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Potsdams Oberbürgermeister droht die Abwahl: Zwei-Drittel-Mehrheit gegen Mike Schubert steht
Die Fraktionen von CDU, Grünen, Die Andere, Linke, BSW, Freie Wähler und FDP wollen die Amtszeit des Potsdamer Rathauschefs vorzeitig beenden. Schubert will das Votum noch verhindern.
Stand:
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat das Vertrauen einer deutlichen Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung verloren. Am Dienstagmittag präsentierten Spitzenvertreter von sieben der neun Fraktionen – CDU, Grüne-Volt-Die Partei, Die Andere, Linke, BSW, Freie Wähler und FDP – einen gemeinsam unterzeichneten Abwahlantrag gegen den Rathauschef. Damit stützt ihn nur noch die SPD-Fraktion. Die Rechts-Außen-Fraktion der AfD hatte sich im Dezember indirekt gegen eine Abwahl ausgesprochen.
Der Abwahlantrag, der von 38 der 56 Stadtverordneten und damit einer Zwei-Drittel-Mehrheit unterschrieben ist, wird unter anderem mit Schuberts VIP-Ticket-Affäre und ihren Folgen begründet. „Das Ergebnis der Ermittlungen und der Umgang des Oberbürgermeisters mit dem Verfahren habe seine Integrität in der Stadt beschädigt und seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt“, heißt es im Antragstext.
Heftige Kritik wird an Schuberts Amtsführung geübt. Trotz zusätzlicher Personalstellen gebe es in der Stadtverwaltung große Probleme, etwa beim Bürgerservice. „Zahlreiche Führungskräfte haben die Stadtverwaltung mit Verweis auf den Führungsstil des Oberbürgermeisters verlassen.“ Beschlüsse der Stadtverordneten würden nicht umgesetzt.
Der Oberbürgermeister reagierte am Nachmittag auf den Abwahlantrag. Er bedaure die Entscheidung sehr, ließ er mitteilen. Er habe gehofft, gemeinsam mit der Stadtverordnetenversammlung Lösungen für eine weitere Zusammenarbeit bis zur Neuwahl des Oberbürgermeisters im Herbst 2026 zu finden.
„Dieses Ziel und die Hoffnung, dass dies gemeinsam gelingen kann, habe ich auch weiterhin.“ Er hoffe, dass es ihm noch gelingen könne, die im Abwahlantrag kritisierten Punkte „zu entkräften oder Vorschläge zu unterbreiten, dass eine Zusammenarbeit in den verbleibenden Monaten bis zur Neuwahl möglich ist“, wird Schubert zitiert.
Schon in den vergangenen Jahren seiner Amtsführung zeigte die Stadtverwaltung trotz zusätzlicher Personalstellen in vielen Bereichen große Probleme, ihre Kernaufgaben in einer angemessenen Qualität und in zumutbaren Fristen zu erledigen.
Aus dem Abwahlantrag der sieben Fraktionen gegen Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD)
Die Spitzen der sieben Fraktionen stellten ihren gemeinsamen Antrag bei einer Pressekonferenz im Rathaus in der Edisonallee vor – ein bisher einmaliger Vorgang. Dabei gingen sie mit Schubert ins Gericht. Isabelle Vandre von den Linken sprach von „Tatenlosigkeit in der Bekämpfung der Wohnungskrise“ und kritisierte scharf den geplanten Sparhaushalt, der die Lage weiter eskalieren lassen habe. Der politische Schaden sei inzwischen so massiv, „dass sich kaum noch konstruktive Debatten führen lassen“, so Vandre.
Grünen Ko-Fraktionschefin Silke Reimer kritisierte überdies, die wirtschaftlichen Probleme von städtischen Unternehmen wie dem Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP) seien zu spät adressiert worden. „Wir benötigen einen Neuanfang an der Stadtspitze.“
Willo Göpel von der CDU sagte, Schubert sei nicht in der Lage, die Stadt zu regieren. Schon 2024 sei de facto ein verlorenes Jahr für Potsdam gewesen, weil der Oberbürgermeister vor allem mit den Vorwürfen in der VIP-Ticket-Affäre beschäftigt gewesen sei. Angesichts dessen sei nun noch nicht einmal ein Haushaltsentwurf vorhanden.

