Am 19. September wählt Potsdam einen neuen Oberbürgermeister. Sieben Männer und Frauen bewerben sich um das Amt. Was macht sie und ihre Politik aus? Was wollen sie in der Landeshauptstadt bewegen? Heute: MARCEL YON, FDP (Folge 2) Mit „: ins Rathaus
Es ist fünf Uhr am Morgen und Marcel Yon twittert im Internet: „ein schöner tag beginnt, ein wenig aufräumen, sport und dann um 6.00 team meeting“.
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Es ist fünf Uhr am Morgen und Marcel Yon twittert im Internet: „ein schöner tag beginnt, ein wenig aufräumen, sport und dann um 6.00 team meeting“. Während in der Nauener Vorstadt und auch im Hause Yon das Leben erst erwacht, ist der 43-Jährige bereits mitten in seinem Alltag zwischen Firmenchef, Familienvater und FDP-Oberbürgermeisterkandidat.
Marcel Yon entspricht in nahezu klassischer Weise dem Klischee eines FDP-Mitglieds. Banklehre, Betriebswirtschaftsstudium in Göttingen, Los Angeles, Berlin und Paris, Gründung von Technologie- und IT-Firmen, die er erfolgreich verkaufen konnte, derzeit Vorstandsmitglied eines neuen eigenen Unternehmens. So weit, so FDP. „Von Klischees halte ich nicht viel“, sagt Yon. „Die, die mich kennen, wissen, dass ich alles andere als ein Mensch bin, der in Schubladen passt.“ Wie zum Beweis tummeln sich im Yon’schen Lebenslauf dann auch zwei Jahre als „Hausmann“. Schon im Studium habe er diesen Wunsch geäußert, ausreichend Zeit für eigene Kinder zu haben, sagt Yon. „Es hat auch gut gepasst, meine Frau hatte die Chance, wieder voll in ihrem Beruf einzusteigen, meine eine Firma hatte ich gerade verkauft“, erinnert sich der dreifache Familienvater. Außerdem: Ein „inneres Bedürfnis“ sei es ihm gewesen, 2005 aus dem Geschäftsleben auszusteigen, um seine drei Kinder zu betreuen.
Der Lebensmittelpunkt ist seit sechs Jahren sein Haus in der Nauener Vorstadt. Arbeit, Familie, Erholung – Potsdam bezeichnet Yon als Heimat, auch wenn er erst seit 2004 hier lebt. „Es gibt Wasser, Wald, viel Natur – alles, was ich liebe“, sagt Yon. Hier wird auch sein Wahlkampf geplant. Neben einem Wahlkampfmanager unterstützen ihn weitere FDP-Mitglieder. Yon will sich weniger in den Straßenwahlkampf stürzen. „Das machen doch alle.“ Viel soll im Internet passieren, Yon ist „technikaffin“, wie er von sich selbst behauptet. Eine eigene Internetseite steht vor dem Start, er twittert, ist in den Netzwerken Facebook, Youtube und Flickr aktiv. Statt Infoständen auf Potsdams Plätzen will er an Diskussionsveranstaltungen und Podien teilnehmen, Vereine und Organisationen treffen. Während Yon in seinem Smartphone seinen Terminkalender inspiziert, tobt eine seiner Töchter in das Bürozimmer. „Bonjour“ ruft ihr der Vater zu. Zweisprachigkeit ist im Hause des gebürtigen Franzosen Yon kein Bildungscredo, es wird schlicht gelebt. Die Familie seiner Frau Benita – mit estnischen Wurzeln und einem Leben zwischen Deutschland, Italien und Frankreich – bezeichnet Yon als „international heimatlos“. Auch für Yon selbst trifft das zu. „Der wahre Grund, mich zu wählen, ist mein Lebenslauf“, sagt er selbstbewusst. In der Tat – in einem Wahlkampf, in dem Inhalte der einzelnen Bewerber mitunter schwer zu unterscheiden sind, fällt der Liberale mit seinem Werdegang auf. Der Sohn eines französischen Vaters und einer deutschen Mutter wuchs erst in der Nähe von Düsseldorf, dann wieder in Frankreich, bei Paris, auf. Der asiatisch anmutende Familienname stammt aus der Normandie und wird eigentlich nasal „Yong“ ausgesprochen. „Aber der Einfachheit halber nenne ich mich meist selbst Yon“, gesteht er. Geboren sei er aber „auf der Durchreise in Deutschland“, in Essen. Die ersten prägenden Jahre ist Yon indes in Frankreich aufgewachsen. „Deshalb bezeichne ich mich auch als gebürtigen Franzosen“, erklärt er. Diese deutsch-französische Mischung hat ihm den Spitznamen „Otto“ eingebrockt. „Beim Studium in Frankreich haben meine Landsleute in mir sehr deutsche Züge erkannt – eben ein deutscher Otto.“ Er steht dazu. „Ich bin Perfektionist.“
