und zugleich die Lebenswirklichkeit vieler Menschen in der DDR nicht zu vergessen: Familie, Freundschaften, Kultur, Zusammenhalt.

Die Glienicker Brücke mahne, „dass wir gar nicht genug Brücken bauen können – zwischen Menschen, zwischen Staaten, zwischen Vergangenheit und Zukunft“. Mit Aubel und Crumbach sprachen zwei Persönlichkeiten mit West-Biografie, die selbst die DDR nicht erlebt haben, wie einige Gäste hinter vorgehaltener Hand anmerkten.

Wittenberg hingegen sprach als Augenzeuge, berichtete vom Wendeherbst 1989, von seinem inneren Ringen, ob er einen Ausreiseantrag stellen sollte oder nicht. Die Montagsdemonstrationen in Leipzig seien für ihn zum Wendepunkt geworden. Er erzählte von den Abendnachrichten am 9. November, etwa zu den verkündeten Neuerungen bei der Ausreise, was er – misstrauisch gegenüber offiziellen DDR-Verlautbarungen – zunächst nicht glauben wollte.

Zu der Gedenkveranstaltung kamen rund 150 Besucher.

© Andreas Klaer PNN/Andreas Klaer

So legte sich der junge Museumsassistent zu den Klängen von Led Zeppelins „Stairway to Heaven“ schlafen, um tags darauf von seinem Vater mit den Neuigkeiten überrascht zu werden. Am 10. November sei er mit einem Kollegen und „ein bisschen Westgeld“ über den Grenzübergang Drewitz nach West-Berlin gefahren, eine „Bild“-Zeitung als Beleg mitgenommen – und am 11. November dann den Strom der Menschen über die Glienicker Brücke erlebt, „der Grünstreifen nach Wannsee, der vorher nie benutzt wurde, war von da an niedergetreten“.

Wittenberg erinnerte auch an das Grenzregime vor der Wende 1989, an Personenkontrollen durch Grenzschützer bis in Potsdamer Stadtteile hinein, an die Zäune vor Schloss Babelsberg – all solche Maßnahmen, um die DDR-Bevölkerung von der Flucht aus dem eigenen Land abzuhalten. Daher fahre er heute noch langsam über die Glienicker Brücke: „Bremsen für die deutsche Einheit, für Demokratie.“

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