Landeshauptstadt: Neuland betreten
Nicht nur für 4000 Studierende beginnt an der Uni Potsdam ein neuer Lebensabschnitt. Auch die Uni geht neue Wege
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Für die Potsdamer Universität ist es ein historischer Augenblick. 47 der rund 2500 neuen Studierenden, die am Montag ihr Studium aufnahmen, haben sich in dem europaweit einmaligen Studiengang Jüdische Theologie eingeschrieben. Nach ihrem Studium können sie als liberale Gemeinderabbiner ordiniert oder Kantor werden. Die Studierenden an der neuen „School of Jewish Theology“ kommen unter anderem aus Polen, Israel, Russland, Ungarn, Deutschland, den USA, Frankreich, Schweden und Norwegen. Die Veranstaltungen im Fach Jüdische Theologie können von allen Studierenden besucht werden.
Neuland betritt die größte Hochschule Brandenburgs nicht nur auf diesem Gebiet. Künftig wird auch ein Lehramtsstudium angeboten, mit dem sich die Studenten für das gemeinsame Unterrichten von behinderten und nicht-behinderten Kindern an sogenannten Inklusionsschulen qualifizieren. Auch dies ist in Deutschland bislang einmalig. Drei Millionen Euro bekommt die Universität vom Land für den neuen Lehramts-Studiengang zusätzlich pro Jahr. Und das Interesse ist groß. Für die 60 Studienplätze sind knapp 400 Bewerbungen eingegangen.
Neue Wege betritt man an der Universität überdies im Jurastudium mit einem verhaltenswissenschaftlich ausgerichteten Rechtsstudium. Integriert ist in dem grundständigen Studiengang Rechtswissenschaft nun auch ein Bachelorstudiengang. Denn nicht jeder Student will Richter werden, Bachelor-Juristen dürften vor allem für die Wirtschaft interessant sein.
Allein die Alma Mater bietet ihren neuen Studenten also zahlreiche Chancen. Hinzu kommt ein wissensbasiertes Umfeld in der Landeshauptstadt, das in seiner Dichte und Ausrichtung in der Region einmalig ist. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nannte bei der Begrüßung der Erstsemester in der Waschhaus-Arena der Schiffbauergasse 40 Forschungseinrichtungen und Institute, die ständig qualifizierte Mitarbeiter suchen würden. High-Tech und Softwareunternehmen hätten ebenso Bedarf an gut ausgebildetem Personal. „Nutzen Sie ihre Chance“, sagte Jakobs. Potsdam habe mehr zu bieten als Sanssouci, Holländisches Viertel und Barockfassaden. „Schauen Sie dahinter und entdecken Sie ein anderes Potsdam“, so das Stadtoberhaupt. Vor den neuen Studierenden liege nun eine Zeit des Lernens, des Lebens, der Leidenschaft, aber auch der Dramen. „Wohin dieser Weg am Ende führt, dafür sind Sie verantwortlich.“
An die Eigenständigkeit der Studienanfänger appellierte auch der Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Uni, Robert Seckler. „Wir haben diesen Beruf nicht ergriffen, damit Sie uns in Ruhe lassen“, sagte er zu den Studienanfängern. „Sprechen Sie mit uns! Keine Scheu vor Professorinnen und Professoren“, so Seckler. Auch erwarte man die Kritik der Studierenden. Die Studiengänge der Uni würden ständig auf dem Prüfstand stehen. „Dazu brauchen wir das Feedback der Studierenden.“
Zu den 2500 neuen Studierenden werden in den kommenden Wochen, bis zum endgültigen Abschluss der Einschreibungen, noch weitere hinzukommen. Insgesamt werden dann rund 20 000 junge Menschen an der Potsdamer Universität immatrikuliert sein. Hinzu kommen 3300 Studierende der Fachhochschule Potsdam, die bereits am vergangenen Montag 777 Erstsemester begrüßt hatte. An der Potsdamer Filmhochschule HFF startete das Semester ebenfalls vor einer Woche, hier nahmen 140 neue Studierende ihr Studium auf, womit die Kunsthochschule in Babelsberg bei rund 475 Studierenden liegt. Insgesamt werden in Potsdam im Wintersemester rund 24 000 Studierende eingeschrieben sein. Die acht staatlichen Hochschulen im Land Brandenburg rechnen mit bis zu 9000 Studienanfängern. Derzeit studieren in Brandenburg rund 52 000 angehende Akademiker. Im kommenden Jahr stehen den Einrichtungen laut Wissenschaftsministerium 316,8 Millionen Euro von Land und Bund zur Verfügung.
Dass ein Studium an der Universität Potsdam nicht zwangsläufig in den vermeintlichen Elfenbeinturm der Grundlagenforschung führen muss, demonstrierte am späteren Abend schließlich noch die fünfköpfige Hardrock-Band „Ray Pan Tea“: Bandleader Frank Spahn ist im akademischen Leben Professor der Astrophysik an der Universität Potsdam.
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