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Angesichts der VIP-Ticket-Affäre sagte Lutz Boede von Die Andere, er hätte nicht gedacht, dass sich der Rathauschef so häufig selbst zu Spielen seiner bevorzugten Potsdamer Sportvereine eingeladen habe. Statt für Aufklärung zu sorgen, habe Schubert den Eindruck vermittelt, dass ihm niemand gönne, zu Sportveranstaltungen zu gehen: „Doch darum geht es nicht.“ Man könne von einem Rathauschef erwarten, dass dieser die Tickets für sich und seine Frau selbst bezahle: „Nur darum geht es.“

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Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hatte kurz vor Weihnachten die Ermittlungen in der VIP-Ticket-Affäre gegen Schubert wegen der Annahme kostenloser VIP-Tickets vor allem für Sportveranstaltungen eingestellt. Er muss Geldauflagen in Höhe von 34.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung und an die Landeskasse zahlen.
Am Ende sah die Staatsanwaltschaft zwar einen hinreichenden Tatverdacht der Vorteilsannahme im Amt in 64 Fällen, aber keine schwerwiegende Schuld. Der Rathauschef stimmte der Einstellung des Verfahrens zu. Er wolle vor allem seine Familie nicht dem Druck einer öffentlichen Gerichtsverhandlung aussetzen, teilte er mit.
Damit sei ausdrücklich kein Schuldeingeständnis verbunden, hatte Schuberts Anwältin erklärt. Hätte er der Einstellung nicht zugestimmt, hätte es ein öffentliches Gerichtsverfahren gegeben.
Die Vertreter der Fraktionen betonten am Dienstag unisono, die ViP-Ticket-Affäre sei nur der Anlass, nicht der Grund für das Abwahlverfahren. Michael Reichert von den Freien Wählern, die die Abwahl zuerst gefordert hatten, zeigte sich angesichts der gefundenen Mehrheit zufrieden. „Es wäre hilfreich, wenn der Oberbürgermeister angesichts dessen nun seinen Rücktritt erklärt.“
Auch Hans-Jürgen Scharfenberg von dem Wagenknecht-Ableger BfW legte dem Rathauschef den freiwilligen Abgang nahe. Das würde das Verfahren deutlich abkürzen „und wäre sehr hilfreich“. Mit dem Antrag nehme die Stadtverordnetenversammlung als Kontrollinstanz des Rathauschefs ihre Verantwortung wahr, betonte Scharfenberg. Schon vor einem Jahr war ein Antrag Scharfenbergs für eine Missbilligung der Arbeit von Schubert nur knapp gescheitert. Helmut Lange von der FDP sagte, Schubert werde es nun „sehr schwer haben“, überhaupt noch Mehrheiten für seine Politik zu erreichen.
Der Oberbürgermeister wiederum erinnerte in seiner Erklärung daran, dass die Stadt wegen der angespannten Haushaltslage und der Finanzierung für den Ersatz des Heizkraftwerks vor großen Herausforderungen stehe. „Ich werde dabei um gemeinsame Lösungen und Kompromisse im Sinne der Stadt werben“, so Schubert. Er wolle solche Entscheidungen auch dazu nutzen, „zu zeigen, dass wir miteinander arbeiten und Lösungen finden können“.
Am Abend äußerte sich auch die SPD-Fraktion. „Die SPD-Fraktion unterstützt das Abwahlverfahren gegen Mike Schubert nicht. Unser Ziel ist es, weiterhin eine sachliche und konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle der Potsdamerinnen und Potsdamer zu gewährleisten“, hieß es in der knappen Stellungnahme der Fraktionsspitze.
Bis zur Abwahl dauert es noch Wochen
Bis zur Abstimmung über die Abwahl dauert es noch einige Wochen. Die Kommunalverfassung sieht für ein Abwahlbegehren eine Abkühl-Frist vor: Es darf frühestens einen Monat und spätestens drei Monate nach Einbringung des Begehrens darüber abgestimmt werden. Nach PNN-Informationen geht es voraussichtlich um eine Sondersitzung im März. Dafür wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit bei einer offenen Abstimmung nötig. Das sind 38 Stimmen.

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Diese haben die Fraktionen bereits jetzt zusammen, obwohl für Einbringung des Begehrens nur eine einfache Mehrheit nötig wäre. Das damit an Schubert gesendete Zeichen ist deutlich.
