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Landeshauptstadt: Leistikowstraße: Reich zum Rücktritt aufgefordert Kritiker drängen auf Zeitplan zur Überarbeitung der Dauerausstellung im ehemaligen KGB-Gefängnis

Nauener Vorstadt - Verhärtete Fronten beim Streit um die Gedenkstätte KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße: Eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde mit Kritikern und Verantwortlichen für die im April eröffnete Dauerausstellung blieb am Freitagabend ohne Ergebnis. Eingeladen hatte der Gedenkstättenverein, die Moderation übernahm Julius H.

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Nauener Vorstadt - Verhärtete Fronten beim Streit um die Gedenkstätte KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße: Eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde mit Kritikern und Verantwortlichen für die im April eröffnete Dauerausstellung blieb am Freitagabend ohne Ergebnis. Eingeladen hatte der Gedenkstättenverein, die Moderation übernahm Julius H. Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums an der Uni Potsdam. Wie hoch die Erwartungen waren, zeigte der Besucherandrang: Mit mehr als 70 Zuhörern war der Foyer-Raum voll.

Die Fronten blieben verhärtet. Die Kritiker – vertreten durch Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen sowie Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Leistikowstraße, die FDP-Landtagsabgeordnete Linda Teuteberg und die DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld (CDU) – forderten einen Fahrplan für die in ihren Augen dringend nötige grundlegende Überarbeitung der Ausstellung. Dagegen halten Gedenkstättenleiterin Ines Reich und Brandenburgs Kulturstaatssekretär Martin Gorholt als Vorsitzender des Kuratoriums der Gedenkstätte eine solche Überarbeitung weiterhin für nicht notwendig. Mit dieser Haltung sorgten sie am Freitag bei Opfervertretern für Empörung und Unverständnis. Knabe warf Reich vor, sich der Zusammenarbeit mit Zeitzeugen und Ehrenamtlern zu verschließen. Zugleich stellte er ihre Kompetenz als Leiterin in Frage. Der Leiter einer Gedenkstätte müsse zuhören und integrieren können, sagte Knabe: „Er muss den Zeitzeugen das Gefühl geben, das ist ihr Haus. Wenn ein Leiter das nicht kann, dann ist er an der falschen Stelle.“ Auf die indirekte Rücktrittsforderung reagierte Reich nicht.

Dass es eine ganze Reihe von Potsdamern gibt, die die Dauerausstellung nicht als „ihr Haus“ begreifen, war spätestens bei der Eröffnung im April deutlich geworden: Mit einer Menschenkette protestierten die Gegner, unter anderem weil sie die Leiden der früheren Häftlinge in der Schau nicht ausreichend gewürdigt sehen. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) waren den Kritikern mit einem Gesprächsangebot entgegengekommen.

Getan hat sich seitdem aber offenbar nichts. Dabei wiegen die Vorwürfe gegen die unter Ines Reich entwickelte Dauerausstellung schwer: Von einer Verharmlosung von Terror und der Gewalt im Namen kommunistischer Regime spricht Hubertus Knabe. Vera Lengsfeld wirft der Schau Geschichtsfälschung vor. Und Linda Teuteberg vermisst den Mut, „Unrecht als Unrecht zu benennen“ und ein klares Bekenntnis zu den Werten der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Das machen die Kritiker etwa an den Ausstellungstexten fest. Die seien einerseits zu kompliziert – Knabe führte als Beispiele die unkommentierte Verwendung von Begriffen wie „Repatriant“ und „Tschekist“ an. Noch schwerer der zweite Vorwurf: Mit den gewählten Formulierungen würden „die Dinge verräterisch verharmlost“. Ein Beispiel hierfür: Der Satz „Gewalt war ihnen nicht fremd“ über die sowjetische Geheimpolizei Tscheka. „Die Tschekisten haben Menschen tyrannisiert, um die kommunistische Diktatur durchzusetzen“, stellt Knabe klar. Die Kritiker bemängeln zudem fehlende Informationen zum sowjetischen Gulag-System und zum Widerstand in der SBZ/ DDR, einen zu starken Schwerpunkt auf die Täter und den fehlenden Charakter als Begegnungsstätte.

Gedenkstättenleiterin Reich wehrte sich gegen die Vorwürfe: Wegen fehlender Gelder werde die Ausstellung erst in einer zweiten Projektphase um die Themen Widerstand und Gulag-System erweitert. Ein Programm mit Führungen von Zeitzeugen gebe es bereits – dabei ist laut Programmflyer bis Jahresende keine solche Führung mehr vorgesehen. Martin Gorholt verteidigte die Ausstellung als „sehr gut“ und warf den Kritikern Polemik vor. Auch wenn die Ausstellung in Einzelpunkten geändert werden solle, müsse es nun besonders um die Erarbeitung eines Konzepts für die Arbeit mit Schülern gehen. Einen Konsens im Gedenkstättenstreit halte er derzeit nicht für möglich. Das sahen nicht nur die Kritiker, sondern auch Moderator Schoeps anders: „Es ist wichtig, dass eine solche Debatte geführt wird.“

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