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Landeshauptstadt: Hinwendung zur strengen Geometrie Der Architektur-Professor Ludger Brands über die Wirkung der Bauhaus-Epoche auf die Stadt Potsdam

Am 21. März 1919, morgen vor 90 Jahren, gründete Walter Gropius in Weimar das Bauhaus.

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Am 21. März 1919, morgen vor 90 Jahren, gründete Walter Gropius in Weimar das Bauhaus. Es gilt als einflussreichste Bildungsstätte der Architektur, der Kunst und des Designs, als Heimstätte der Avantgarde der Klassischen Moderne. In Potsdam vom Bauhaus inspirierte Architektur zu finden, ist nicht leicht. Die PNN stellt aus Anlass des Jubiläums einige „Bauhaus-Verdachtsstellen“ vor und sprach mit Prof. Ludger Brands von der Potsdam School of Architecture an der Fachhochschule Potsdam.

Hat die Bauhaus-Epoche auch ihre Spuren in Potsdam hinterlassen?

Bedingt, aber vielleicht nur, wenn wir den Namen „Bauhaus“ erweitern um Begriffe wie „Neues Bauen“ und „Neue Sachlichkeit“. Denn originale Bauhausarchitektur ist zunächst das, was aus dem Bauhaus Weimar und Dessau hervorgegangen ist, durch die dort lehrenden Architekten und Künstler und später durch deren Schüler.

Gibt es in Potsdam überhaupt Original-Bauhaus-Architektur?

Das ist schwierig zu beantworten. In Potsdam finden Sie zum Beispiel das kleine Haus Mattern von Scharoun, das man aber nicht eins zu eins in die Bauhaus-Architektur einordnen kann, ein kleiner eingeschossiger Baukörper mit gekippten Dächern. Das „Feierabendhaus“ auf Hermannswerder von Paul Krebs hat noch am ehesten Bezüge zur strengen Bauhaus-Sprache, zum Kubischen und zum Spiel mit geometrischen Formen.

Hatte das Bauhaus Einfluss auf Potsdam?

Nicht ausschließlich. Potsdam ist zunächst viel stärker geprägt durch andere Strömungen. Wenn man sich die Architekturgeschichte der letzten 300 Jahre ansieht, da finden wir Einflüsse aus Italien, England, den Niederlanden, aus Frankreich, die weit vor dem Bauhaus lagen und für die Stadt von viel größerer Bedeutung sind. Letztendlich ist die Neue Sachlichkeit an keiner europäischen Stadt vorbeigegangen. Interpretationen und Modifikationen dazu finden Sie auch hier.

Wir sprechen also von einer Spurensuche?

Bezogen auf das Bauhaus im engsten Sinne ist es schon eher so. Wir finden tatsächlich einzelne Beispiele, die in die Strömung der Zeit einzuordnen sind – sachlich, funktionalistisch, klassisch modern, reduziert in der Formensprache. Wir sollten den Begriff Bauhaus aber auch nicht als reinen Stilbegriff in der Architektur und Kunst definieren. Die Grenzen sind fließend.

Aber was ist mit den Villen Mies van der Rohes in Babelsberg?

Die haben eher Bezüge zum abstrakten Klassizismus, Mies van der Rohe hat sich vielfach auf Schinkel berufen. In seinem Frühwerk findet man klassische Formen, die Symmetrie, das Ornament wie bei der Villa Urbig. Sein Haus Riehl, das Erstlingswerk, ist eine Mischung aus neoklassizistischer Villa und Landhaus, mit Bezügen zur Architektur von Peter Behrens, was ja angemessen ist für Babelsberg.

Wurde der Wert des Bauhauses von den Potsdamern seinerzeit nicht erkannt?

Es gab damals viele Bewegungen parallel. Erich Mendelsohn mit seinem Einsteinturm kommt eher aus dem Expressionismus, aus der Zeit vor dem Bauhaus. Man kann für die Zeit zum Anfang des letzten Jahrhunderts nicht sagen, dass eine Epoche geendet hat und eine neue begann. Es gingen viele Strömungen ineinander über: Jugendstil, Art Deco, Neoklassizismus, Expressionismus, Futurismus, Neues Bauen, Neue Sachlichkeit und eben das Bauhaus. Das sind die Stilrichtungen, die das Bauen von 1900 bis 1933 maßgeblich geprägt haben.

Ist der Einsteinturm heute noch möglich?

