
© H. Kramer
Rocker-Banden in Potsdam: Razzia in der Charlottenstraße
200 Polizisten durchsuchten am Mittwochabend die Hells Angels-Bar in der Potsdamer Innenstadt. Am Donnerstag lobte Innenminister UPDATE. Woidke den Eisnatz und kündigte eine harte Linie an: Wer glaube, Brandenburg als Rückzugsort nutzen zu können, sei "schief gewickelt".
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Innenstadt - Nach dem Verbot einer Berliner Ortsgruppe der Rockerbruderschaft Hells Angels und einer Großrazzia durchsuchten am Mittwochabend 200 Polizeibeamte aus Berlin und Brandenburg auch die Residenz des Clubs in der Potsdamer Charlottenstraße. Anlass war der Übertritt zweier Bandidos-Chapter aus Berlin nach Potsdam, die damit ihrerseits einem Verbot zuvorkommen wollten. Die Beamten fanden bei der Razzia mehrere Macheten, Messer, Axtstiele, höhere Bargeldbeträge und im Wagen eines Rockers eine Schutzweste. Von insgesamt 21 Rockern wurden die Personalien aufgenommen. Darunter waren 10 Rocker aus Berlin, darunter "namhafte Szenegrößen" aus Berlin, wie ein Polizeisprecher sagte.
„Wir wollen zeigen, dass Potsdam kein Rückzugsraum vom verbotene Vereine ist“, sagte der Polizeisprecher. Zuvor hatten die Ermittler Hinweise erhalten, dass bei dem Treffen in Potsdam Absprachen getroffen werden sollten, „um Vereinsverbote zu umgehen“. Es soll sich um bis zu zwölf Rocker handeln, die sich den Hells Angels in Potsdam angeschlossen hätten, hieß es. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen dürfte die Residenz der Hells Angels in Potsdam damit auf rund 20 Mitglieder, die Unterstützer nicht mitgezählt, anwachsen. Zuletzt waren die Potsdamer „Höllenengel“ durch mehrere Austritte einiger prominenter Mitglieder arg geschwächt worden.
Rocker sind in Potsdam schon seit Jahren aktiv. Zunächst hatten 2007 die Rocker des MC Gremium am Rande des Stadtteils Waldstadt am Ufer der Nuthe ein Clubgelände eröffnet. 2009 kamen die Hells Angels dazu – und übernahmen nach und nach die Vormachtstellung unter den Potsdamer Rockern. Dabei kam es im Sommer 2009 auch auf offener Straße zu einer Schießerei mit drei Verletzten und Schlägereien zwischen Anhängern der verfeindeten Clubs. Schließlich bestätigte die Polizei Ende 2010, dass sich der MC Gremium aufgelöst hat. Über direkte Überläufer zu den Hells Angels wurde nichts bekannt. Im Februar 2010 waren bereits Dutzende Rocker des Motorradclubs Bandidos aus Berlin direkt in Potsdam zu den Hells Angels übergelaufen.
Schlagzeilen machten die Potsdamer Hells Angels, als 2009 bekannt wurde, dass damals zu ihren Mitgliedern einer der Hooligans gehörte, die während der Fußballweltmeisterschaft 1998 den französischen Polizisten David Nivel fast zu Tode prügelten. Dieser war kürzlich wieder ausgetreten. Mitte 2010 wurde ein geplanter Motorradkorso der „Hells Angels“ durch Potsdam verboten, 350 Polizisten waren im Einsatz.
Immer wieder waren Potsdamer Hells Angels nach Polizeiangaben auch in Strafverfahren verwickelt und mussten sich vor Gericht etwa wegen räuberischer Erpressung verantworten. Ohnehin werden die Potsdamer Rocker von Ermittlern mit Geschäften in Bereichen wie Prostitution, Waffen, Drogenhandel und Schutzgeld in Verbindung gebracht. Auch von Verbindungen zur Türsteher-Szene ist die Rede.