Schubert könnte einem erfolgreichen Abwahlbegehren innerhalb einer Woche widersprechen. In diesem Fall kämen die Potsdamer zum Zuge und würden mittels Bürgerentscheid über die Abwahl entscheiden. Er wäre abgewählt, wenn eine Mehrheit der abstimmenden Personen, laut Kommunalwahlgesetz „mindestens jedoch ein Viertel der wahlberechtigten Potsdamer“, für die Abwahl stimmt. Dieses Votum würde voraussichtlich im Mai oder Juni stattfinden.
Boede von der Fraktion Die Andere sagte, unter anderem müsse man im Abwahlverfahren gesetzliche Fristen einhalten, aber auch Ferienzeiten beachten. Schubert hatte zuletzt deutlich gemacht, dass er es auf einen Bürgerentscheid ankommen lassen würde.
Wenn der Oberbürgermeister dem Abwahl-Beschluss der Stadtverordneten nicht widerspricht, gilt er als abgewählt. Dann verliert er, wie bei einer Abwahl durch die Bürger, keine Versorgungsansprüche. Träte Schubert jetzt zurück, würde er Ansprüche verlieren.
Rettungsversuch verpufft
Schubert hatte noch am Montag versucht, ein Votum der Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung gegen ihn abzuwenden. In einem zweiseitigen Schreiben an die Stadtverordneten, das den PNN vorliegt, bittet Schubert um „die Möglichkeit, (…) auf Sie zuzukommen und zu erklären (…) welche Ziele ich in den weniger als anderthalb Jahren bis zur nächsten Wahl gemeinsam mit Ihnen umsetzen möchte“. Zudem möchte Schubert Vorschläge „für eine Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit der Stadtverordnetenversammlung“ machen.
Er weist darauf hin, dass das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Vorteilsannahme im Amt von der Staatsanwaltschaft Neuruppin eingestellt worden ist. Die Geldauflage in Höhe von 34.000 Euro erwähnt er allerdings nicht.
Schubert verwirft in Brief sein Wahlprogramm
Schubert konstatiert in dem Schreiben, es sei ihm „bisher noch nicht gelungen“, mit den Stadtverordneten eine „Form für ein besseres Miteinander zu finden“. Sein Wahlprogramm aus dem Jahr 2018 verwirft der Oberbürgermeister selbst offensiv: „Ziel, Programm und Zeitvorstellung“ seines Wahlprogramms könnten „keine Grundlage mehr bilden“. Er bietet stattdessen quasi an, sich den Zielen der neun Fraktionen zu beugen.
Für einen „grundsätzlichen Veränderungsprozess“, den Schubert jedoch nicht konkretisiert, wolle er in dieser Woche mit der Beigeordnetenkonferenz und dem Personalrat sprechen. Und weiter: „Anschließend würde ich ihnen am Donnerstag den Vorschlag zu den Veränderungen in der Zusammenarbeit an ihre Fraktionen übermitteln.“ Ob dies noch gewollt ist, daran zweifelt Schubert offenbar selbst. Er habe zudem gebeten, „zeitnah“ eine Sitzung des Ältestenrats der Stadtverordnetenversammlung einzuberufen.
Der Brief Schuberts an die Stadtverordneten enthält zahlreiche Grammatik- und Rechtschreibfehler. Er erweckt den Eindruck, als wenn der Oberbürgermeister diesen auf eigene Faust und ohne Unterstützung seiner Vertrauten abgeschickt hätte.
Ein erster Abwahlversuch im Frühsommer war noch gescheitert, damals an der Beteiligung der AfD-Fraktion, von der andere Fraktionen nichts wussten. Der Antrag war nach dem Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Schubert zustande gekommen, allerdings bereits auch mit dem Frust über seine Amtsführung begründet. Damals hatten die Fraktionen Die Andere und die Linke die Abwahl noch abgelehnt. Fehler wie damals hatte man im zweiten Anlauf nun unbedingt vermeiden wollen, der gemeinsam demonstrierte Willen zur Abwahl soll auch als politisches Zeichen der Geschlossenheit der so unterschiedlichen Fraktionen dienen.
* In einer ersten Version des Textes hieß es noch, Schubert habe eine Geldstrafe erhalten. Das ist falsch – es handelte sich um eine Auflage. Die Passage wurde entsprechend verändert.
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