Das will er bei seinem Wirken als Lokalpolitiker und Wahlkämpfer beweisen. Wenige Themen nur besetzt er, in diese jedoch arbeitet er sich akribisch ein, sagt er. Die Familien- und Bildungspolitik gehört dazu. Auslöser war seine „Hausmann“-Tätigkeit. „Ich habe es am eigenen Leib bemerkt, wie schwer es ist, einen Kitaplatz in Potsdam zu finden“, erzählt Yon. Als er 2005 seine Kinder in einer Einrichtung anmelden will, „habe ich sehr lange gekämpft, ehe es für meine beiden älteren Kinder mit Plätzen in der Waldorf-Kita geklappt hat“. Rund 20 Einrichtungen habe er „abklappern müssen“. Yon ahnt: „Den Zuschlag haben wir wohl auch deshalb bekommen, weil ich als Hausmann eine Besonderheit darstellte.“ Die Odyssee der Kitaplatzsuche stachelte Yon an. „Es herrscht ein strukturelles, kein konjunkturelles Problem“ bei den Potsdamer Kitas. „Wenn zehn Jahre lang die Kitabedarfszahlen falsch sind, stimmt die Berechnung nicht.“ Sein Vorschlag: Bürokratie abbauen, die Gründung und Erweiterung von Kitas vereinfachen. Dafür hat Yon ein ganzes Konzept – angelehnt an die Bildungsgutscheine – ausgearbeitet, für das er seit mehr als zwei Jahren wirbt.
Es ist Yons großes lokalpolitisches Thema als FDP-Politiker. In die Partei eingetreten ist er erst 2005. „Sie vertritt am ehesten das, was ich verkörpere“, sagt Yon, der sich „im weitesten Sinn des Wortes als liberaler Mensch“ einschätzt. Das heißt: Weniger Bürokratie in der Potsdamer Verwaltung, mehr Freiheiten bei Entscheidungen, aber auch klare Ansagen, wohin es gehen soll. All das „fehlt derzeit in Potsdam.“ Sein Ziel: Die Wahlheimat gestalten. Dabei sei ihm wichtig, „die wahren Gründe zu finden“, wenn etwas nicht funktioniere. Als „Zero nonsense“-Politik würden die Amerikaner das bezeichnen.
Überhaupt liebt Yon englische Schlagworte. Während des morgendlichen Wahlkampfteam-Treffens spricht er von „Challenges“ – Herausforderungen –, erstellt To-Do-Listen, kommentiert seinen übervollen Terminkalender mit einem ironisch dahergeknurrten „love it“ und beglückwünscht ein Teammitglied mit einem „lucky you“. Yon hat die internationalen Unternehmer-Floskeln intus – schließlich steht er wieder im Arbeitsleben, führt eine Firma, die innovative junge Unternehmensideen finanziert und unterstützt. Auch deshalb werden die Sitzungen mit seinem Wahlkampfteam früh am Morgen abgehalten.
Yon sieht es als seinen Vorteil, kein Berufspolitiker zu sein, und als Firmenchef trotzdem Führungserfahrung zu haben. „Das bietet keiner der anderen Kandidaten.“ Doch die Doppelbelastung ist ihm bisweilen anzumerken. Unermüdlich überprüft er während des morgendlichen Treffens seinen Kalender, tippt auf seinen Laptop, um den Bildschirmschoner auszuschalten, erstellt Listen, was zu tun ist. Seine Hände sind ständig in Bewegung, die Finger trommeln unablässig auf die Tischplatte. Auch am Nachmittag, als er seinen jüngsten Spross, die vierjährige Charlotte, aus dem Kindergarten abholen will, kommt Marcel Yon nur schwer zur Ruhe. Von der Kita in der Großen Weinmeisterstraße geht es zum Pfingstberg, dort hat die Einrichtung zum Picknick mit Kindern und Eltern gerufen. Erst als seine Tochter bei ihm auf dem Arm sitzt, lässt er sich von Charlottes Kindergartenerlebnissen ablenken. In solchen Momenten ist der Firmengründer und FDP-Politiker einzig und allein Familienmensch. Bis das Smartphone surrt und klingelt.
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