Heute finden wir eine große Bandbreite von architektonischen Konzepten: Es wird strenger Kubismus gebaut, es gibt den Rationalismus, Bezüge zum Klassizismus, es gibt ja seit geraumer Zeit auch den Willen zur Rekonstruktion, richtigerweise nicht als neuer Stil der Zeit, sondern an geeigneter Stelle als weitere Möglichkeit des architektonischen Ausdrucks, vielleicht auch als Reaktion auf architektursprachliche Armut und übertriebenen Selbstdarstellungsdrang der Modernisten. Es ist die Stilvielfalt, die unsere heutige Architektur bestimmt. Heute versuchen Architekten eher ihren eigenen Ausdruck zu finden, von sehr expressiv, modisch, effekthascherisch bis hin zu wohlproportioniert, an strengen klassischen Formen orientiert und von starker tektonischer Gliederung. Wir haben also keine eindeutige Architektursprache mehr, die das Zeitgemäße ausdrückt, auch eine Chance, sich mehr auf das regional Prägende zu konzentrieren.

Aber nochmal: Waren die Potsdamer für das Bauhaus nicht modern genug?

Die Potsdamer waren anders geprägt. Potsdam ist eher eine Stadt, die sich dem Thema Bauen in der Landschaft, Bauen am Wasser auseinandergesetzt hat. Sie finden hier den Bezug zum Landschaftsraum stärker betont, komplementär zur Großstadt Berlin, die immer das Städtische in den Vordergrund gestellt hat. Potsdam war auch Garnisonstadt, was überall in der Stadtarchitektur präsent ist. Dann durch die Ansiedlung der UFA in Babelsberg sind viele Künstler – Schauspieler, Musiker – hierher gezogen und haben sich am klassischen Villenstil orientiert und dieses mit ihren Architekten realisiert.

Eine Keimzelle des Bauhauses gibt es aber doch in Potsdam: Das Babelsberger Atelier des Architekten Peter Behrens!

Hans Scharoun, Mies van der Rohe, Walter Gropius, Le Corbusier – sie alle haben bei Peter Behrens gearbeitet und einiges aus dieser Zeit mitgenommen für ihr späteres Schaffen. Peter Behrens, Mitbegründer des Deutschen Werkbundes und bedeutender Industriedesigner, ist einer der großen Wegbereiter der Moderne und des sachlichen Bauens.

Wo muss ich hin, wenn ich originales Bauhaus sehen will?

Wer reines Bauhaus sehen will, der muss die Weißenhofsiedlung in Stuttgart ansehen, die Meisterhäuser in Dessau, die Typenhäuser in Weimar, die unter Walter Gropius entstanden sind.

Was halten Sie von der Bauhaus-Zeit?

Das Bauhaus wird häufig überbewertet. Der ursprüngliche Anspruch, Architektur und Industriedesign im Sinne der Massenproduktion breiten Gesellschaftsschichten verfügbar zu machen hat später in nicht unerheblichem Maße zu falsch verstandener Typisierung und damit Monotonisierung geführt. Es ist ein anderer Ausdruck von Architektur entstanden und eine Hinwendung zur strengen Geometrie und zur Verabschiedung vom Ornament, dem man sich heute zurecht wieder mehr zuwendet. Der Begriff Bauhaus wird auch in der Hinsicht falsch verstanden, indem alles, was eine einfache Formensprache hat, dem Bauhaus im positiven Sinne zugeordnet wird.

Die Nationalsozialisten zwangen das Bauhaus 1933 zur Selbstauflösung. Warum?

Sie wollten eher einen deutschen Staatsstil etablieren. Das neue Bauen hatte viel mit Politik, Gesellschaft, und sozialen Veränderungen zu tun, mit der Abkehr von traditionellen Strukturen der Gesellschaft der Zeit, mit dem starken Willen, die Gesellschaft zu reformieren. Die Reformer waren vorwiegend sozialdemokratisch oder kommunistisch beeinflusst, oder haben im Laufe der Zeit einen inneren Wandel vollzogen. Die Bauten der 1930er Jahre orientierten sich am klassischen Stil. Da hat das Heroische, das Machtvermittelnde des Staates eine große Rolle gespielt. Die Architektursprache wurde für politische Ziele missbraucht, was nicht gleichermaßen bedeutet, dass die Architektur dieser kurzen Zeit grundsätzlich von schlechter Qualität und ohne Ausdruck war.

Bescherte die DDR dem Bauhaus eine Renaissance?

Das frühe Nachkriegsbauen der DDR war nicht so sehr unterschiedlich im Vergleich zum übrigen Europa, in ihrer späten Phase aber wesentlich banaler. Viele Architekten haben sich zunächst wieder der Formensprache des Bauhauses zugewandt bis zum Beginn der Vorproduktion im Großtafelbau. Parallel können sie sich Siedlungen in allen deutschen Großstädten ansehen, in München, Hamburg, Hannover, Frankfurt etc., wo auch immer sie wollen, Monotonie par excellence. Die DDR ist zum Schluss nur radikaler oder brutaler in ihrem architektonischen Ausdruck geworden, in dem sie vom anfänglich handwerklichen Herstellungsprozess in eine Art Totalindustrialisierung und Reduzierung auf wenige Typen umgeschwenkt hat und damit den Bezug zu den jeweiligen Orten und den Maßstab des Menschlichen komplett aufgegeben hat.

Das Interview führte Guido Berg

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