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Landeshauptstadt: „Potsdam ist der bessere Teil Berlins“

Der Verein Pro Brandenburg lud Botschafterfrauen zur Kutschfahrt ein. Manfred Stolpe begrüßte die Diplomatengäste

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Eine Kremserfahrt im Novemberniesel – nicht gerade optimales Wetter für eine Rundfahrt durch den historischen Stadtkern Potsdams. Aber der Kutscher vom Golmer Pferdefuhrbetrieb Sengebusch ist vorbereitet: Warme Wolldecken liegen in der roten Kutsche, die vor dem Restaurant „Mövenpick“ an der Historischen Mühle am Park Sanssouci bereitsteht. Eingewickelt verabschieden sich die Mitfahrerinnen dann mit vornehmem Winken. Heute hat Stadtführer Sebastian Stielke vom Potsdamer Tourismus-Service besondere Gäste. Er ist der Hahn im Korb zwischen einem guten Dutzend Ehefrauen von in Berlin akkreditierten Botschaftern aus aller Welt – darunter Frankreich, Iran und die Türkei.

Unter dem Motto „Potsdam und Preußen. Weltoffen – International – Tolerant“ hatte der Verein „Pro Brandenburg“ Mitglieder des Berliner Diplomatenclubs des Auswärtigen Amtes, „Willkommen in Berlin“, zu einer Stadtrundfahrt durch Potsdam eingeladen.

Bereits seit vier Jahren gibt Stielke auf seinen Fahrten zahlreichen Besuchern Einblick in Architektur und Stadtgeschichte. Mit einer Mischung aus Geschichtsunterricht, Ausflugstipps und lockeren Anekdoten begleitete er die rund zweistündige Kutschfahrt auf Englisch. Dabei ging ihm schon mal die ein oder andere Vokabel verloren, doch die bestehende Sprachbarriere brachte Stielke nicht aus der Fassung. Die Botschaftergattinnen halfen ihm mit dem Englisch auch gern einmal auf die Sprünge.

Stielke nimmt es gelassen. Denn er weiß genau, mit welchen Themen er die Herzen seiner durchgefrorenen Gäste zumindest ein kleines bisschen erwärmen kann. So führte die Stadtrundfahrt neben Stationen wie dem Park Sanssouci, der Russischen Kolonie, dem Holländischen Viertel, dem Brandenburger Tor oder dem Potsdamer Landtag am Alten Markt auch an der Boutique „Wunderkind“, dem eigenen Label des Potsdamer Modeschöpfers Wolfgang Joop, in der Friedrich-Ebert-Straße entlang. Nebenbei tauschte man sich vor der St.-Peter-und-Paul-Kirche am Bassinplatz über Hollywood-Schauspieler aus, die derzeit in den Filmstudios in Babelsberg drehen oder diskutierte die bei Touristen beliebten Geschäfte in der Potsdamer Innenstadt.

Manfred Stolpe (SPD), der ehemalige Ministerpräsident des Landes Brandenburg, hatte die 13 Ehefrauen zuvor im Restaurant „Mövenpick“ begrüßt. Zusammen mit Etta Schiller vom Verein Pro Brandenburg gab Stolpe in seiner kurzen Ansprache Einblick in die Geschichte Preußens und dessen rund 300-jährige Kultur von Weltoffenheit, Toleranz und Internationalität. Aber er sprach auch von Sorgen, die ihn offenbar umtreiben: „Wir müssen den Menschen bewusst machen, dass wir in einem Rechtsstaat leben und ihnen die Bedeutung der Unabhängigkeit für die Entwicklung des Landes näherbringen“, sagte der 78-Jährige. Die Toleranz gegenüber fremden Kulturen und Religionen sei für ihn schon immer ein Wesensmerkmal Preußens gewesen. Dies gelte auch bis heute noch für das Land Brandenburg. Eine Dolmetscherin übersetzte ins Englische.

Andreas Kimmel, Geschäftsführer von Pro Brandenburg und Beauftragter für gesellschaftliche Verantwortung und Politik, legte besonderen Wert darauf, dass die Stadtrundfahrt nicht durch Berlin, sondern durch Potsdam führt. „Berlin gehört zu Potsdam und nicht umgekehrt. Potsdam ist unsere Landeshauptstadt, genau hier befindet sich das Zentrum der Diplomatie“, sagte Kimmel. Bereits seit rund 25 Jahren setzt sich sein Verein aktiv für die Förderung des Standortes Brandenburg und die Schaffung eines wirtschafts- und wissenschaftsfreundlichen Umfelds im Land ein.

Stolpe ist auf die gegenwärtige Entwicklung des Landes besonders stolz, wie er betonte. Dabei macht er unter anderem auf die Bedeutung der rund 100 000 Existenzgründer in Brandenburg aufmerksam. Dass vor allem auch zahlreiche Frauen in der Vergangenheit ihre eigenen Firmen gegründet haben, freue ihn deshalb umso mehr. Auch für die Zukunft plane man, weiterhin neue Wirtschaftspartner zu gewinnen, die zur Stabilisierung und Stärkung der Industrie beitragen. Darauf wolle man nun aufbauen.

Potsdam, sagt Stolpe, sei wieder zu dem geworden, was es vor der Zeit des Nationalsozialismus gewesen ist und habe sich zum „besseren Teil von Berlin“ entwickelt, fügt der ehemalige Landesvater mit einem Lächeln hinzu. Aktionen wie die gestrige Stadtrundfahrt seien außerdem immer auch eine gute Werbung für das Land Brandenburg und seine Hauptstadt.

Stolpe selbst begleitete die Stadtrundfahrt jedoch nicht. Bisher habe sich vor allem seine Frau um die Beziehungen zu den „Diplomatenfrauen“ gekümmert. So sei bereits in den vergangenen Jahren das ein oder andere Treffen zustande gekommen. In diesem Jahr organisierte nun erstmals der Verein Pro Potsdam e.V. den interkulturellen Austausch – beide Stolpes kämpfen gegen eine Krebserkrankung. Ein Ausblick auf Pläne für die kommenden Jahre gibt Stolpe nicht: „Ich plane nur für heute und morgen“, sagt er gelassen.

Mareike-Vic Schreiber

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