Im vergangenen Jahr hieß es aus der Potsdamer Polizei, die Zahl der Polizeieinsätze im Rocker-Milieu in der Landeshauptstadt sei etwas zurückgegangen, weil die Bandenmitglieder versuchen würden, sich den polizeilichen Kontrollen zu entziehen. Doch bei den verdeckten Geschäften der Hells Angels in Potsdam sei es nicht ruhiger geworden, hatte Potsdams oberster Kommissar, Lars Brückner, gesagt – „ganz im Gegenteil“. Zudem hatte der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr über Verbindungen zwischen Personen aus der rechtsextremen Musik-Szene und den Hells Angels berichtet – so von mehreren gemeinsamen Feiern.
Im Stadtbild sind die Hells Angels seit 2009 auch in der Innenstadt wahrnehmbar. Sie betreiben in der Charlottenstraße die Bar „Route 81 – The Other Place“. Diese und Wohnungen von Mitgliedern des Potsdamer Rocker-Milieus hatten Ermittler bereits mehrfach durchsucht. Dabei waren unter anderem Waffen gefunden worden.
Brandenburg will offenbar verhindern, dass kriminelle Rocker aus Berlin in das Umland ausweichen und dort ihr Unwesen treiben. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hatte bereits am Mittwoch angekündigt, die Rocker erwarte in Brandenburg ein „ungemütliches Pflaster“. Nach dem Einsatz am Abend fügte der Leiter der zuständigen Polizeidirektion hinzu: „Wir dulden keine rechtsfreien Räume im Land Brandenburg. Potsdam ist kein ruhiger Rückzugsort für ehemalige Mitglieder von in Berlin verbotenen Rocker-Vereinen“.
Am Donnerstagvormittag erklärte Woidke: „Kriminelle Rocker sind in Brandenburg nicht willkommen. Brandenburg hat mit dem gestrigen Einsatz gegen die Potsdamer Hells Angels unverzüglich auf die jüngsten Entwicklungen innerhalb der Rockerszene in der Hauptstadtregion reagiert. Möglichen Neustrukturierungen der einschlägigen Szene wird Brandenburg nicht untätig zusehen. Mit dem Einsatz wurde ein klares Signal gesetzt, dass Brandenburg nicht nur redet, sondern auch entschlossen handelt." Weiter sagte der Innenminister: "Die Brandenburger Polizei hat rasch und professionell auf die jüngsten Entwicklungen reagiert. Besonders hervorzuheben ist dabei die reibungslose Kooperation zwischen Brandenburg und Berlin." Sein Ministerium werde die Entwicklungen innerhalb der Rockerszene "weiterhin sehr aufmerksam, aber auch mit kühlem Kopf analysieren. Die Dinge sind offensichtlich im Fluss." Die Siccherheitsbehörden aus Brandenburg und Berlin stünden in engem Kontakt. "Die gestrigen Waffenfunde – darunter Macheten und Messer – belegen einmal mehr, dass es sich bei den Mitgliedern der Hells Angels keineswegs um harmlose Motorradfreunde handelt. Brandenburg ist kein Rückzugsraum für Rocker aus Berlin. Wer darauf setzt, ist schief gewickelt. Wir werden den Rockergruppierungen ihr Treiben mit allen gebotenen Maßnahmen auch weiterhin so schwer wie möglich machen“, so Woiddke.
Einige Rocker hatten dies aber offenbar gehofft. Anfang der Woche hatte sich die verbotsgefährdete Gruppe der Bandidos „Southside“ aufgelöst, um sich danach teilweise den „Hells Angels“ in Potsdam anzuschließen. Tatsächlich trafen die Beamten bei der Razzia in Potsdam auch Personen an, „die bis vor kurzem der Berliner Rockerszene zuzurechnen waren“, wie es in einer Mitteilung hieß.
Um effektiver gegen kriminelle Rocker vorzugehen, will Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die Länder ermuntern, Rockerclubs schneller zu verbieten. Da bundesweite Verbote noch nicht möglich seien, müsse man sich auf die regional begrenzten Verbote konzentrieren, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag am Rande der Innenministerkonferenz im mecklenburgischen Göhren-Lebbin. Die kriminellen Strukturen der Banden seien nicht zu unterschätzen. „Da muss man sehr, sehr hart und konsequent durchgreifen“, forderte er.
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