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MArion Kaufmann, PNN-Vizechefredakteurin

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Potsdam HEUTE, 21. März 2025: Zeitzeuge zum „Tag von Potsdam“

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Stand:

Guten Morgen,

es gibt Daten, die man nie vergisst. Für Friedrich Hassenstein gehört der 21. März 1933 dazu. Heute vor 92 Jahren schleicht sich Friedrich, sieben Jahre alt, in die Menschenmenge an Potsdams Straßen. Sieht Reichspräsident Paul von Hindenburg im offenen Wagen vorbeifahren. Die Reichsregierung, angeführt von Hitlers Stellvertreter Franz von Papen, marschieren. Friedrich ist mitten dabei beim „Tag von Potsdam“, der zur öffentlichen Schauveranstaltung für die Machtergreifung der Nationalsozialisten werden soll. 

Und es gibt Begegnungen, die man nie vergessen wird. Für mich gehört die mit Friedrich Hassenstein vor drei Wochen dazu. Durch eine glückliche Fügung lernte ich seinen Sohn Wolfgang, Meeresbiologe und Wissenschaftsjournalist aus Hamburg, kennen. Wir kamen auf Potsdam zu sprechen. Er machte es möglich, dass ich seinen Vater in Göttingen, wo der 99 Jahre alte Germanistikprofessor seit Jahrzehnten wohnt, besuchen konnte. Gute fünf Stunden lang erzählte Friedrich Hassenstein von seinem Aufwachsen im Nationalsozialismus an einem ganz besonderen Ort: dem Potsdamer Telegrafenberg, mitten in der Wissenschaftsgemeinschaft mit ihren renommierten jüdischen Forschern

Es ist eine Geschichte vom Schweigen, Verdrängen und Wegsehen der Erwachsenen, von der Angst der Jungen, im Krieg verheizt zu werden und der Kraft von Gedichten. Im Sommer 1943, gerade 18 Jahre alt, wird Friedrich Hassenstein zur Wehrmacht einberufen, mit Stahlhelm auf dem Kopf im Lustgarten vereidigt. Genau dort, wo am Donnerstag wieder viele Soldaten zu sehen waren, beim Führungswechsel des Landeskommandos Brandenburg – was nicht ohne Kritik blieb.

Gewohnt hat Friedrich Hassenstein neun Jahre lang auf dem Telegrafenberg im heutigen Café Freundlich, das so heißt, weil ... Ach, lesen Sie lieber selbst diese Geschichte, die ich Ihnen ganz persönlich ans Herz legen will.


Warum es so wichtig ist, die wenigen noch lebenden Zeitzeugen zu hören, macht Rechtsextremismus-Experte Hendrik Cremer im Interview mit meinem Kollegen Klaus D. Grote deutlich. „Unter den demokratischen Parteien scheint es bis heute kein ausreichendes Bewusstsein dafür zu geben, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, sich konsequent von der AfD abzugrenzen„, sagt Cremer, der anlässlich des „Tags von Potsdam“ heute um 15.30 Uhr in der Garnisonkirche sprechen wird. Diese Partei ziele darauf ab, alle anderen Parteien, die sie als „Altparteien“ diffamiert, zu vernichten. „Hier sehe ich eine Parallele“, sagt Cremer, die sich durch die Erzählung von Friedrich Hassenstein bestätigt. „Auch in der Weimarer Republik wurde die Gefahr, die von der NSDAP ausging, nicht ausreichend erkannt“. 

Während die Stadt kein eigenes Gedenken zum 21. März 1933 angekündigt hat, sorgt der Förderverein des Potsdam Museums mit einer thematisch eng verbunden Schenkung für Aufsehen: eine Schulwandkarte aus dem Jahr 1933, die den „Tag von Potsdam“ abbildet. Wo und wie in Potsdam noch an diesen historischen Tag erinnert wird, lesen Sie hier.

Ums Erinnern an die NS-Zeit kümmert sich auch die 80-jährige Ulrike Funke aus Potsdam. Sie recherchierte zur Potsdamer Pianistin Ruth Zappe, die 1940 im Euthanasieprogramm der Nazis ermordet wurde. Schüler des Filmgymnasiums Babelsberg haben einen Film über sie gedreht, wie Erik Wenk eindrücklich beschreibt

Brandenburgs KZ-Gedenkstätten stehen unterdessen vor einer großen Zäsur: Zum möglicherweise letzten Mal werden insgesamt 17 hochbetagte Überlebende der nationalsozialistischen Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen am 8. Mai in Brandenburg erwartet. Anlass ist der 80. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager durch Soldaten der Roten Armee. „Die Überlebenden stehen im Zentrum der Gedenkfeiern“, sagte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll, gestern bei der Vorstellung des Gedenkprogramms. Sie würden den Brandenburgerinnen und Brandenburgern die Hand reichen, um daran zu erinnern, „wie zerbrechlich unsere Demokratie ist und wie wenig selbstverständlich die unverbrüchliche Geltung von Menschenrechten, die Akzeptanz von Vielfalt und ein respektvolles und solidarisches Miteinander ohne Ansehen von Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht sind“.

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